Rede von Agnieszka Brugger Aktuelle Stunde „Taurus“

Foto von Agnieszka Brugger MdB
13.03.2024

Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Wehrbeauftragte! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Jan Marsalek war die zentrale Figur von Wirecard. Als der milliardenschwere Betrug dieses Unternehmens vor vier Jahren aufflog, flüchtete er nach Russland und lebte dort mit einer neuen Identität. Das ist eigentlich alles auch so schon ein Riesenskandal. Doch die krasseste Enthüllung der letzten Monate ist, dass der von der deutschen Politik damals hofierte Marsalek offenbar seit Jahren Teil eines russischen Spionagenetzwerkes war, was von Journalistinnen und Journalisten von „Spiegel“, „Standard“ und ZDF aufgedeckt wurde. Diese Recherche wirft nun unfassbar viele gravierende Fragen auf.

So ungeheuerlich dieser Skandal ist, bestimmt er trotzdem leider nicht die deutschen Schlagzeilen und unsere Debatte. Stattdessen sprechen wir seit Tagen über die Nachlässigkeit deutscher Generäle, wegen der ein vertrauliches Gespräch mitgeschnitten werden konnte. Dabei wurde über einige Details zu Taurus gesprochen, die im Kern aber alle schon bekannt sind. Trotzdem ist das ein schwerwiegender Vorfall, der aufgearbeitet werden muss. Das tut die Bundeswehr, und das haben wir am Montag im Verteidigungsausschuss getan. Das kam aber übrigens nicht durch kritische Journalistinnen und Journalisten ans Tageslicht, sondern wurde hämisch über Telegram von der Chefin von Putins Propagandasender Russia Today verbreitet.

Es ist nicht das erste Mal, dass Deutschland im Fadenkreuz von Kriegsverbrecher Putin steht, und es wird auch nicht das letzte Mal sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wie so oft in den vergangenen Jahren geht es Präsident Putin darum, die Gräben in unserer Gesellschaft zu vertiefen, das Vertrauen in unsere Demokratie zu beschädigen, darum, uns bestimmte Debatten aufzuzwingen und von anderen abzulenken. Dieser Leak verdrängte nicht nur die Causa Marsalek aus unserer Aufmerksamkeit, sondern auch die mutigen Proteste nach der Ermordung von Nawalny in Russland, die bedrohliche Lage in Moldau und die jüngsten Kriegsverbrechen in der Ukraine. Es war wahrlich kein Zufall, dass dieses Gespräch jetzt veröffentlicht wurde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und der Abg. Serap Güler [CDU/CSU])

Wer macht sich hier nun einmal mehr zum Handlanger Putins? Es ist die AfD, die hier kein Wort über russische Spionage verliert und sich in ihrem Umgang mit dem Leak perfekt nach Putins Drehbuch verhält. Hier zeigt sich, wer wirklich hinter der Bundeswehr steht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Mit ihrer schäbigen Nummer schiebt die AfD die deutschen Soldaten, die Opfer des Leaks waren, noch mal so richtig vor das Kanonenrohr.

(Widerspruch bei der AfD)

Das ist einfach nur schändlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Und dann behaupten Sie auch noch, dass es Ihnen um die Sicherheit unseres Landes geht. Gerade wurde enthüllt, dass Sie über 100 Rechtsextremisten in Ihrer Fraktion beschäftigen und ihnen damit Zugang zur Herzkammer unserer Demokratie gewähren. Sie stehen nicht für Sicherheit; Sie sind das Sicherheitsrisiko schlechthin, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zurufe von der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, als Demokratinnen und Demokraten durchschauen wir diesen bösartigen Plan Putins. Wir haben die Verantwortung, sein Kalkül zu durchkreuzen, statt uns naiv oder gar absichtlich zu seinen Helfern zu machen. Lassen Sie uns angesichts der Spionage, der Lügen, der Propaganda aus Russland und anderen Staaten und von Feinden unserer Demokratie vereint sagen: Wir begegnen euren Versuchen, unsere Demokratie und unsere offene Gesellschaft auszunutzen und anzugreifen, nur noch robuster, noch gelassener und noch entschlossener.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Was ist konkret zu tun? Alle müssen lernen, Quellen und deren Interessen besser zu hinterfragen – vom 16-jährigen Schüler über Alexander Dobrindt bis zum 60-jährigen Chefredakteur.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Es geht darum, die zu stärken, die Fakten überprüfen und Fakes entlarven, um klare Regeln für soziale Medien und Plattformen, um unsere Medienvielfalt, die so unfassbar kostbar ist, um einen besseren Schutz unserer Kommunikation und eine handlungsfähigere Spionageabwehr, um Wachsamkeit und um Wehrhaftigkeit. Wir werden in dieser Auseinandersetzung aber nicht gewinnen, wenn wir nur Einfallstore verkleinern, und auch nicht, wenn wir all unsere Zeit darauf verwenden, Lügen zu entkräften und sie zu widerlegen. Wir verfügen über etwas, was die menschenverachtenden Autokraten und blutrünstigen Kriegsherren fürchten und deshalb so erbittert bekämpfen. Nichts bedroht sie so sehr wie eine freie Gesellschaft von kritischen Bürgerinnen und Bürgern.

(Zuruf des Abg. Jan Ralf Nolte [AfD])

Wir besitzen eine mächtige Waffe, und das sind unser Zusammenhalt und unsere offene Gesellschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Adis Ahmetovic [SPD])

Wenn wir uns erfolgreich gegen die Feinde der Demokratie wehren wollen, müssen wir die kleinen und die großen Räume schützen, in denen wir uns gegenseitig zuhören und verstehen können, in denen wir mit Fakten und mit Empathie gemeinsam nach Lösungen suchen.

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Lassen Sie uns das niemals vergessen! Lassen wir uns das von den Feinden der Demokratie niemals nehmen!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die FDP-Fraktion hat nun das Wort Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)