Rede von Friedrich Ostendorff Aktuelle Stunde „Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik“

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28.10.2020

Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen besprachen wir im Agrarausschuss mit dem beeindruckenden Vorsitzenden der Zukunftskommission Landwirtschaft, Professor Strohschneider, wie wir Landwirtschaft und Erwartungen der Gesellschaft zukünftig besser zusammenführen können. Es geht um Zukunftsperspektiven, es geht um Planungssicherheit, es geht um Zuversicht für die Landwirtschaft. Es geht darum, die zahlreichen Probleme zu lösen: Begrenzung des Klimawandels und Anpassung an den Klimawandel, Schutz unseres Grundwassers, Schutz unseres Bodens, Umbau der Tierhaltung, Biodiversitätsverlust in der Agrarlandschaft, Erhalt einer vielfältigen bäuerlichen Landwirtschaft in einem lebendigen ländlichen Raum.

Aber es brauchte erst das Handeln der Bundeskanzlerin unter dem Druck der Bauernproteste im vergangenen Jahr und der vielen Proteste der Zivilgesellschaft gegen die Landwirtschaftspolitik von Ihnen, der CDU/CSU, um Bäuerinnen, Bauern, Umweltverbände, NGOs, Wissenschaft endlich an einen Tisch zu bringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eigentlich wäre es ja Ihre Aufgabe als Ministerin gewesen, Frau Klöckner, das zu bewerkstelligen. Aber Sie setzen stattdessen auf Fortsetzung der alten Klientelpolitik, mit der wir schon so lange konfrontiert sind. Keine Zukunftsperspektiven, sondern weiter wie bisher. Wer viel Fläche bewirtschaftet, dem wird weiter reichlich gegeben.

(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Das ist nicht zutreffend! Überhaupt nicht!)

Ihre Videobotschaft an den Deutschen Bauerntag vor wenigen Tagen sprach hier Bände. Welche Arroganz gegenüber der Gesellschaft, welche Realitätsverweigerung! Anbiedern der billigsten Art!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch des Abg. Kees de Vries [CDU/CSU])

Diese Ihre Politik brachte der Mecklenburger Bauer Helmut Peters im „Bericht aus Berlin“ auf den Punkt: gut organisierte Unvernunft. – Wo ist denn der von Ihnen immer wieder proklamierte Systemwechsel? Eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit! Reiner Etikettenschwindel!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das einzig Gute ist, dass die Medien dieses perfide Spiel, das Sie spielen, durchschaut haben. Alle Direktzahlungen – immerhin über 300 Millionen Euro Steuergeld bis 2027 – in der EU seien,

(Zuruf der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])

behaupten Sie, zukünftig an die Umsetzung von starken Umwelt- und Klimaleistungen gebunden. Mindestens 20 Prozent der Direktzahlungen, so Sie weiter, seien zukünftig an noch höhere Biodiversitäts-, Umwelt- und Klimaleistungen, die sogenannten Eco-Schemes, geknüpft. Aber wo sind denn die ambitionierten Maßnahmen? Stattdessen: Freiwilligkeit, wie immer, und Maßnahmen in schmerzfreien Dosen.

Fakt ist: 80 Prozent der Gelder werfen Sie weiterhin über die Fläche – mit minimalsten Konditionen; verloren für Klima, Umwelt und Biodiversität. Sie versuchen, uns immer wieder alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen. Sie versuchen, uns Weinessig noch als Premiumwein zu verkaufen. Leider immer noch zu viel Weinkönigin und zu wenig gestaltende Ministerin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das ist aber billig!)

Dann Ihre „Lernphase“ – das ist ja ein neuer Begriff; den müssen wir uns jetzt merken –, die Lernphase von zwei Jahren – nach einer Übergangsphase von zwei Jahren. Wer zwei und zwei zusammenzählt, kommt auf vier weitere Jahre des Nichtstuns bis 2025.

Das Schlimmste aber ist: Die guten Ziele der Biodiversitäts- und Farm-to-Fork-Strategie, die Kommissionspräsidentin von der Leyen aufgesetzt hat, die die Landwirtschaft als einen der größten Verursacher von Klima- und Umweltproblemen benannt hat, ignorieren Sie völlig. Hören Sie doch endlich auf, den toten Gaul lebendigzureden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihnen fehlt jegliche Vision, Ihnen fehlt jegliche Strategie. Klimakrise, Klimaanpassung, Verschmutzung unseres Grundwassers, das Arten- und Insektensterben, der Umbau der Tierhaltung, der Erhalt unserer bäuerlichen Landwirtschaft: Diese Probleme müssen endlich gelöst werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Legen Sie doch mal eine andere Platte auf, Herr Ostendorff!)

Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin, sagte zum Green Deal, den sie von der Dimension her als europäische Mondlandung bezeichnet: Wir brauchen 50 Prozent weniger Pestizide, wir brauchen 20 Prozent weniger Nährstoffverlust, 50 Prozent weniger Antibiotikaeinsatz, einen Ausbau des Ökolandbaus auf 25 Prozent bis 2030. – Das sind die Forderungen, die die EU-Kommissionspräsidentin aufgesetzt hat; daran haben wir uns zu messen.

Wir Grüne fordern die Honorierung von starken Gemeinwohlleistungen durch eine Gemeinwohlprämie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir Grüne fordern eine starke Konditionalität. Wir fordern eine starke zweite Säule für gezielte Länderprogramme.

(Beifall des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Frau Klöckner, hören Sie endlich auf, zu torpedieren, hören Sie endlich auf, zu spalten, hören Sie endlich auf, zu blockieren und zu verhindern! Niemand außer ein paar Ewiggestrigen applaudiert Ihnen noch. Lösen Sie endlich die Probleme!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: „Setzen, sechs“, würde ich sagen! – Weitere Zurufe von der FDP – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Die Ministerin redet jetzt mal über Inhalte! Das ist auch gut!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat die Bundesministerin Julia Klöckner.

(Beifall bei der CDU/CSU)