Rede von Omid Nouripour Aktuelle Stunde „Tod von Alexej Nawalny“

Foto von Omid Nouripour MdB
21.02.2024

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diktaturen haben immer ein Fundament: Angst. Die eigenen Bürgerinnen und Bürger werden eingeschüchtert, auf dass sie sich nicht trauen, nach Freiheit zu streben; Angst ist auch das Geschäftsmodell des Kremls. Genau deswegen ist der Mut der natürliche Feind. Der Mut Alexej Nawalnys hat stets darauf abgezielt, die Schwäche des Fundaments und die Schwäche dieser Diktatur zur Schau zu stellen. Deswegen war er im Fadenkreuz.

Unter Putin ist Russland nicht nur eine Diktatur, sondern auch eine Kleptokratie. Deshalb war der Nukleus des Engagements von Nawalny stets der Kampf gegen die Korruption. Diesen Kampf zu gewinnen, ist wichtig, um den Menschen in Russland ein schönes Leben zurückzugeben. Das war ihm so wichtig, dass er trotz Lebensgefahr nach Russland zurückgegangen ist, um die Arbeit seiner Stiftung für Korruptionsbekämpfung fortzusetzen. Dieser Arbeit verdankt die Welt beispielsweise die Erkenntnis, dass es bei Sotschi einen gigantischen Palast gibt, der Putin gehört und in dem sogar die Toilettenbürsten aus Gold sind, bezahlt aus dem Volksvermögen der Russinnen und Russen; er hat in die eigene Tasche gewirtschaftet. In dieser Wunde hat Nawalny immer gebohrt. Deshalb war er die größte Gefahr für Putin und sein System. Deshalb wurde er zum politischen Gefangenen, und deshalb trägt Putin mindestens politisch vollumfänglich die Verantwortung für die Ermordung von Alexej Nawalny.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Und Nawalny stand für alle, die im Fadenkreuz sind, sei es, weil sie gegen Korruption kämpfen, sei es, weil sie sich gegen den Aggressionskrieg in der Ukraine aussprechen, sei es, weil sie gegen Queerfeindlichkeit, gegen Putins imperiale Geschichtsverfälschung oder eben für freie Berichterstattung eintreten. Putin verfolgt, unterdrückt und lässt politische Gegnerinnen und Gegner ermorden, nicht nur in Russland, sondern auch in Madrid, in Salisbury, in London oder im Berliner Tiergarten. Seit Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Putins in der Ukraine ist auch der Kampf gegen die eigene Bevölkerung intensiviert worden.

Deshalb braucht es Antworten. Das fordert uns heraus. Ich bin dankbar, dass unsere Außenministerin, Annalena Baerbock, sich dieser Tage in Europa dafür einsetzt, dass es neue Sanktionen gibt, genau wegen der Ermordung von Nawalny.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Es ist richtig, dass nun der russische Botschafter vom Auswärtigen Amt einbestellt worden ist. Und es ist notwendig, deutlich zu machen, dass die Wahlen, die demnächst in Russland anstehen, keine legitimen Präsidentschaftswahlen sind. Neben Putin sind bloß drei Systemkandidaten zugelassen worden. Viele Menschen sind nicht zugelassen worden, Menschen wie Boris Nadeschdin oder Jekaterina Dunzowa, weil sie gegen den Krieg in der Ukraine sind. Deshalb sind diese Wahlen nicht legitim.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich möchte an dieser Stelle jemanden begrüßen: Frau Elena Gordon. Sie beehrt uns heute mit ihrer Anwesenheit. – Danke, dass Sie da sind, Frau Gordon. – Frau Gordon ist die Mutter eines der bekanntesten politischen Häftlinge in Russland, nämlich von Wladimir Kara-Mursa. – Ich kann Ihnen versprechen: Wir werden nicht nur dafür sorgen, dass Ihr Sohn nicht vergessen wird, sondern wir fordern die Freilassung aller politischen Gefangenen in Russland, Frau Gordon. Danke, dass Sie da sind!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Es gibt mehr. Wir sind verpflichtet, der demokratischen Zivilgesellschaft in Russland beizustehen. Der Mut einer Julija Nawalnaja verpflichtet uns. Diese Frau hat am Flughafen ihren Mann ein letztes Mal in Freiheit in die Arme nehmen dürfen, bevor er ihr die Sätze gesagt hat: Sei nicht traurig. Alles wird gut. – Sie hat sich von diesem Mut anstecken lassen. Deshalb sagt sie so klar und deutlich, was das Vermächtnis dieses Muts ist, was das Vermächtnis Nawalnys ist: Der Kampf geht weiter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Dass ich an dieser Stelle einfordern muss, dass sein Leichnam seinen Angehörigen zurückgegeben wird, damit seine Mutter ihn in Würde begraben kann, ist nicht nur entsetzlich, sondern das zeigt auch die Unmenschlichkeit des Regimes Andersdenkenden gegenüber.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

Ich finde, wir sind hier heute auch zusammengekommen, um all derjenigen zu gedenken, die mit ihrem Mut ein Mahnmal gesetzt haben im Kampf gegen die Diktatur: Wir gedenken Alexej Nawalny, Anna Politkowskaja, Stanislaw Markelow, Anastassija Baburowa, Natalja Estemirowa, Boris Nemzow, Dmitri Bykow und aller anderen Opfer der Diktatur in Russland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Unionsfraktion ist Dr. Norbert Röttgen der nächste Redner.

(Beifall bei der CDU/CSU)