Rede von Dr. Manuela Rottmann Antifa
Dr. Manuela Rottmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Marian Wendt hat ja die verfassungsrechtliche Zuneigung, die die AfD gerade erfährt, ausführlich beschrieben. Deswegen kann ich mir das sparen. Ich kann mich in meinen Ausführungen zu diesen Anträgen und zu der Sinnhaftigkeit dieser Anträge eigentlich auf einen Satz beschränken. Auch der Jugendverband der AfD wird ja schon seit Längerem vom Verfassungsschutz beobachtet, und genau währenddessen bringen Sie es fertig, hier in Ihrem Antrag einen Satz einzubringen, der da lautet: „Jugendorganisationen dürfen nicht zu Einbruchstellen extremistischer Bestrebungen werden.“
(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist schon eine besondere Form des Aberwitzes.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)
Ich frage mich ernsthaft, ob die ausschließliche Lektüre der „Jungen Freiheit“ und legale Drogen ausreichen, um so etwas hier einzubringen.
(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Von einer Einbruchstelle kann man bei der AfD schon lange nicht mehr reden. Bei Ihnen ist der ganze Damm gebrochen. Den Charakter dieses Antrags kann man wie folgt beschreiben: Jemand versinkt bis zum Hals in braunem Schlamm und deutet auf andere, sie könnten sich die Füße schmutzig machen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Alle Anträge der AfD zu diesem Thema beruhen auf einer Falschbehauptung: Antifaschismus sei dasselbe wie gewaltbereiter Linksextremismus. Diese Gleichsetzung verfolgt einen Zweck, und zwar den Zweck, das zivilgesellschaftliche Engagement gegen den Rechtsextremismus mundtot zu machen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Sylvia Lehmann [SPD])
Dieser Gleichsetzung widerspreche nicht nur ich. Dieser Gleichsetzung widersprechen auch die Verfassungsschutzbehörden. Auf diesen Trick der AfD sollte hier niemand hereinfallen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Ja, es gibt gewaltbereiten Linksextremismus, und an dem gibt es nichts zu romantisieren. Wer Polizistinnen und Polizisten das Menschsein abspricht, wer die Durchsetzung politischer Ziele durch Gewalt rechtfertigt, der wird nicht dadurch besser, dass er sich einen Antifaaufkleber aufpappt. Das sage ich nicht nur hier, sondern das sage ich denjenigen, die es angeht, auch ins Gesicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Jede Generation muss diese unabdingbare Voraussetzung der freiheitlichen Demokratie neu lernen, wieder neu lernen. Das ist eben so.
Die AfD aber will das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechtsextremismus zum Schweigen bringen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir alle müssen uns doch der Tatsache stellen, dass zur Geschichte der Bundesrepublik immer wieder auch eklatantes Versagen des Staates gegen Rechtsextremismus gehört hat. Frau Teuteberg, Herr Wendt, Sie sind viel jünger als ich. Fragen Sie die Veteranen aus der westdeutschen Antifa,
(Marian Wendt [CDU/CSU]: Das sind Verbrecher gewesen teilweise! Das sind Linksterroristen gewesen!)
wie es war, 1992 nach Rostock-Lichtenhagen zu fahren und tagelang ohnmächtig dabei zuschauen zu müssen, wie auf Menschen Brandanschläge verübt wurden.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Reden Sie mit meinen ostdeutschen Altersgenossen, wie sie die „Baseballschlägerjahre“ der 90er-Jahre überlebt haben. Reden Sie mit ihnen!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Lassen Sie sich doch einmal beschreiben, wie sehr die Mordserie des NSU und der Umgang der staatlichen Behörden damit das Vertrauen erschüttert hat, dass dieser Staat Menschen jeder Hautfarbe, jeder Herkunft vor dem Rechtsextremismus schützt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Es war und ist oft zivilgesellschaftliches Engagement, das den Finger in diese Wunde legt: Die Aufdeckung rechtsextremer Netzwerke – da gebe ich Frau Renner völlig recht, und da wird Ihnen auch jeder Verfassungsschützer unter vier Augen zustimmen – ist bis heute angewiesen auf Informationen, die antifaschistische Akteure der Zivilgesellschaft zusammentragen.
(Zurufe von der AfD)
Reden Sie mit diesen Leuten!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Und lassen Sie sich auch nicht von der Behauptung abhalten, wer sich selbst als Antifa bezeichne, beziehe sich damit automatisch irgendwie positiv auf die DDR. Auch das ist Quatsch.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Antifa in Ostberlin und in Dresden hat der Stasi auf Flugblättern und Transparenten die Wahrheit entgegengehalten: Warnung! Neonazis auch in der DDR! – Da saßen Sie, Herr Maier, noch ganz bequem in Bremen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der AfD)
Parteien, alle Parteien werden immer wieder ihr Verhältnis zum Extremismus und zur Gewalt klären müssen. Klischees über sich selbst oder über andere machen dafür blind. Ja, es gibt auch im linken Parteispektrum Anbiederung an revolutionären Kitsch und Relativierung politischer Gewalt. Und es gibt umso heftigere Auseinandersetzungen um diese Frage. Aber bevor Sie sich hier zu sehr entspannen: Sich selbst als „Partei der Mitte“ zu bezeichnen, wie das Union und FDP tun, ist auch kein Zauberspruch. Auch Sie müssen die Grenze zum Extremismus immer wieder ziehen. Dass Ihnen das nicht immer leichtfällt, haben wir auch in den letzten Monaten gesehen, nicht nur in Thüringen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
In Deutschland fiel vor langer Zeit öffentlich ein Satz, den ich für grundfalsch halte. Ich möchte ihn mit Erlaubnis des Präsidenten trotzdem zitieren. Ich distanziere mich ausdrücklich davon, aber vielleicht rüttelt er ja rechts und links an der einen oder anderen Selbstgewissheit. Nachdem in der Bundesrepublik eine Synagoge mit antisemitischen Parolen beschmiert wurde und dieser Tat Hunderte weiterer Anschläge folgten, erteilte jemand den Rat:
Meinen deutschen Mitbürgern insgesamt sage ich: Wenn ihr irgendwo einen Lümmel erwischt, vollzieht die Strafe auf der Stelle und gebt ihm eine Tracht Prügel. Das ist die Strafe, die er verdient.
Wie gesagt, der Rat ist grundfalsch. Er stammt aber nicht von der Antifa. Er fiel in einer Rundfunkansprache von Konrad Adenauer nach der Schändung der Kölner Synagoge 1959. Dass wir es heute besser wissen und besser machen, müssen wir alle immer wieder beweisen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Rottmann. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Andrea Lindholz, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)