Foto von Beate Müller-Gemmeke MdB
14.12.2023

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Das Nachweisgesetz, das wir letztes Jahr beschlossen haben, ist eines der Gesetze, die in der Öffentlichkeit nicht so bekannt sind, und doch profitieren viele Beschäftigte von den Verbesserungen. Das gilt insbesondere für Menschen, die prekär beschäftigt sind; denn sie müssen jetzt umfangreich über die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit informiert werden. Das mag banal klingen, ist es aber nicht; denn es geht beim Nachweisgesetz um Informationen, um Rechte, um Ansprüche, um sozialen Schutz. Damit haben wir die Beschäftigten gestärkt, und das war wichtig und gut.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Um Rechte und sozialen Schutz geht es der Union mit ihrem Gesetzentwurf aber nicht. Es geht allein um die Forderung, dass im Nachweisgesetz neben der Schriftform auch die elektronische Form ermöglicht werden soll. Diese Frage haben wir natürlich sehr ausführlich und intensiv letztes Jahr diskutiert. Wir Grünen sind da offen. Auch wir wollen mehr Digitalisierung bei der elektronischen Übermittlung. Vor allem im Bereich der Arbeit muss aber sichergestellt werden, dass die Beschäftigten nicht nur die technischen Voraussetzungen dafür haben, sondern auch realisieren, verstehen und nachvollziehen können, dass es dabei um ihre Arbeitsbedingungen geht. Von daher stellt sich die Frage: Wie sollen also die technischen Voraussetzungen wie digitale Endgeräte oder Internetzugang geprüft werden? Wie soll denn deutlich gemacht werden, dass wichtige Informationen zum Arbeitsverhältnis verschickt werden, beispielsweise bei entsandten Beschäftigten oder bei den Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft? Solche Überlegungen fehlen, und deshalb greift der Gesetzentwurf der Union definitiv zu kurz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Aber jetzt zum spannenden Thema: Was heißt eigentlich „elektronisch übermitteln“? Die Union spricht durchgängig von der „elektronischen Form“, und die ist in § 126a des Bürgerlichen Gesetzbuches definiert. Kurz gesagt: Das ist eine technisch sichere Übertragung mit einer fälschungssicheren Signatur. Die Empfängerin/der Empfänger kann sich also sicher sein, dass der Absender auch wirklich die Person ist, die in der E-Mail drinsteht. In der Begründung des Gesetzentwurfes verweist die Union aber auf einmal auf den § 126b im Bürgerlichen Gesetzbuch. Das ist aber etwas völlig anderes als die elektronische Form; denn das ist die Textform, und die ist vor allem eines: unsicher. Textform, das sind normale Mails ohne Zertifikat, ohne Verschlüsselung. Das kann aber auch eine SMS sein oder eben eine Nachricht über Whatsapp.

Da muss ich schon fragen: Wollen Sie, die Union, tatsächlich beispielsweise Vertragsänderungen einfach per SMS oder per Whatsapp verschicken? Da kann ich nur sagen: Das ist nicht wirklich Ihr Ernst!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Die Textform dient wirklich nur der Information. Wenn es zum Streit kommt, dann wird sie beim Arbeitsgericht nicht ausreichen. Ich muss sagen: Wenn Nachrichten zum Beispiel zum Thema „Bezahlung von Überstunden“ per Whatsapp verschickt werden können, dann ist das aus meiner Sicht absurd. Es geht hier um wesentliche Rahmenbedingungen von Arbeit, und da geht es um Transparenz und um Sicherheit. In elektronischer Form geht das, aber in Textform definitiv nicht. Aber vielleicht hat die Union hier einmal zu wenig Korrektur gelesen oder einfach das Thema nicht richtig verstanden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Was wir brauchen, ist eine gute Balance. Natürlich brauchen wir mehr Digitalisierung, und natürlich wollen auch wir die Wirtschaft von Bürokratie entlasten. Aber andererseits müssen auch die Interessen der Beschäftigten ernst genommen werden, und auch die Beschäftigten müssen gestärkt werden. Beides ist wichtig, und beides gehört zusammen. In diesem Sinne freue ich mich auf bestimmt sehr kontroverse Diskussionen im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Der nächste Redner ist Carl-Julius Cronenberg für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)