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18.10.2019

Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mal wieder einer dieser klassischen Initiativen der AfD, frei der Logik folgend: Was kann man eigentlich noch alles unternehmen, um geflüchteten Menschen in Deutschland das Ankommen und das Leben so schwer wie möglich zu machen.

Dabei arbeitet dieser Gesetzentwurf mit den klassischen Methoden, die wir von der AfD nur zu gut kennen. Er spielt wieder einmal verschiedene Gruppen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, gegeneinander aus. Er ignoriert die schwierigen Lebensumstände von Geflüchteten und packt Menschen in eine wirklich unerträgliche Verwertungslogik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Man fragt sich: Was muss eigentlich bei einem falsch laufen, wenn man behauptet, dass es gerechter zugeht, wenn man anerkannte Flüchtlinge mit Zuwanderern gleichstellt? Wie kann man allen Ernstes gesetzlich manifestieren wollen, dass ein Mensch, der zum Schutze seines Lebens vor Krieg geflohen ist, häufig alles verloren hat – Heimat, Arbeit, Besitz, Familie, Zukunft –, die gleichen Anforderungen für eine Niederlassung erfüllen muss, die jemand zu erfüllen hat, der in seinem Heimatland einen Bildungsabschluss erworben hat, sich vorbereiten konnte, schon ein bisschen Deutsch gelernt hat und freiwillig nach Deutschland kommt, um hier zu arbeiten?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Norbert Kleinwächter [AfD]: Genau! Der Qualifizierte sollte eher kommen!)

Das hat doch nichts mit Gleichstellung zu tun. Nein, dieser Gesetzentwurf hat ein einziges Ziel: Er soll einfach nur die Perspektive zerstören, dauerhaft in Deutschland bleiben zu können.

Ich gebe zu: Zu der Erkenntnis, dass gerade anerkannte Flüchtlinge diese Perspektive, diese Sicherheit brauchen, um sich zu integrieren, gerade wenn sie bereits seit Jahren in unserem Land leben, dass sie diese Sicherheit brauchen, um überhaupt die Chance zu haben, auf dem Arbeitsmarkt außerhalb des Niedriglohnsektors anzukommen, zu dieser Erkenntnis braucht es Empathie und die Bereitschaft, sich in die Lebenslage von geflüchteten Menschen hineinzuversetzen. Und wenn man mal ehrlich ist: Aufgabe humanitärer Politik, das, was Politikerinnen und Politiker zu leisten haben, ist, genau das im Auge zu behalten. Aber Augenmaß, Herz, Anstand in Ihren Reihen zu finden, wenn es um Geflüchtete geht, das ist Zeitverschwendung.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch sonst!)

So viel habe ich in den vergangenen Jahren gelernt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Deshalb überrascht dieser Gesetzentwurf auch nicht.

Aber dass Sie dann auch noch die Genfer Flüchtlingskommission und das europäische Recht, das Ihnen bei dieser Frage doch sonst piepegal ist, bemühen, um die Standards in Deutschland abzusenken, wenn es um den Anrechnungszeitraum des Aufenthaltes in Deutschland geht, ist so etwas von dreist, wirklich dreist.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Prinzipien!)

Das europäische Recht und die Genfer Flüchtlingskommission formulieren eine Mindestanforderung. Warum? Das verstehen Sie nicht; das weiß ich. Flüchtlinge sollen geschützt werden vor einem Race to the Bottom, damit Brüder im Geiste wie zum Beispiel Orban in Ungarn nicht auch noch an solche Rechte die Axt anlegen – und das ist auch richtig so.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Es wird Sie also nicht überraschen, dass wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. Ich freue mich auch, wenn das hier im Hause unter den Demokraten Konsens ist.

Ich wünsche mir wirklich, dass wir endlich die Ärmel hochkrempeln, dass wir beherzt die Aufgaben angehen, die die Integration von Menschen mit sich bringt – das ist nicht immer leicht –, und dass wir aufhören, ständig zu begrenzen, und stattdessen Menschen von Anfang an in die Lage versetzen, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen, sich in Deutschland eine Zukunft aufzubauen.

Dass ausgerechnet ein CSU-Innenminister nun zu der späten Einsicht gelangt ist, dass es europäische Lösungen statt nationaler Alleingänge braucht, ist – das kann man auch mal sagen – sehr überraschend für uns Grüne. Umso mehr bestürzt und irritiert es uns, zu erleben, wie viel Gegenwind Horst Seehofer für diese Initiative jetzt gerade aus den eigenen Reihen bekommt. Ich kann nur sagen: Wir Grüne stehen an seiner Seite in dem Bemühen, Menschen, die in der EU Schutz suchen, solidarisch auf die Mitgliedstaaten zu verteilen und ein faires Asylverfahren in allen Ländern zu gewährleisten.

Wenn am Ende eines Verfahrens ein Schutzanspruch bescheinigt wird, dann ist es unsere Aufgabe, diesen Menschen hier eine Perspektive zu bieten, ihnen dabei zu helfen, sich zu integrieren, und sie hier wirklich ankommen zu lassen; denn – das muss man auch sagen – gerade das Beispiel Syrien zeigt, wie langwierig und vertrackt manche Konflikte verlaufen können. Wer hier gegen die sichere Bleibeperspektive der Betroffenen Stimmung macht, der gefährdet unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt, unseren Frieden und verspielt eben auch die Chance einer guten Integrationspolitik.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Michael Kuffer das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)