Rede von Dr. Sandra Detzer Aktuelle Stunde „Wirtschaftliche Entwicklung"

Dr. Sandra Detzer MdB
05.07.2023

Dr. Sandra Detzer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr verehrter Präsident! Meine lieben Damen und Herren! EY, die Beratungsgesellschaft Ernst & Young, hat Deutschland in einer Studie im Mai 2023 zum attraktivsten Wirtschaftsstandort der Europäischen Union erklärt.

(Lachen bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Die haben auch Wirecard geprüft!)

Das ist ein gutes Zeugnis nach einem Jahr harter Krisenbewältigung, nach einem Jahr, in dem wir die Folgen des russischen Angriffskriegs in Deutschland abgefedert haben und massiv mit Unternehmen, mit Beschäftigten, mit der gesamten Bundesregierung damit beschäftigt waren, Putin eben nicht das zu geben, was er will, nämlich die Schwächung der deutschen Wirtschaft. Das ist gelungen, und das ist ein Verdienst vieler in diesem Land. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Herr Merz, man kann natürlich ein bisschen das kleine Karo zeichnen; das ist richtig. Dass wir Herausforderungen haben, mache ich Ihnen gar nicht streitig; es ist völlig klar, dass wir über vieles noch zu sprechen haben und dass wir noch viele Aufgaben vor uns haben. Aber es nutzt überhaupt nichts, in dieser Debatte kleiner zu denken, als die Herausforderungen sind, und zwei Herausforderungen sind da das Zentrale: Es geht um konkrete Standortpolitik, und es geht um Resilienz dieser Volkswirtschaft.

Was hat uns denn im letzten Jahr so viele Schwierigkeiten gemacht? Genau: dass die Resilienz nicht da war, dass Sie die Abhängigkeit von russischem Gas unbesehen zugelassen haben, dass Sie zugelassen haben, dass ein starker Industriestandort Deutschland, der wir bleiben wollen und der wir sein werden in der Zukunft, den geopolitischen Streitigkeiten ausgeliefert worden ist. Das darf uns nie wieder passieren in diesem Land, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte einsteigen mit den konkreten Standortfaktoren, die wir verbessern können. Wir haben in der letzten Sitzungswoche hier an dieser Stelle ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen, das endlich – der Kollege hat es angesprochen – dafür sorgt, dass mit die größte Stellschraube, die Unternehmerinnen und Unternehmern momentan unter den Nägeln brennt, angegangen wird, nämlich die Fachkräfteeinwanderung. Wir haben jetzt neueste Zahlen des Betriebswirtschaftlichen Forschungszentrums für den Mittelstand, und wir haben von den Unternehmerinnen und Unternehmern immer wieder ganz klar gesagt bekommen: Lasst uns doch gerade die Zugewanderten, die wir ausgebildet haben, die wir in unseren Betrieben haben, behalten dürfen! – Und genau das stellen wir jetzt sicher. Das ist wichtig für unser Land und ein wichtiger Erfolg der Ampel für unseren Industriestandort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Bezahlbare, saubere Energie: Momentan haben Dänemark und Deutschland die günstigsten Strompreise europaweit.

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Haben Sie die Grundlast mit eingerechnet?)

Das ist die Richtung – nur eine Zahl –: ein Zubau Erneuerbarer um 30 Prozent seit dem letzten Jahr. Die Erneuerbaren sind sicher, sie sind bezahlbar, und sie werden unseren Industriestandort in Zukunft mit sicherstellen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Das ist Wunschdenken!)

Ein weiterer Punkt: Grundstoffindustrie, ganz wichtig für unsere Wertschöpfungsketten am Industriestandort. Auch da: Die Carbon Contracts for Difference, das Betriebsstättenprivileg, jetzt hoffentlich bald der Industriestrompreis – das sind die zentralen Stellschrauben, mit denen wir sicherstellen, dass auch in Zukunft die Stahl-, Zement- und Aluminiumindustrie in Deutschland produzieren können und in Europa eine Heimat haben.

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Frau Kollegin, Reisen bildet! Ich empfehle Ihnen mal, um die Welt zu reisen!)

Auch da ist die Ampel endlich vorangekommen im Gegensatz zu denjenigen, die das jahrelang liegen gelassen haben.

Last, but not least: die starke europäische Industriepolitik. Wir leben ja in Deutschland auf keiner Insel. Wir wollen gemeinsam mit unseren europäischen Partnerinnen und Partnern dafür sorgen, dass wir als Standort attraktiv sind. Dazu hat Ursula von der Leyen fantastische Vorschläge gemacht. Wir sind da in Europa mitten in der Debatte: mit dem Green Deal, mit dem Industrieplan, jetzt auch gerade wieder mit dem Raw Materials Act.

Und was tut Manfred Weber? Er macht bei jeder Gelegenheit hintenrum von der Leyens Vorschläge kaputt; er desavouiert diese Vorschläge.

(Sebastian Roloff [SPD]: Er paktiert mit Rechtspopulisten!)

Sie tragen Ihre innenpolitischen Diskussionen auf dem Rücken Europas aus und machen es der Präsidentin der Europäischen Kommission schwerer, massiv nach vorne zu gehen. Ich finde, das sollten Sie lassen. Herr Merz, schalten Sie sich ein! Unterstützen Sie Frau von der Leyen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Die EVP-Fraktion hat recht!)

Letzter Punkt. Wir mussten gestern lesen, dass China die Ausfuhr von Gallium und Germanium – beides zentrale Rohstoffe für die Industrieproduktion – beschränkt hat, dass es neue Exportbeschränkungen gibt. Eine ganz zentrale Bedeutung hat in Zukunft die Frage nach der Resilienz und nach der Sicherstellung der Rohstoffversorgung Deutschlands und Europas. Wir haben jetzt genau diesen Moment, vor dem wir so lange gewarnt haben, vor dem uns unsere europäischen, unsere transatlantischen Partner gewarnt haben: dass China Rohstoffe als Waffe im geopolitischen Kontext einsetzen kann. Deswegen ist es genau richtig, dass wir jetzt die Maßnahmen verstärken – mit dem Raw Materials Act zusammen mit der deutschen Rohstoffstrategie –, dass wir die Abhängigkeiten in diesem Bereich reduzieren, weil wir eben nicht denselben Fehler machen wollen wie beim Gas in den letzten Jahren. Deswegen ist es absolut richtig, jetzt zum Beispiel auch über die Rohstoffdiversifizierung nachzudenken, neue Partnerschaften im Rohstoffbereich zu schließen. Das ist ganz genau richtig.

Abschließend noch ein Satz zur Haltung, mit der wir das Ganze angehen. Ja, es gibt Herausforderungen. Aber ja, es ist auch viel geleistet worden in diesem Land.

(Bernhard Loos [CDU/CSU]: Nicht von euch!)

Ich darf an dieser Stelle –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss.

Dr. Sandra Detzer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– mit Erlaubnis des Präsidenten –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Nein, Sie kommen jetzt zum Schluss, bitte.

Dr. Sandra Detzer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– nicht mehr zitieren.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Sie kommen jetzt bitte zum Schluss. Es ist die Aktuelle Stunde.

Dr. Sandra Detzer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich danke all denjenigen, die mit anpacken.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der Kollege Bernd Riexinger, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)