Rede von Manuel Sarrazin Aktuelle Stunde „Ostukraine“

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22.04.2021

Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Als ich die Rede vom Kollegen Friesen gehört habe,

(Dr. Anton Friesen [AfD]: Waren Sie begeistert!)

habe ich gedacht: Anscheinend waren diese Truppenverlegungen des russischen Oberkommandos in den letzten Wochen für Sie auch nur eine Art „Vogelschiss“. So kam es mir zumindest vor.

(Stephan Brandner [AfD]: Der war schon mal gut! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Der war ziemlich billig! Also, so ein Mist! – Gegenruf des Abg. Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Getroffene Hunde bellen!)

– Sehen Sie, ich habe hart getroffen. – Man muss das schon mal sagen:

(Stephan Brandner [AfD]: Mehr davon!)

Da wird eine Truppe mit Hunderttausend Mann, Artillerie, Landungstruppen, Panzern direkt an die Grenze verlegt – dabei geht es auch um das Kräftegleichgewicht im Schwarzen Meer, faktisch die Sperrung der Straße von Kertsch –, und Sie halten hier eine Rede, als würde das nicht stattfinden. Wenn man das dann zu kritisieren wagt, Herr Gauland, dann spielen Sie hier den beleidigten, armen, braven Bürger. Was Sie in echt sind, ist eine Partei, die die Augen davor verschließt, was in der Welt passiert, und das korrumpiert offensichtlich Ihre politische Meinung zu Opfern gegenüber deutschen Interessen.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Nein! Wir vertreten gerade deutsche Interessen! – Stephan Brandner [AfD]: Die Korruption ist ja wohl ein bisschen weiter da drüben!)

Sie vertreten nicht deutsche und europäische Interessen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ihr Redner hat sich hier für die Interessen des Kremls starkgemacht.

Wenn ich Ihnen das auch noch aus ganzem Herzen sagen darf: Sie vertreten noch nicht einmal russische Interessen. Sie vertreten die Interessen der korrupten Machtclique im Kreml, mit der Sie so gerne konferieren,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ja, ja!)

mit der Sie exklusive Kaffeetermine machen – das ist die Realität –, anstatt sich hier um unser Land zu kümmern. Gucken Sie doch nur, was Ihnen Herr Lawrow aufschreibt bzw. sein Team. Wahrscheinlich macht das nicht Herr Lawrow persönlich; der nimmt Sie, so wie Sie arbeiten, glaube ich, auch nicht ernst.

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Das sind ja nur nützliche Idioten!)

Ich möchte Staatsminister Roth danken für die Rede, die er hier gehalten hat. Ich möchte auch sagen: Es war wichtig, klarzustellen, dass von ukrainischer Seite in den letzten Wochen und Monaten keine Truppenverlegungen in den Osten stattgefunden haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Diese Klarheit ist wichtig. Ich möchte dann aber auch sagen: Es ist bedauerlich, dass die Bundesregierung in der ersten Pressemitteilung zu diesem Vorgang nicht in der Lage war, das gleich wiederzugeben, sondern einfach plump beiden Seiten eine Deeskalation angeraten hat. Die Realität an der Kontaktlinie ist richtig beschrieben. Beide Seiten sind angehalten, nicht zu eskalieren. Die Einhaltung des Waffenstillstands von beiden Seiten verhindert Tote und Verletzte. Aber der Krieg, dieser Krieg kann nicht dadurch beendet werden, liebe Heike Hänsel, dass die ukrainischen Kräfte aus den Schützengräben in die Kasernen zurückgehen, leider nicht. Sonst wäre da kein einziger Ukrainer mehr. Niemand in der Ukraine will Krieg. Dieser Krieg kann nur beendet werden, indem Herr Putin den von ihm geführten sogenannten Volksrepubliken den Stecker zieht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Josip Juratovic [SPD])

Das ist der einzige Weg dafür. Das wünschen wir uns alle.

Ich möchte es ganz persönlich sagen: Meine Kinder sind vier und sechs Jahre alt, und sie wünschen sich ein Haustier. Wenn man Geschichten von Kindern, die an der Kontaktlinie leben, liest, erfährt man, dass sie sich keine Haustiere mehr wünschen: Wenn die aus dem Haus über den Zaun in den Wald gehen, kommen die nicht zurück. Dann macht es bumm, weil die Gegend vermint ist. – Das ist die Konsequenz eines Interventionskrieges, den Herr Putin wollte, den wir nur gemeinsam lösen können, den wir auch nicht ohne die ukrainische Seite lösen können; aber die Verantwortung dafür hat Herr Putin. Diese Wahrheit auszusprechen, das wünsche ich mir einfach von euch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Und bevor ich hier unfair werde, möchte ich Folgendes sagen: Kollege Wadephul, wenn ich mir angucke, was mit Nawalny passiert – Herr Lambsdorff hat es gesagt –, erwartet der alte Marxist in mir: Jetzt kommt die goldene Stunde der Union, jetzt kann man mal richtig draufhauen.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Sie sind Marxist? Das ist ja neu für mich!)

Und was sehe ich dann? Herr Kretschmer sitzt bei Herrn Putin auf der Couch und spielt den Fiffi.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die ehemaligen Marxisten sind die Schlimmsten!)

Um das mal ganz klar zu sagen: Die russische Seite testet uns doch in dieser Übergangsphase. In dieser ausklingenden Ära Merkel testet sie uns: Wie weit kann man gehen? Wie reaktionsfähig ist diese Bundesregierung eigentlich noch? In der Situation, in der Herr Nawalny um sein Leben kämpft, in der Situation, in der Zehntausende in Moskau auf der Straße sind, in der Situation fährt ein CDU-Ministerpräsident nach Moskau und spielt dort den Fiffi. – Das schwächt uns, das schwächt Europa. Das erwarte ich nicht von der Union!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD])

Und bevor jetzt alle denken, der letzte mögliche Koalitionspartner für die Grünen wäre die FDP, möchte ich etwas ganz anderes sagen: Das Festhalten an Nord Stream 2 schwächt uns genauso.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wollen Sie Fracking-Gas aus Amerika?)

Ganz egal, was man darüber denkt, auch mit Blick auf das Klima, wir sehen doch, dass wir in dieser Situation einfach geschwächt werden durch diese Uneinigkeit.

Deswegen stehen wir zu einer klaren europäischen Position, stehen wir zu einer klaren und offenen Zusammenarbeit mit der Ukraine. Sagen wir, was ist in der Zusammenarbeit mit dem Kreml und mit Russland, mit Respekt, aber auch mit einer klaren Sprache.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Manuel, Marxisten können Dialektik!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Abgeordnete Johann Saathoff für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)