Rede von Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Armuts- und Reichtumsbericht

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25.06.2021

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Grüne wollen Wohlstand für alle. Und wenn wir „alle“ sagen, meinen wir auch „alle“. Wir wollen eine Gesellschaft, in der niemand ausgegrenzt wird – niemand! Wir wollen selbstbestimmte Teilhabe für wirklich alle garantieren.

(Martin Reichardt [AfD]: Wenn die Ihrer Meinung sind!)

Der Armuts- und Reichtumsbericht zeigt, dass wir davon weit entfernt sind. Die Armut bewegt sich seit 15 Jahren auf einem Rekordniveau. 15 Prozent Armutsquote, das sind mehr als 12 Millionen Menschen – relativ konstant während der gesamten Zeit, in der die Union regiert. Der Armuts- und Reichtumsbericht zeigt: Armut verfestigt sich. Das ist eines der zentralen Ergebnisse des Armuts- und Reichtumsberichts: Menschen mit geringem Einkommen haben immer weniger Möglichkeiten, aufzusteigen.

Die Grundsicherung heute reicht nicht aus, um Armut zu verhindern. Und statt Selbstbestimmung zu fördern, schränkt Hartz IV die Freiheit ein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir wollen deswegen Hartz IV überwinden. Wir wollen eine Garantiesicherung, die das Existenzminimum in allen Lebenslagen ohne Sanktionen garantiert, die unbürokratisch und möglichst automatisch ausgezahlt wird, um verdeckte Armut endlich zu überwinden.

Mehrarbeit muss endlich auch zu einem spürbar höheren Einkommen führen. Es kann doch nicht sein, dass teilzeiterwerbstätige Alleinerziehende, wenn sie ihre Arbeitszeit ausweiten, am Ende netto weniger in der Tasche haben. Es kann auch nicht sein, dass bei Selbstständigen zusätzliche Einnahmen vollständig auf die Mindestsicherung angerechnet werden, wenn sie Grundsicherung beziehen. Das ist für uns eine Frage der Gerechtigkeit, und das müssen wir ändern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und: Die Garantiesicherung muss so hoch sein, dass soziale und kulturelle Teilhabe wirklich ermöglicht wird. Der Regelsatz muss deswegen deutlich angehoben werden; denn die Grundsicherung muss vor Armut schützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein besonderes Anliegen sind für uns Kinder und Familien. Jedes fünfte Kind lebt immer noch in Armut; die Zahl ging auch überhaupt nicht zurück in den letzten Jahren. Das zeigt, dass auch die derzeitigen Familienleistungen nicht ausreichend vor Armut schützen. Wir wollen deswegen eine Kindergrundsicherung für alle Kinder, die das Existenzminimum der Kinder garantiert und nicht auf die Einkommen der Eltern angerechnet wird. Die Vermeidung von Kinderarmut muss Priorität der nächsten Bundesregierung sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei uns ist das übrigens Chefinnensache: Das Thema Kindergrundsicherung ist bei uns in der Bundestagsfraktion in der Zuständigkeit der Kanzlerkandidatin. Das zeigt, was für eine wichtige Bedeutung die Bekämpfung von Kinderarmut für uns hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Armut umfasst natürlich nicht nur fehlendes Einkommen; aber ohne ausreichendes Einkommen ist gesellschaftliche Teilhabe nicht möglich. Zur Armutsbekämpfung braucht es aber mehr: Wir brauchen ein Zukunftsprogramm. Wir brauchen gute Löhne, einen höheren Mindestlohn, mehr Tarifbindung. Wir müssen die Sozialversicherungen stärken.

(Otto Fricke [FDP]: Mehr Geld für alle für niemanden!)

Die Rente und die Arbeitslosenversicherung müssen vor Armut schützen. Alle Menschen brauchen Zugang zu Arbeit, Gesundheit, Mobilität und Bildung. Und wir brauchen ein Grundrecht auf Wohnen und ein Aktionsprogramm gegen Obdachlosigkeit. Niemand sollte in Deutschland auf der Straße leben müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Strengmann-Kuhn.

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Es wird Zeit für ein Programm gegen Armut, damit Armut endlich reduziert wird.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort zu ihrer letzten Rede im Deutschen Bundestag hat die Kollegin Daniela Kolbe für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)