Rede von Dr. Franziska Brantner Arbeitsprogramm 2020 der Europäischen Kommission

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05.03.2020

Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor einem Monat hat die Europäische Kommission ihr ambitioniertes Arbeitsprogramm vorgelegt: 43 neue Vorhaben vor allen Dingen für Klima, Digitalisierung und Soziales. Doch all diese Vorhaben haben nur eine Chance, wenn die Mitgliedstaaten auch mitziehen. Allen voran Sie, liebe Bundesregierung, haben eine besondere Verantwortung dafür mit der kommenden Ratspräsidentschaft ab Juli dieses Jahres. Dieser Verantwortung werden Sie bisher nicht gerecht. Bis jetzt haben Sie noch kein Programm mit Prioritäten für die Ratspräsidentschaft vorgelegt. Bis jetzt war Ihre Ausrede: Wir warten auf das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission. – Darüber diskutieren wir heute. Ich hatte gedacht: Das ist jetzt der Anlass, dass die Regierung ankündigt, was ihr Plan, ihre Ziele, ihre Prioritäten für diese Ratspräsidentschaft sind. Bis jetzt habe ich leider von niemandem aus dieser Koalition auch nur ansatzweise gehört, was der Plan ist. Das ist wirklich eine vertane Chance.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Martin Hebner [AfD])

Da, wo Sie einen Plan haben, torpedieren Sie schon jetzt die Umsetzung. Beispiel Green Deal: Gestern hat die Europäische Kommission ein Europäisches Klimagesetz vorgelegt, das ambitionierter ist als Ihr eigenes. Und was machen Sie, Herr Altmaier? Sie schreiben einen Brief an Herrn Timmermans und fordern die Europäische Kommission darin auf, die Automobilindustrie aufgrund höherer CO-Grenzwerte von den Regelungen auszunehmen. Das ist genau das Gegenteil dessen, was wir jetzt brauchen, Herr Altmaier.

(Zuruf von der AfD: Das ist wirtschaftsfreundlich!)

Es freut mich, dass Sie der AfD dafür danken, dass sie Ihnen dafür applaudiert. Ich würde mich dafür bedanken, wenn Sie etwas tun, damit die Automobilindustrie in Deutschland wirklich vorankommt und zukunftsfähig ist. Das ist nämlich die Herausforderung, die wir alle zu stemmen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zwölf Staaten fordern ein rasches, neues CO-Ziel für 2030, darunter Frankreich, Italien und Spanien, also eine ganze Reihe von Ländern. Was machen Sie? Sie setzen auf Stillstand statt Dynamik. Sie sind nicht an der Speerspitze dabei, sondern blockieren, Sie bremsen aus. Ändern Sie endlich diese Haltung und gehen Sie voran. Seien Sie in der Poleposition in Europa für Innovation und unsere Zukunft. Bewegen Sie sich endlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wissen, dass große Aufgaben einen starken Haushalt brauchen. Der Green Deal wird ohne neuen Haushalt nur eine Luftnummer werden. Der letzte EU-Gipfel ist auch gescheitert, weil Sie auf Ihrer De-facto-Kürzung des europäischen Haushaltes bestanden haben. Sie verharren im Klein-Klein, statt endlich die Potenziale einer handlungsfähigen EU auszubauen. Sie fahren ständig die Strategie des Status quo, statt Europa wirklich zu stärken. Das ist in diesen Zeiten, wo die Welt so unruhig ist, wo wir alle wissen, dass wir ohne Europa keine Chance haben, wirklich unverantwortlich.

Gehen Sie endlich mit den anderen Ländern, die vorangehen wollen, für ein starkes Europa, auch im Haushalt. Das betrifft noch nicht einmal 1 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung, genauer 0,7 Prozent. Wir geben im Verteidigungsbereich 1,4 Prozent aus, also doppelt so viel. Es ist wirklich nicht mehr erklärbar, warum wir für Europa nicht bereit sind, in Innovation und in unsere Zukunft zu investieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erlauben Sie mir, am Ende auf die Frage „Was passiert eigentlich in Idlib?“ einzugehen. Wir diskutieren darüber in Deutschland erst jetzt, weil droht, dass Menschen, die von dort fliehen, bei uns vielleicht ankommen. Das ist schon die Schande an sich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wissen seit Wochen und Monaten, was in Idlib passiert, dass dort 1 Million Menschen auf der Flucht sind, weil Putin und Assad die zivile Bevölkerung, zivile Einrichtungen, Krankenhäuser und Schulen bombardieren. Und wir tun nichts.

Es ist nicht in Europas Interesse, dass wir diese Frage Erdogan überlassen, sondern hier müssen wir Europäer vorangehen. Völkerrechtsverbrechen erfordern Sanktionen, individuelle Sanktionen gegen jene, die sie begehen: Einfrieren der Konten, keine Reisegenehmigungen, kein Skiurlaub in Sankt Moritz. Das wären Zeichen. Diese Zeichen könnten wir als Europäer setzen.

(Beifall bei der AfD sowie des Abg. Dr. Christoph Hoffmann [FDP])

Sie haben gestern immer argumentiert, dass man Flüchtlinge, die jetzt in Griechenland sind, nicht aufnehmen könne, weil die anderen Europäer das nicht mitmachen würden. Das stimmt nicht.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin.

Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Schweden, Luxemburg, Frankreich, alle wollen mitmachen.

(Martin Hebner [AfD]: Nein! Nicht alle!)

Sie warten auf Deutschland, auf diese Regierung. Bewegen Sie sich endlich, damit wir europäisch vorankommen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Abgeordnete Johannes Schraps für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)