Rede von Bernhard Herrmann Atomkraft

Bernhard Herrmann
31.03.2023

Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Morgen in zwei Wochen werden die letzten Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Damit stärken wir die nukleare Sicherheit Deutschlands.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eine atomare Katastrophe kann nie mit hundertprozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden, außer wir schalten alle AKWs ab. Das sehen wir auch gerade mal wieder in Frankreich, wo ständig neue Risse in AKWs entdeckt werden.

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Im Februar erst musste das AKW Penly heruntergefahren werden. Dort wurde ein Riss gefunden, der 15 Zentimeter lang und 23 Meter tief ist, bei einer Rohrwandstärke von 27 Millimetern.

(Zuruf von der AfD: 23 Meter? – Stephan Brandner [AfD]: Da hast du die Maßeinheiten nicht auf die Reihe gebracht!)

Dieser Riss wurde noch gerade rechtzeitig erkannt. Da hatten wir Glück; denn er war an einer Stelle, wo auch AKW-Experten ihn nicht erwartet hätten.

Befürworter der Atomkraftwerke behaupten dann immer schnell, dass deutschen Ingenieuren bei der Sicherheit der Kraftwerke schon nicht solche Fehler unterlaufen würden. Aber als Ingenieur sage ich Ihnen: Das ist vollkommener Blödsinn; es ist gefährliche Hybris. Man kann Fehleinschätzungen nie zu hundert Prozent ausschließen. Ein Restrisiko bleibt, und wenn das Restrisiko eine nukleare Katastrophe nach sich zöge, ist jegliches Restrisiko zu groß.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE] – Stephan Brandner [AfD]: Jetzt schüren Sie aber wirklich Angst, Herr Herrmann!)

Der Antrag der AfD ignoriert in zynischer Art und Weise die Gefahren des nuklearen Risikos vollständig. Er ignoriert auch die Realität bei den AKW-Betreibern. Der Chef von EnBW betont, dass eine Laufzeitverlängerung mit vielen Problemen verbunden wäre: Die Brennstäbe seien aufgebraucht sowie die Personalplanung und, Herr Stockmeier, auch Rückbaumaßnahmen seit Langem auf den Termin ausgerichtet. Er schaut weg von Kohle und Atom nach vorn, hin zu den Erneuerbaren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die AfD aber schürt mit dem Antrag bewusst Ängste, um den Bedarf an Atomkraft irgendwie doch noch herbeizureden. Dabei ist die Energieversorgung sicher.

(Zuruf des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Das haben wir schon letzten Winter gesehen. Die Gasspeicher sind jetzt noch zu 64 Prozent gefüllt, für das Winterende ein sehr hoher Wert. Die Strom- und Gaspreise im Großhandel sind auf Vorkriegsniveau angekommen. Das wird sich mehr und mehr auch bei den Haushaltskunden niederschlagen.

Ja, aber auch der nächste Winter kommt, und darum sorgt die Ampelkoalition vor mit beschleunigtem Erneuerbaren-Zubau, mit Netzausbau, mit stärkerer Energieeffizienz und – nicht immer mit Freude; wir suchen das Augenmaß – mit LNG-Terminals.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: PV-Zellen sind im Winter eine tolle Idee! Die Sonne bringt im Winter weniger!)

Atomkraftwerke aber braucht es schlichtweg nicht.

Wir setzen stattdessen auf günstige, sichere und nachhaltige Lösungen. Schon heute produzieren wir mit erneuerbaren Energien fast die Hälfte des deutschen Stroms. Sie sind viel wichtiger für die Versorgungssicherheit und preisgünstige Energie. Mittlerweile ist die Atomdebatte in Deutschland weitgehend eine Phantomdebatte.

Die größte EEG-Novelle hat die Ampel schon letztes Jahr beschlossen, und mit neuen Solar- und Windstrategien des BMWKs werden wir die letzten Hürden nehmen. Dann werden wir in wenigen Jahren ein Stromsystem mit 80 Prozent Erneuerbaren sehen.

Die Energiezukunft ist erneuerbar und klimaneutral. Die Energiezukunft ist dezentral. Die Energiezukunft ist in Bürgerhand. Und die Energiezukunft ist frei von Atomkraft. Ich danke, dass ich die wohl letzte Rede vor dem Aus der AKWs halten durfte.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der AfD: Oje!)