Rede von Sascha Müller Aktuelle Stunde „Wirtschaftliche Entwicklung"

Sascha Müller MdB
05.07.2023

Sascha Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Merz, auch ich bekomme in meinen Gesprächen bei meinen Unternehmensbesuchen Sorgen und Risiken genannt. Was mir genannt wird, betrifft vor allem zwei Dinge: Energiepreise und Fachkräftemangel.

Zur Energie: Wir alle erinnern uns noch gut an die Situation vor einem Jahr. Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine ging bereits mehrere Monate, und Putin setzte Russlands Energielieferungen als Waffe gegen uns ein: Die Lieferungen wurden mehr und mehr gedrosselt und schließlich eingestellt.

Ich habe die Töne auch aus Ihrer Richtung und von Ihren Spitzen, liebe Union, noch im Ohr; im Netz ist das ja noch zu finden: Die Menschen würden es daheim nicht mehr warm haben, es werde Blackouts geben, unsere Industrie müsste das Produzieren einstellen. Teilweise war hier von einem „Wutwinter“ gar die Rede. All das ist nicht eingetreten, und das ist das Verdienst der Menschen, aber insbesondere auch dieser Bundesregierung und des Wirtschaftsministers und seines Teams.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle auch mit Blick auf mein Bundesland, mit Blick auf die Menschen und die Unternehmen in Bayern, einen großen Dank an Robert Habeck zu richten; denn Bayern war das Bundesland, das am meisten von russischem Gas abhängig war.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Sebastian Roloff [SPD])

Heute haben wir unsere Energieimporte diversifiziert. Wir sind nicht mehr vom Autokraten im Kreml abhängig, und die Energiepreise sind praktisch wieder auf Vorkriegsniveau angekommen, zumindest für Neuverträge. Das sagt ein Blick in die diversen Vergleichsportale im Internet. Für noch laufende Verträge haben wir die Preisbremsen, deren Umfang nach dem, was wir heute absehen können, wahrscheinlich unter den geplanten Kosten bleiben wird. Das war bei der Einführung noch nicht absehbar. Auch das ist ein großer Erfolg, weil die Energiepreise eben deutlich gefallen sind. Und mit dem weiteren Ausbau der Nutzung von Sonnen- und Windenergie – ja, dank dieser Bundesregierung künftig auch von Windenergie in Bayern – werden die Preise weiter fallen; denn Sonne und Wind sind nun mal die günstigsten, die billigsten Energieträger. Jedes Windrad mehr senkt den Strompreis und dämpft damit die Inflation.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass zwei Drittel des Stroms in Deutschland im Schnitt der letzten Wochen aus erneuerbaren Energien kamen, ist deshalb eine sehr gute Nachricht. Es gibt also Grund genug, bei allen Herausforderungen, die uns noch bleiben, positiv in die Zukunft zu sehen. Für den Übergang sollten wir ernsthaft die Einführung eines Industriestrompreises prüfen.

Schauen wir auf das andere Thema, den Fachkräftemangel. Auch hier haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz und auch dem Chancen-Aufenthaltsgesetz geben wir wichtige Anreize, dass viele Menschen, die unser Arbeitsmarkt brauchen kann, hier die Möglichkeit bekommen, sich eine Zukunft aufzubauen. Viele Geflüchtete, die schon hier sind, holen wir endlich aus der staatlich erzwungenen Tatenlosigkeit heraus.

Vor einigen Jahren noch sorgte in meiner Stadt, in Nürnberg, der Fall eines Afghanen für bundesweite Schlagzeilen. Der junge Mann sollte aus der Berufsschule heraus abgeschoben werden. Seine Mitschülerinnen und Mitschüler verhinderten das durch ihren spontanen Einsatz. Leider hatte diese Geschichte kein Happy End. Der junge Mann hätte Verträge unterschreiben können; er bekam jedoch niemals eine Ausbildungserlaubnis. Am Ende verließ er unser Land mit dem Gefühl, dieses Land wolle ihn und seine Fähigkeiten nicht. – Solche Schicksale und so eine Verschwendung von Potenzial darf es in Zukunft nicht mehr geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Natürlich lohnt es sich, auch im eigenen Land zu werben. Ich habe immer wieder Schulklassen bei mir zu Gast, und immer wieder erzähle ich: Wollt ihr nicht zu den Leuten gehören, die unsere Welt retten, indem ihr Photovoltaikanlagen montiert und Wärmepumpen einbaut? Überlegt euch doch, eine Ausbildung im Handwerk zu machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss sei vielleicht noch mal eins angesprochen: Wir leben in Zeiten großer Herausforderungen; das ist unbestritten. Wie wir diese Herausforderungen angehen, darüber lohnt es sich zu streiten; denn richtig ist: Es gibt niemals nur den einen richtigen Weg.

Da zitiere ich mal mit Erlaubnis des Präsidenten Ruprecht Polenz – ihn kennen Sie sicher –, der heute auf Twitter formulierte:

Wer nur in die Politik geht, um sich mit anderen Parteien zu streiten, hat nichts verstanden. Denn verantwortungsvoller Politik muss es um die Menschen gehen und darum, die Welt etwas besser zu machen. Dass dann über die Wege gestritten wird, ist eine Folge, aber nicht das Ziel.

Besser kann ich es nicht formulieren.

Es geht nicht nur darum, wer die knalligste Vokabel hat, sondern geben wir den Menschen wieder das Gefühl, dass wir Demokratinnen und Demokraten ernsthaft an der Zukunft dieses Landes arbeiten und dabei ernsthaft um den besten Weg ringen. Das würde ich mir wünschen, übrigens auch von den Spitzen meiner Staatsregierung bei mir daheim. Das reine Schlechtreden und das Niedermachen sollten wir wirklich anderen überlassen.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Schlechtreden?)

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Müller. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Maximilian Mordhorst, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)