Rede von Kassem Taher Saleh Aktuelle Stunde „Wohnungsmarkt
Kassem Taher Saleh (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Minuten bereits einige Lösungsvorschläge gehört, wie man diese Krise auf dem Wohnungsmarkt vermeintlich angehen kann: Die AfD zeigt sich wie gewohnt rassistisch. Die Union erkennt nicht, dass sie das Problem mitverursacht hat. – Damit kommen wir nicht zum Ziel.
Wir müssen zunächst einmal festhalten – das gilt auch für Sie, Herr Meyer; nur weil Sie und die FDP Angst haben, am Sonntag nicht in das Abgeordnetenhaus wiedergewählt zu werden,
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Zu Recht! Zu Recht!)
müssen Sie die Debatte hier im Deutschen Bundestag nicht ausnutzen und dazu verwenden, um daraus eine Wahlkampfveranstaltung zu machen –:
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Der Christoph ist ein schlimmer Finger! – Zuruf des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])
Neubau führt nicht automatisch zu mehr bezahlbarem Wohnraum; bestes Beispiel sind Frankfurt oder München. Die Mietpreise sind in den letzten Jahren explodiert, und gleichzeitig haben wir einen nie dagewesenen Neubauboom erlebt. Nach der Logik der Wohnungswirtschaft hätte sich hier ein Effekt hin zu mehr bezahlbarem Wohnraum einstellen müssen. Das Gegenteil war der Fall.
Deshalb braucht es, wie auch von meiner Kollegin Hanna Steinmüller angekündigt, jetzt kurzfristig Mietregulierungen; gleichzeitig aber brauchen wir langfristig eine Umbauoffensive, um den Weg aus der Wohnungskrise heraus zu finden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Zur Überbrückung sollten wir uns auf das serielle Bauen konzentrieren, wie die Frau Bauministerin ebenfalls bei ihrer Eingangsrede angedeutet hat, auf den modernen Plattenbau. Das schlechte Image der Platte wird ihr nämlich nicht gerecht. Der Plattenbau – das will ich noch mal betonen – hat damals in Ostdeutschland für schnell verfügbaren Wohnraum gesorgt. Klar, mit einigen Macken, ohne Frage. Aber mittlerweile haben wir dazugelernt. Die Platte von heute ist ästhetisch, ökologisch und rückbaubar.
(Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Unglaublich!)
Doch selbst der Neubau einer Platte 2.0 ist nur dann die richtige Option, wenn Baulücken gefüllt werden müssen oder jegliches Potential für Bestandsentwicklung ausgeschöpft ist. Und an diesem Punkt sind unsere Städte noch lange nicht.
(Zuruf des Abg. Enak Ferlemann [CDU/CSU])
– Hören Sie zu! – Alleine durch Umnutzung und Aufstockung können im Bestand rund 2,5 Millionen Wohnungen mobilisiert werden
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das werden ja immer mehr!)
oder, besser gesagt bzw. verständlicher für Sie, liebe Union, sechs Jahre lang 400 000 neue Wohnungen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])
Diese Umbaupotenziale zu nutzen, ist eine riesige Aufgabe; also müssen wir sie auch zügig anpacken. Denn Umbau schützt das Klima, vermeidet Abfall und schont wertvolle Ressourcen. Wie kann es denn sein, dass in Deutschland noch immer jedes Jahr mehrere Tausend Gebäude abgerissen werden, obwohl man in den allermeisten Fällen super umbauen könnte?
Wir müssen mehr Anreize beim Bauen im Bestand schaffen, gleichzeitig aber den sinnlosen Abriss von Gebäuden einschränken.
(Michael Donth [CDU/CSU]: Dann machen Sie es doch!)
Bei der Gebäudeförderung ist der erste Schritt dafür schon getan: Der Großteil der Fördergelder fließt dieses Jahr in den Bestand. Um weitere Anreize zu schaffen, liegt ein großer Hebel bei den Ländern. Dazu brauchen wir zum Beispiel verpflichtende Abrissgenehmigungen und eine Differenzierung zwischen Bestand und Neubau in den Landesbauordnungen.
Liebe Union – Herr Friedrich Merz, schön dass Sie auch zur Debatte gekommen sind –,
(Zuruf des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])
ein Drittel der Länder werden von Schwarz regiert; sie haben schwarz geführte Bauministerien, unter anderem das Vorsitzland der Bauminister/-innenkonferenz, Baden-Württemberg.
(Zuruf des Abg. Enak Ferlemann [CDU/CSU])
Jetzt haben Sie die Möglichkeit, die seit 16 Jahren verfehlte Bau- und Wohnungspolitik ein Stück weit wiedergutzumachen. Nutzen Sie sie!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD]
Meine Damen und Herren, uns bleibt nichts anderes übrig, als die aktuellen Krisen zusammenzudenken. Der Blick auf die Nebenkostenabrechnungen zeigt uns die Verbindung zwischen der Wohnungs- und der Klimakrise eindeutig auf. Wenn wir nicht wollen, dass weiter junge Familien, Seniorinnen und Senioren, Menschen mit niedrigen Einkommen nach jahrzehntelangem Aufenthalt aus ihren Stadtteilen verdrängt werden, dann brauchen wir jetzt Mietregulierung und eine Umbauoffensive.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Manfred Todtenhausen [FDP])
Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:
Nächste Rednerin ist für die FDP-Fraktion Carina Konrad.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)