Rede von Britta Haßelmann Aufsetzung der Debatten "Parteienfinanzierung" und "Erneuerbare Energien"

08.06.2018

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Lassen Sie mich eingangs kurz sagen: Ich finde, Sie von der AfD sollten sich schämen

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

für diese Inszenierung hier im Plenum und den Missbrauch dieser furchtbar grausamen Tat, die strafrechtlich verfolgt werden muss.

(Jürgen Braun [AfD]: Sie unternehmen nichts dagegen!)

Man hat ja gesehen, dass Sie selbst noch einen Moment darüber nachdenken mussten, ob das hier angemessen ist;

(Jürgen Braun [AfD]: Sie unternehmen nichts!)

denn Herr Gauland und Frau Weidel haben ja eine Weile gebraucht, bis auch sie sich dieser Aktionsform angeschlossen haben.

(Jürgen Braun [AfD]: Lenken Sie nicht ab, Frau Haßelmann! Lenken Sie nicht von Ihrem Versagen ab!)

Das ist einfach nur ekelhaft, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN – Jürgen Braun [AfD]: Menschenverachtend!)

Aber nun zum Verfahren. Meine Damen und Herren, was passiert hier heute eigentlich? Auch die etwas schwachen Reden von Herrn Grosse-Brömer und von Herrn Schneider können nicht darüber hinwegtäuschen,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was?)

dass Ihnen dieses Verfahren selbst unangenehm ist. Wir werden der Aufsetzung des Gesetzentwurfes zum Erneuerbare-Energien-Gesetz zustimmen; denn der Bundesrat wird darüber beraten, und das ist eine wichtige und notwendige Sache. Deshalb haben wir sofort Fristverzicht erteilt. Was ich aber für unsere Fraktion nicht einsehe, ist – was wir in anderen Fällen ganz oft machen –, in der Angelegenheit des Parteiengesetzes Ihrem Aufsetzungswunsch zu entsprechen. Denn diese Art, wie Sie dieses Parteiengesetz beraten wollen, ist einfach nur dreist, und sie schadet allen demokratischen Parteien; das müssten Sie eigentlich wissen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Deshalb wollen wir heute dieser Aufsetzung widersprechen.

Meine Damen und Herren, wissen Sie, wie das hier läuft? Am Dienstagmittag wird die Aufsetzung angekündigt. Vorsorgehalber wird schon mal den Journalisten erzählt, das sei zwischen allen Fraktionen dieses Hauses besprochen, auch wenn man wisse, dass die Oppositionsfraktionen wahrscheinlich nicht zustimmen werden. Für diesen Vorgang wäre eigentlich eine Entschuldigung fällig, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

So etwas an so einer Stelle zu streuen, ist einfach infam.

Wir hatten am Dienstagvormittag wie üblich noch gesagt: Wir prüfen das. Wir glauben, wir haben damit Schwierigkeiten. Wieso eigentlich das Parteiengesetz so kurzfristig aufgesetzt?

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Machen die Grünen doch auch häufiger!)

Das ist doch etwas, worüber die Berichterstatter der Fraktionen in der Regel erst einmal im Parlament Gespräche führen. Das alles war ja nicht erfolgt.

Dienstagmittag aber dann, während der Fraktionssitzung, kam schon der Antrag der Unionsfraktion auf Sachverständigenanhörung im Innenausschuss. Der Gesetzentwurf lag noch nicht einmal vor. Es war nichts bekannt. Aber die Anhörung im Innenausschuss für Montag nächster Woche war schon auf den Weg gebracht. Ein paar Stunden später dann, am Dienstagabend um 19.30 Uhr, ging die Vorlage ein, die Drucksache für das Parteiengesetz. Dann, am Mittwochmorgen, wurde gleich mit Mehrheit der Koalitionsfraktionen für Montag eine Sachverständigenanhörung angesetzt. Können Sie mir mal sagen, wer von Ihnen ernsthaft diesen Gesetzentwurf beraten will? Innerhalb von vier Tagen mussten wir eine Sachverständige finden, die für Montag bereit ist. In zwei Stunden sollen sechs Sachverständige vortragen, wie sie diese verfassungsrechtlich schwierige Frage beurteilen. Das ist keine seriöse Beratung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das Fass bringen Sie am Ende noch dadurch zum Überlaufen, dass Sie klargemacht haben, dass Sie beabsichtigen, das Ganze schon in der nächsten Woche in zweiter und dritter Lesung abzuschließen. Das ist doch einfach nur dreist. Wie wollen Sie den Menschen draußen einen positiven Eindruck über Parteien und Politik vermitteln, wenn Sie mit so einer Strategie vorgehen? Wissen Sie, da habe ich ein Déjà-vu. Das Bundesmeldegesetz wurde damals zur EM, zur Europameisterschaft, verabschiedet. Da gab es einen riesigen öffentlichen Aufschrei.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber nicht nachts oder abends, sondern morgens um 9 Uhr! Das ist unredlich!)

Jetzt beraten wir an dieser Stelle das Parteiengesetz, und nächste Woche, zum WM-Start, –

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Kollegin.

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– wird das dann kurz durchgewunken.

(Andrea Nahles [SPD]: Kernzeit!)

Dieses Hauruckverfahren schadet allen, und das haben Sie zu verantworten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Morgens um 9 Uhr! Das ist eins a lächerlich!)