Rede von Misbah Khan Aktuelle Stunde „Taurus“
Misbah Khan (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Taurus-Abhörfall offenbart eigentlich eine Binsenweisheit digitaler Kommunikation: Die besten Sicherheitsmaßnahmen auf technischer Ebene bringen nichts, wenn Nutzerinnen und Nutzer die Programme nicht richtig bedienen. Dass der Grund für den Datenabfluss ein Anwendungsfehler eines Nutzers war und nicht eine technisch-systematische Lücke, die ausgenutzt worden ist in einem zentralen Kommunikationssystem unserer Streitkräfte, ist fundamental wichtig.
Eine gute Sache hatte die Veröffentlichung: Selten wurde in Deutschland so viel über Sicherheitslücken diskutiert. Und den meisten ist mittlerweile klar, welche Tragweite es hat, wenn eine Sicherheitslücke genutzt wird. Hätte es diese Sicherheitslücke gegeben, hätte das bedeutet, dass jede geführte Unterhaltung mit diesem Kommunikationsinstrument abgehört worden wäre. Das wäre für die Sicherheitslage Europas und die Sicherheitslage der Welt eine dramatische Vorstellung. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir sagen: Kommunikation muss immer sicher sein. Kommunikation muss immer verschlüsselt sein. Das ist eine absolute Notwendigkeit, die wir hervorheben wollen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nicht nur viele Stellen des Staates nutzen Anwendungen wie Webex, sondern auch viele Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger. Das heißt, das Thema IT-Sicherheit ist gesamtgesellschaftlich zu betrachten. Sicherheitslücken in solchen Systemen müssen deshalb immer geschlossen werden.
Zur Ernsthaftigkeit der Lage unserer Cyber Security muss man Folgendes sagen: Wir brauchen eine wirkliche Zeitenwende für alle Verfassungsorgane und für alle Sicherheitsbehörden, gerade wenn es um den Eigenschutz der sicherheitsrelevanten Kommunikation geht. Sicherheitsvorfälle sind ein Punkt, der nicht zu unterschätzen ist. Das ist ein gravierendes Problem. Wir haben hier einen Schaden von 206 Milliarden Euro jährlich für die deutsche Wirtschaft. Es wird ein größerer Betrag durch Cyberkriminelle eingenommen als durch Drogenhändler.
Das BSI macht regelmäßig auf die hohe Bedrohungslage aufmerksam. Das heißt, dass wir an der Stelle auch ein Beamtentum brauchen, das einen sicherheitsbewussten Umgang mit den Systemen, die ihm zur Verfügung gestellt werden, pflegt, und wir müssen das evaluieren. Wir müssen auch in der Bundesregierung die Priorität setzen, überfällige Gesetze in Sachen kritischer Infrastruktur voranzutreiben. Was wir also brauchen, ist ein KRITIS-Dachgesetz.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen auch mehr Sensibilität in unserer Bevölkerung schaffen. Der Abhörfall Taurus zeigt doch, dass IT-Sicherheit nicht nur etwas für Informatikerinnen und Informatiker ist, sondern dass es an den Anwenderinnen und Anwendern liegt, ob diese Systeme richtig bedient werden. Das fängt mit einer Wachsamkeit für seltsame Links an, die einem in Scam-Mails geschickt werden und ein klassisches Einfallstor sind. Aber auch ein offenes W-LAN in einem Hotel oder einem Café, das ganz praktisch ist, stellt ein Sicherheitsrisiko dar, egal ob man ein General auf einer Luftfahrtmesse in Singapur ist oder eine Geschäftsfrau auf einer Dienstreise irgendwo anders. Ohne die Nutzung von VPNs ist Kommunikation nicht sicher und auch andere Anwendungen nicht. Wer sich dafür interessiert: Das BSI hat ein großes Informationsangebot für Bürgerinnen und Bürger. Ich möchte allen ans Herz legen, sich da einfach einmal zu informieren.
Zum Abschluss möchte ich festhalten, dass der Abhörfall „Taurus“ eine russische Propagandaoperation ist, die natürlich von anderen Themen ablenken sollte; das haben wir vorhin schon gehört. Das Ziel Putins ist, in der öffentlichen Debatte einen Keil zwischen die Verbündeten zu treiben. Demokratien sollen geschwächt werden, und das Vertrauen in gemeinsame Werte soll untergraben werden. Diese Aktion sorgt natürlich auch dafür, dass wir uns damit auseinandersetzen müssen.
Es ist ein bisschen traurig, dass die AfD jetzt genau diese Aktuelle Stunde angemeldet hat; aber wir haben in der Debatte ja auch schon gesehen, wie schamlos die Partei das Putin-Regime unterstützt.
(Zuruf von der AfD: Jau!)
Was die AfD macht, ist: destabilisieren, verunsichern und vertuschen. Wir haben es vorhin in der Debatte schon gehört: Wir hätten an dieser Stelle auch über den Wirecard-Skandal sprechen können, über Herrn Marsalek und sein Agieren mit russischen Geheimdiensten. Auch das hätte ein Thema sein können – war es aber nicht. Was man daran sieht, ist, dass die sicherheitspolitische Bedrohung seitens der AfD nicht verstanden wird oder, noch schlimmer, in Kauf genommen wird.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Während wir zum Abschluss hier feststellen können, dass es doch keine technische Sicherheitslücke bei der Bundeswehr gab, gibt es Hunderte Mitarbeiter/-innen in den Organisationen der AfD, von denen man das nicht behaupten kann, weil der Verfassungsschutz klar sagt: Sie sind als rechtsextremistisch einzustufen. – Darunter sind sogar Neonazis. Das heißt, wir haben Hunderte Mitarbeiter und damit Hunderte Sicherheitslücken in unserem Land und für unsere Demokratie. Deshalb ist es wichtig, dass wir als demokratische Parteien gemeinsam wachsam sind –
Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Misbah Khan (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
– ja, letzter Satz –, dass wir Manipulationsversuche von außen erkennen und vor allem unsere Demokratie und Sicherheit verteidigen.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich grüße Sie zunächst einmal alle ganz herzlich. – Wir fahren fort in der Debatte, und das Wort erhält Dr. Dietmar Bartsch für die Gruppe Die Linke.
(Beifall bei der Linken)