Rede von Deborah Düring Aktuelle Stunde „Waffenlieferung“
Deborah Düring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Recht diskutieren wir seit Monaten über Waffenlieferungen in die Ukraine. Es ist wichtig, dass wir auch in dieser Frage solidarisch an der Seite der Ukraine stehen. Die Ukraine muss in der Lage sein, sich selbst verteidigen zu können.
Aber Solidarität mit der Ukraine hat viele Facetten. Sie hat zum Beispiel eine innenpolitische Facette. Solidarität zeigt sich auch darin, wie wir mit ukrainischen Geflüchteten hier vor Ort umgehen. Und auch wenn die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ungebrochen ist, so frage ich mich ehrlich gesagt bei den Äußerungen Ihres Parteivorsitzenden, liebe Union, wie es wirklich um die Solidarität steht. Christlich-demokratische Werte sehen meiner Meinung nach auf jeden Fall anders aus.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das ist aber jetzt anmaßend! Das war doch billig, echt!)
Wir alle hier wissen, wie schlecht die humanitäre Lage in der Ukraine ist. Russland setzt gezielt Explosionswaffen in Wohngebieten ein. Sie attackieren die Strom-, Wasser- und Energieversorgung, und sie bombardieren Krankenhäuser. Tausende Schulen im ganzen Land wurden bereits beschädigt oder komplett zerstört. Menschen verlieren jeden Tag ihr Zuhause. Kinder verlieren jeden Tag ihre Kindheit. Die Gesundheitsversorgung vor Ort ist katastrophal. Es ist dunkel und kalt in vielen Teilen des Landes.
Mit einer Unterstützung in Höhe von mehr als 1 Milliarde Euro hat die Bundesregierung im letzten Jahr gezeigt, dass wir uns unserer Verantwortung bewusst sind, diese humanitäre Katastrophe abmildern zu müssen. Wir schaffen dabei gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen Wohnraum für Menschen auf der Flucht. Wir unterstützen die Instandsetzung von Stromnetzen und Wasserinfrastruktur. Wir helfen, die Gesundheitsversorgung zu sichern. Und wir unterstützen darüber hinaus auch die Nachbarländer Moldau und Georgien und auch die Länder im Globalen Süden dabei, die Auswirkungen des Krieges zu bewältigen.
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei den vielen Kommunen in Deutschland bedanken, die ihre Partnerkommunen in der Ukraine unterstützen, beispielsweise mit medizinischen Produkten, mit Verpflegung und Kälteschutz. Liebe Kommunen, das ist Solidarität. Vielen Dank dafür!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Während in der letzten Woche in der Öffentlichkeit und auch hier im Plenum vor allem über Waffen diskutiert wurde, stellen das BMZ und das Auswärtige Amt bereits gemeinsam mit der Ukraine die Weichen für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit und für Wiederaufbau. Die spannende Frage dabei ist: Wie schaffen wir es, einen Wiederaufbau in der Ukraine zu gestalten, der nicht nur den Zugang zur EU ebnet, sondern nachhaltig, inklusiv und feministisch ist? Ich persönlich glaube, dass dabei drei Aspekte von besonderer Bedeutung sind.
Der erste Aspekt: die gezielte Einbindung der Kommunen und der Zivilgesellschaft; denn die Menschen vor Ort wissen am besten, was sie brauchen. Die Mitbestimmung von Frauen, von jungen Menschen und marginalisierten Gruppen ist dabei natürlich unabdingbar.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der zweite Faktor, der, glaube ich, wichtig ist: ein nachhaltiger und 1,5-Grad-konformer Wiederaufbau. Ich weiß, das klingt gerade irgendwie ein bisschen grotesk, wenn wir jetzt schon über Wiederaufbau reden. Aber ja, wenn wir über humanitäre Hilfe reden und darüber, wie es den Menschen vor Ort geht, dann müssen wir auch darüber reden, wie wir es schaffen, dass zum Beispiel Häuser wiederaufgebaut werden, aber mit nachhaltigen Materialien. Wir müssen darüber reden, wie wir die Ukraine dabei unterstützen können, Energiesysteme aufzubauen, die von Wind, Wasser und Sonne angetrieben sind. Und ja, wir müssen die Ukraine auch darin unterstützen, einen Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu schaffen, die auch vor Ort – gerade auch jetzt – Arbeitsplätze schafft, damit die Menschen vor Ort ein Einkommen haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Sie haben ja viel vor mit der Ukraine! Wissen die das alles schon?)
Und der letzte Punkt ist: Es braucht eine resiliente und krisenfeste Finanzierung. Statt Kredite zu vergeben, die voraussichtlich in den kommenden Jahrzehnten nicht zurückgezahlt werden können und die Ukraine und auch Moldau unter einen unglaublichen Druck setzen, appelliere ich an unsere Partner-/innen innerhalb der EU, mehr Zuschüsse statt Kredite zu vergeben. Das ist eine nachhaltige und vorausschauende Finanzierung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Stephan Brandner [AfD]: Für die Vizeminister in der Ukraine!)
Mit diesen und mit noch vielen weiteren Punkten können wir gemeinsam an der Zukunft der Ukraine arbeiten und als verlässliche und solidarische Partner-/innen auftreten. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, Solidarität ist viel mehr als die Debatte über deutsche Panzerlieferungen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Vielen Dank, Frau Kollegin Düring. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Alexander Müller, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)