Rede von Beate Müller-Gemmeke Arbeitszeit

Foto von Beate Müller-Gemmeke MdB
14.03.2024

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, wir kommen zum Thema zurück. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Als ich die Überschrift des Antrags gelesen habe – „Mehr Freiheit für Beschäftigte und Familien“ –, dachte ich: Woher kommt jetzt dieser Sinneswandel? Will die Union tatsächlich mehr Zeitsouveränität für die Beschäftigten?

Nein, das will sie natürlich nicht. Der Schein trügt. Auch mit diesem neuen und, so muss ich sagen, äußerst dünnen Antrag bleiben Sie, die Union, bei Ihren alten Forderungen, und das auch wieder unkonkret und pauschal. Sie führen hier immer und immer wieder die gleichen Debatten, ohne zu sagen, was Sie eigentlich wollen. Legen Sie doch endlich mal ein Konzept auf den Tisch, und zwar ein konkretes Konzept.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie sollen sie denn aussehen, die flexibleren Arbeitszeiten und Arbeitszeitmodelle für verschiedene Lebensphasen? Wie sieht denn mehr Freiheit für Beschäftigte und Familien aus? Was bedeutet denn wöchentliche anstelle von täglicher Höchstarbeitszeit ganz konkret? Ist das die Freiheit, zehn, zwölf oder gar noch mehr Stunden pro Tag zu arbeiten, und fordern das wirklich die Beschäftigten?

(Wilfried Oellers [CDU/CSU]: Frau Müller-Gemmeke, also bitte! Sie wissen es doch! Sie kennen doch die Richtlinie! Aber wirklich!)

Mütter und Väter verbinden den Zwölfstundentag ganz sicher nicht mit mehr Freiheit, und gerade in Zeiten von Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel ist das Signal, das die Union heute hier wieder aussendet, einfach nur falsch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Was die Beschäftigten brauchen und wollen, ist echte Zeitsouveränität, wenn es um die Arbeitszeit geht. Viele gut ausgebildete Frauen arbeiten nur Teilzeit, weil sie sonst Carearbeit und Erwerbsarbeit nicht unter einen Hut kriegen. Ihnen müssen die Unternehmen Angebote machen. Könnten heute alle Frauen, die Kinder unter sechs Jahren haben, so viele Stunden arbeiten und so arbeiten, wie sie es wollen, dann würden 840 000 Frauen wieder neu in die Berufswelt einsteigen. Das funktioniert aber nur, wenn Arbeit besser ins Leben passt.

(Wilfried Oellers [CDU/CSU]: Ja, genau! Und flexibler! Danke, Frau Müller-Gemmeke, jetzt haben Sie es verstanden!)

Sie haben immer noch nicht beschrieben, wie Sie das eigentlich erreichen wollen. Sie wollen nur die wöchentliche Höchstarbeitszeit haben.

Die Menschen müssen über Lage, Dauer und Ort ihrer Arbeit mitbestimmen können. Wir brauchen ausreichend Kinderkrankentage für die Eltern, entsprechende Angebote für Eltern von Kindern mit Behinderung und eine gute Pflegezeit für alle, die ihre Angehörigen im Alter pflegen wollen.

Und wir sollten natürlich auch verstärkt über die Viertagewoche nachdenken; denn weniger ist letztlich mehr, wenn Frauen mit diesem Angebot mehr als die üblichen 30 Stunden arbeiten können. Und – ganz wichtig – wir müssen natürlich auch die Tarifbindung stärken; denn mit Tarifverträgen können bessere und passendere Arbeitszeiten für alle verhandelt werden. Das fordert die Union zum Beispiel nicht. Wir müssen also wirklich an der Stellschraube Arbeitszeit drehen,

(Wilfried Oellers [CDU/CSU]: Das können Sie doch alles gesetzgeberisch regeln!)

aber, liebe Union, in die richtige Richtung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zum Schluss, ganz wichtig: Gesetzlich geregelte Arbeitszeit ist Arbeits- und Gesundheitsschutz. Der ist gerade in dieser beschleunigten Arbeitswelt dringend notwendig. Das ignoriert die Union mal wieder komplett. Die Beschäftigten brauchen aber Schutz.

Arbeitszeiten dürfen, weil das für manche Unternehmen gut wäre, eben nicht einfach verlängert werden; denn das geht zulasten der Gesundheit der Beschäftigten. Wir brauchen eine Arbeitskultur, die den Gesundheitsschutz und die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben im Blick hat. Deshalb ist es gut, dass wir mit dem Arbeitszeitgesetz einen guten Gesundheitsschutz haben, und noch besser ist, dass die Union mit ihren dünnen Anträgen diesen starken Gesundheitsschutz nicht schwächen kann.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Gemmeke. – Nächster Redner ist der Kollege Pascal Kober, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)