Rede von Dr. Sebastian Schäfer Allgemeine Finanzdebatte
Dr. Sebastian Schäfer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unser Land steckt in der wahrscheinlich schwierigsten Situation, seit es 1949 als demokratischer Staat begründet wurde. Die Multidimensionalität der Krisen ist in diesem Hohen Haus immer wieder angesprochen worden. Durch den Überfall Russlands auf die gesamte Ukraine und die wirtschaftlichen Folgen – am deutlichsten sichtbar ist die extreme Preisentwicklung vor allem im Energiebereich – sind wir in noch schwereres Fahrwasser gekommen. Diese Krisen sind alles andere als ausgestanden; sie werden auch nicht schnell vorbeigehen. Wir müssen uns auf eine grundlegend veränderte Normalität einstellen, gesellschaftlich wie politisch.
Dennoch will ich heute konstatieren, dass es Anlass für vorsichtigen Optimismus gibt. Es ist dieser Regierung gelungen, die Energieversorgung so sicherzustellen, dass es in diesem Winter aller Voraussicht nach nicht zu einer Gasmangellage kommen wird. Die Industrie konnte im Vergleich zum Vorjahr in den letzten Monaten bei der Produktion zulegen und hat dennoch mehr als 20 Prozent des Gasverbrauchs eingespart. Das ist wirklich bemerkenswert und ein großer Erfolg, der die Stärke unseres Standorts unter Beweis stellt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Mit den Mitteln aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds können wir eine solide Brücke bis ins Frühjahr 2024 bauen und Bürgerinnen und Bürger, soziale Einrichtungen und Unternehmen bei den hohen Energiepreisen entlasten und gleichzeitig wichtige Anreize zum Energiesparen setzen. Wir stellen dafür staatliche Mittel in erheblichem Umfang zur Verfügung und müssen dafür 200 Milliarden Euro Verschuldung mehr aufnehmen, und dennoch ist es nicht möglich, alle Belastungen zu kompensieren. Das würde uns als Staat überfordern.
Um durch diese Krisen zu kommen, brauchen wir die ganze Gesellschaft. Ich will an dieser Stelle den Sozialpartnern in der Metall- und Elektroindustrie danken. Der Pilotabschluss der IG Metall Baden-Württemberg, der zentral ist für die Leitindustrie in unserem Land, wird breit übernommen. Das betrifft 3,9 Millionen Beschäftigte. Dieser Abschluss ist von großer Verantwortung geprägt. Mit der zweistufigen Entgeltsteigerung erhalten die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben eine ordentliche Lohnsteigerung, die tabellenwirksam ist. Mit der steuer- und abgabefreien Inflationsprämie in Höhe von 3 000 Euro in zwei Tranchen bleibt die Kaufkraft stabil. Durch die lange Laufzeit und die Möglichkeit, Tarifbestandteile zu verschieben oder ausfallen zu lassen, verschafft der Abschluss den Unternehmen gleichzeitig sehr stabile Rahmenbedingungen.
Ich darf das „Handelsblatt“ vom gestrigen Tage zitieren:
Die im dritten Entlastungspaket der Bundesregierung enthaltene Möglichkeit, Sonderzahlungen ... auszuzahlen, hat erheblichen Druck aus den Tarifkonflikten genommen.
Damit verringert sich auch der Inflationsdruck; eine Lohn-Preis-Spirale ist nicht zu erwarten. Das ermöglicht die kluge Politik dieser Ampelregierung, und das ist in diesen Zeiten ein großes Verdienst.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Präsidentin Bärbel Bas:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung aus der Fraktion Die Linke?
Dr. Sebastian Schäfer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Nein, danke. – Wir sehen im Oktober einen spektakulären Rückgang der Erzeugerpreise. Das gibt Hoffnung, dass wir den Höhepunkt der Inflation bereits erreicht haben. Auch die Konjunkturaussichten haben sich in den letzten Wochen deutlich verbessert. Aktuell, im Oktober, sehen wir auch wieder deutlich steigende Steuereinnahmen. Insgesamt bleibt die Situation dennoch kompliziert. Wir brauchen nach wie vor die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger, dass sie ihren Energieverbrauch möglichst reduzieren.
Wir als Ampel legen nach dem parlamentarischen Verfahren einen hervorragenden Bundeshaushalt 2023 vor; aber wir müssen weiterarbeiten, um künftig zielgenauere Entlastungen umzusetzen.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Präsidentin Bärbel Bas:
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, hat der Abgeordnete Alexander Ulrich das Wort zu einer Kurzintervention.