Rede von Erhard Grundl Aktuelle Stunde "Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk"
Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir über den Öffentlich-Rechtlichen reden, müssen wir uns klar werden, was wir wollen und was wir nicht wollen. Wollen wir in Deutschland eine Informationslandschaft, die dominiert ist von einer Berichterstattung à la Fox News?
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Solche Sender muss es auch geben!)
Wollen wir eine Medienlandschaft, in der nur die skandalisierendste Schlagzeile und die Produktion vorkommt, die die höchste Einschaltquote bringt? Ich sage Ihnen: Das wollen wir nicht. Und das werden wir auch nicht zulassen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
Die tragende Säule unserer freien Demokratie ist eine vielfältige Medienlandschaft, in der es privat finanzierten Journalismus, gemeinnützigen Journalismus und öffentlich-rechtlichen Journalismus gibt. Der Qualitätsjournalismus des Öffentlich-Rechtlichen, der von Journalistinnen und Journalisten in unabhängigen Redaktionen erarbeitet wird:
(Lachen des Abg. Gerold Otten [AfD] – Dr. Götz Frömming [AfD]: Absurd!)
Das ist das Fundament. Dieses Fundament wird im Zeitalter der Fake News noch viel, viel wichtiger werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
Der ÖRR in Deutschland wurde nach dem Zweiten Weltkrieg und nach den Gräueltaten der deutschen Nationalsozialisten gegründet. Es sollte nie wieder einen zentralen staatlich gesteuerten Propagandasender geben.
(Beifall des Abg. Peter Boehringer [AfD] – Dr. Götz Frömming [AfD]: Genau! – Gegenruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist klar, dass Sie sich angesprochen fühlen!)
Genau das wurde umgesetzt, indem es vielfältige, selbstverwaltete, föderal organisierte Sender gibt, die durch Gebühren finanziert werden.
Der grundsätzliche Auftrag des Öffentlich-Rechtlichen wird von den Ländern im Medienstaatsvertrag festgelegt. Die Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unterstehen nicht der Kontrolle der Politik. Die Journalistin steht nicht ihrer Brötchengeberin gegenüber, wenn sie im Interview kritische Fragen stellt.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Nein!)
Denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist, wie ich sagte, beitragsfinanziert. Das ist seine Stärke.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Vollkommen unbeeinflusst von der Politik: Die lachen sich kaputt über das, was Sie da sagen!)
Er ist unabhängig von Regierungsmehrheiten. Er ist unabhängig von Überlegungen eines Haushaltsausschusses im Bundestag oder eines Finanzministers, und das ist auch gut so.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Es steht außer Frage, dass Vetternwirtschaft oder gar Einflussnahme auf die Berichterstattung nicht sein dürfen. Darum erwarten wir klare Reformen in den Sendern, strikte Compliance-Regelungen, in denen Vergabeverfahren und Amtsausstattung geregelt sind. Weitreichende Finanzentscheidungen müssen durch Gremien getroffen werden. Es braucht transparente und nachvollziehbare Gehaltsstrukturen für Führungspositionen.
Die Kontrollgremien müssen gestärkt werden. Die ehrenamtlichen Mitglieder der Rundfunkräte müssen gut ausgestattet sein. Sie brauchen zuarbeitende unabhängige Gremienbüros und medienpolitische Schulungen. Und die Arbeit der Redaktionen muss gestärkt werden. Diese Arbeit ist das Rückgrat für die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Bevölkerung. Ich möchte nicht die Räterepublik in den Redaktionen ausrufen. Aber was spricht eigentlich gegen rotierende Chefredaktionen?
Was wir ablehnen, ist die sogenannte Rückbesinnung auf eine journalistische Grundversorgung. Wer den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur für diese Grundversorgung lobt, der spricht ein vergiftetes Lob aus. Das Streichen von Unterhaltung aus dem Programmauftrag bedeutet eine eklatante Schwächung des Öffentlich-Rechtlichen. Dem stellen wir uns entschieden entgegen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)
Ja, wir brauchen tiefgreifende Recherche und die aufwendige Doku. Aber ja, wir wollen auch Unterhaltung; denn gemeinsam erlebte Unterhaltung baut Brücken.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Unterhaltung gab es auch in der DDR!)
4 Millionen Zuschauer/-innen bleiben nach dem „Tatort“ dran, um noch „Anne Will“ zu schauen; da kommen übrigens auch Sie von der AfD vor. Das zeigt: Das Zusammenspiel von Unterhaltung und Informationsangeboten ist attraktiv.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Genau! Brot und Spiele!)
Wer also die Unterhaltung aus dem Programmauftrag streichen möchte, der möchte in der Konsequenz öffentlich-rechtliche Informationsangebote in unserer vielfältigen Medienlandschaft zurückdrängen. Das werden wir nicht zulassen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Dr. Andrew Ullmann [FDP] und Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
Wir brauchen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dringender denn je; denn wir dürfen die deutsche Medienlandschaft nicht federführend den Krakeeler/-innen und nicht den Profitgeiern überlassen.
(Zuruf von der AfD: Und die Geierinnen?)
Zum Schluss, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU und der CSU. Es wundert mich immer wieder, dass nirgends so aufgeregt und viel über das Gendern gesprochen wird wie in Ihren Zirkeln. Der Parteivorsitzende Merz schreibt dazu eifrig Gastbeiträge. Auch bei Ihrem Parteitag in Hannover musste das Gendern als zentrales und raumgreifendes Eingangsthema herhalten – ganz besonders das Gendern im Öffentlich-Rechtlichen.
Man fragt sich: Ist das Ihr Topthema? Wollen Sie allen Ernstes unabhängigen Journalistinnen und Journalisten vorschreiben, wie sie zu sprechen haben?
(Maximilian Mörseburg [CDU/CSU]: Wir wollen die Leute überzeugen!)
Wenn es nicht so traurig wäre, dann könnte man darüber lachen, dass die wahren Gender-Nerds dieses Landes hier vereint auf der rechten Seite dieses Hauses sitzen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Maximilian Mörseburg [CDU/CSU]: Wie billig ist das denn? Billig ist das! Einfach billig!)
„Get a life“, wie man in Niederbayern sagt. Legen Sie Ihre Sprachpolizistinnenuniformen zurück in den Wandschrank der Geschichte.
(Maximilian Mörseburg [CDU/CSU]: Und lassen Sie die deutsche Sprache in Ruhe! – Gegenrufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der SPD: Oah! – Weiterer Gegenruf: Ach, Sie definieren die deutsche Sprache, oder was?)
– Wenn Sie das Gendern so anficht, dann gibt es eine ganz einfache Empfehlung:
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege.
Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Verwenden Sie die nächsten 2 000 Jahre die weibliche Form, und fühlen Sie sich mitgedacht.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)