Rede von Deborah Düring Außen- und Sicherheitspolitik

Deborah Düring MdB
22.02.2024

Deborah Düring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Klar ist: Die Ukraine braucht unsere volle Unterstützung. Und klar ist auch: Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands stellt eine Zeitenwende dar. Dafür bedarf es auch einer selbstkritischen Reflexion über die Fehler, die in der Vergangenheit gemacht wurden.

Liebe Union, ich habe wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass sowohl heute als auch gestern ein wenig Selbstkritik von Ihnen zu hören war. In Ihrem Antrag vermisse ich sie aber, ehrlich gesagt. Kein Wort beispielsweise zu Ihrer verfehlten Russlandpolitik – Stichwort: Nord Stream 2.

(Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Das war doch SPD-verschuldet!)

Eine Zeitenwende bedeutet nicht nur eine selbstkritische Reflexion, sondern auch das Lernen aus den Fehlern. Wenn ich Ihren Antrag als einen solchen Lernprozess verstehe, dann würde ich sagen: Man kann an der einen oder anderen Stelle gute Ansätze entdecken; aber die eine Hälfte passiert schon, und bei der anderen Hälfte fehlt, ehrlich gesagt, die Substanz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Ulrich Lechte [FDP])

Sie fordern eine Überarbeitung der Nationalen Sicherheitsstrategie. Ich frage mich: Wo ist denn Ihre Strategie, auch mit Blick auf Ihre Kollegen in den Ländern? Wir haben eine. Sie fordern beispielsweise die Einhaltung des 2-Prozent-Ziels der NATO.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Beschreiben Sie doch mal Ihre!)

Das haben Sie nie getan, wir schon. Und ja, Sie haben recht: Wir brauchen mehr Geld, unter anderem auch für die Verteidigung.

Aber, ehrlich gesagt, vermisse ich immer Ihre konkreten Finanzierungsvorschläge. Ich höre immer nur, was wir brauchen; aber ich habe noch keinen einzigen umsetzbaren Vorschlag von Ihnen gehört, liebe Union, woher dieses Geld kommen soll.

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Hören Sie mir zu!)

Und selbst wenn es mal einen Kollegen gibt, der nach vorne prescht und einen Vorschlag macht, wird dieser gleich von der Ebene obendrüber wieder einkassiert. Liebe Union, das ist kein wirklicher Finanzierungsvorschlag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Ulrich Lechte [FDP])

Auch haben Sie bei Ihrer Definition von Sicherheit, ehrlich gesagt, wieder die Hälfte vergessen. Sicherheit bedeutet nicht nur militärische Stärke. Sicherheit bedeutet auch, dafür zu sorgen, dass beispielsweise Krankenhäuser bei einem Cyberangriff weiter funktionieren. Sicherheit bedeutet, dass alle Menschen Zugang zu Nahrung und medizinischer Versorgung haben. Wer die Sicherheit des Menschen in den Fokus stellt, muss eine Politik machen, die auf Menschenrechten und Gerechtigkeit fußt und nicht auf Plattitüden wie – ich zitiere Ihren Antrag – „Afrika zur Chefsache zu machen …”. Ja, es braucht eine Afrika-Strategie; deswegen sind wir da auch dran. Aber das Ziel darf doch nicht nur Rohstoffsicherung sein. Vielmehr müssen wir uns doch fragen: Wie schaffen wir es, die vielen Krisen und Konflikte dieser Welt gemeinsam mit unseren Partnern im sogenannten Globalen Süden zu lösen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wenn wir möchten, dass demokratische und humanistische Werte von allen geteilt werden, dann müssen wir glaubwürdig handeln. Wir müssen uns beispielsweise an gegebene Zusagen halten und als verlässlicher Partner auftreten. Gleichzeitig müssen wir überlegen, wie wir die tatsächliche Einbindung des Globalen Südens schaffen können, nicht nur darüber reden, sondern auch umsetzen. Wir haben zwar die Reform der Weltbank vorangebracht, aber wir müssen auch darüber diskutieren, wie wir die Stimmrechte der Länder des Globalen Südens in der Weltbank und auch im UN-Sicherheitsrat stärken können oder wie die Umsetzung der UN-Steuerrechtskonvention endlich gelingen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zeitenwende bedeutet, dass wir Sicherheit eben nicht nur auf militärische Sicherheit reduzieren, sondern die Komplexität und Verflechtungen auch anerkennen. Es bedeutet, dass wir uns damit auseinandersetzen, wie wir die europäische Außen- und Sicherheitspolitik effizienter gestalten können und gleichzeitig Konflikttreiber wie die Klimakrise oder soziale Ungerechtigkeit eindämmen. Denn das schafft am Ende langfristigen Frieden.

Vielen Dank!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Als Nächster erhält das Wort Ulrich Lechte für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)