Rede von Hanna Steinmüller Aktuelle Stunde „Wohnungsmarkt

Hanna Steinmüller
08.02.2023

Hanna Steinmüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ja, wir haben eine Krise auf dem Wohnungsmarkt. Aber die Debatte heute erinnert mich mal wieder ein bisschen an Kaa, die Schlange aus dem Dschungelbuch, auf die alle ganz starr fokussieren. Hier ist es der Neubau. Aber letztlich ist das ein Ablenkungsmanöver. Ja, wir haben eine Krise auf dem Wohnungsmarkt; aber die große Krise gibt es vor allen Dingen bei der Frage nach bezahlbarem Wohnraum.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Ja, das hängt ja miteinander zusammen!)

Das bedeutet, dass Menschen mit einem niedrigen Einkommen mittlerweile 40 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Wohnung ausgeben müssen, dass Familien weiterhin in unsanierten Wohnungen leben müssen und unter den hohen Energiekosten leiden. Und es ist eine Krise für Menschen, die gar keine Wohnung haben, die sich Nacht für Nacht eine neue Unterkunft suchen müssen oder auf der Straße leben. Es stimmt: Wir haben eine Krise auf dem Wohnungsmarkt. Aber sie ist vor allen Dingen eine soziale Krise.

Und woran liegt das? Es liegt erstens zum Beispiel daran, dass die Union vor 30 Jahren die Wohngemeinnützigkeit abgeschafft hat. 3 Millionen zuvor preisgebundene Wohnungen sind damals auf den freien Markt gekommen und sind heute deutlich teurer.

Das Zweite ist: Maßgeblich die Union hat in den letzten Jahren den sozialen Wohnungsbau ausgebremst. Es ist vorhin schon gesagt worden: Wir haben mittlerweile nur noch halb so viele Sozialwohnungen wie vor 15 Jahren.

(Tilman Kuban [CDU/CSU]: Es sind immer die anderen schuld! – Gegenruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nee, schuld sind Sie!)

Die Union hat drittens auch die Wärmewende ausgebremst. Bis vor Kurzem haben Sie noch gefordert, dass wir hauptsächlich Gasetagenheizungen einbauen und Energieeffizienzstandards blockieren.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Die Frage ist ja schon, warum Sie hinter Ihren Ankündigungen zurückbleiben!)

Die Rechnung dafür zahlen jetzt Mieterinnen und Mieter.

Und viertens wollen bis heute Teile von Ihnen nicht anerkennen, dass wir ein Einwanderungsland sind. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Und ja, das ist gut so! – Das geht auch an die AfD.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Marc Bernhard [AfD])

Statt also Wohnungen für Geflüchtete zu bauen, haben Sie in den letzten Jahren viel zu oft die Energie einfach für den Bau von Abschiebezentren verschwendet.

(Marc Bernhard [AfD]: Genau, wir haben sie gefordert, und Sie haben sie geschlossen!)

Und diese Folgen spüren wir bis heute.

Zum letzten Punkt. Die Union beschäftigt sich bis heute am liebsten mit der Förderung von teuren Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern. Glauben Sie eigentlich nicht, dass auch wohnungslose Menschen den Traum vom Eigenheim oder von den eigenen vier Wänden haben, wie Sie es neulich in einem Antrag formuliert haben, zu dem es auch eine Anhörung gab? Seien wir ehrlich: Ich wundere mich überhaupt nicht über die Situation. Sie ist zu großen Teilen hausgemacht.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Stimmt! – Christoph Meyer [FDP]: Gerade in Berlin!)

Dabei ist klar: Uns fehlt bezahlbarer Wohnraum. Ich habe heute Morgen an einem Wahlkampfstand im Wedding gestanden.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Die Bürgerinnen und Bürger können sehr klar benennen, was momentan Phase ist. Die Hütte brennt beim Thema Wohnen, und deswegen müssen wir uns auf zwei Dinge konzentrieren:

Zum Ersten. Wir müssen wieder mehr bezahlbare Wohnungen schaffen.

(Martin Hess [AfD]: Okay! Wie?)

Deswegen haben wir in diesem Jahr 2,5 Milliarden Euro für die soziale Wohnraumförderung bereitgestellt. Und deswegen werden wir auch in diesem Jahr die neue Wohngemeinnützigkeit auf den Weg bringen, damit wir die Grundlage für dauerhaft bezahlbare Wohnungen in Deutschland schaffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens – da kommen wir jetzt wieder zu der Schlange Kaa und dem Fokus auf den Neubau –: Wir müssen dafür sorgen, dass die Wohnungen, die bezahlbar sind, auch bezahlbar bleiben. 99 Prozent der Wohnungen in Deutschland sind bereits gebaut. Wir fokussieren uns immer auf ein paar Zehntausend Wohnungen, die neu gebaut werden sollen.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Die gebauten Wohnungen reichen halt nicht! Das ist das Problem!)

Aber die Musik spielt im Bestand. Deswegen müssen wir in diesem Jahr das Mietrecht stärken. Wir haben uns im Koalitionsvertrag klar verpflichtet: Wir wollen die Kappungsgrenzen absenken, qualifizierte Mietspiegel stärken und die Mietpreisbremse verlängern.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Was hilft das den Menschen, die in der Schlange stehen? Überhaupt nichts!)

Klar ist aber auch: Der Koalitionsvertrag ist vor über einem Jahr geschrieben worden. Die Situation hat sich verändert. Von daher brauchen wir auch Lösungen für die Indexmieten, die eine weitere Erhöhung für die Mieterinnen und Mieter bedeuten. Wir müssen über Schonfristzahlungen sprechen. Und ja, auch das Vorkaufsrecht – dazu habe ich hier schon ein paarmal geredet – muss endlich angegangen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wenn wir bei den 99 Prozent, bei dem Bestand, bleiben, müssen wir aber auch sehen: Wir müssen in die energetische Sanierung investieren. Und das tun wir. 13 Milliarden Euro stehen bereit, um Mieterinnen und Mieter und um Vermieter bei einer klimaneutralen Sanierung zu unterstützen.

Ich muss sagen: Da lohnt sich auch wieder mal der Blick nach Berlin. Bettina Jarasch hat vorgeschlagen, 2 Milliarden Euro für eine ökosoziale Wärmewende bereitzustellen. Damit helfen wir einerseits Mieterinnen und Mietern, die die hohen Energiekosten nicht tragen können. Wir unterstützen Vermieter. Das ist grün und gerecht, und davon brauchen wir deutlich mehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie sehen also: Wir arbeiten daran, die Fehler der Vergangenheit auszubessern. Denn wir wissen: Wohnen ist die soziale Frage. Gemeinsam mit allen Ebenen wollen wir sie lösen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Christoph Meyer [FDP])

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Fraktion Die Linke hat das Wort Caren Lay.

(Beifall bei der LINKEN)