Jamila Schäfer MdB
06.09.2023

Jamila Schäfer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Gysi, es tut mir leid, zu hören, dass Sie Ihre Funktionen aufgeben werden. Das sage ich aufrichtig. Ich möchte aber trotzdem einmal inhaltlich darauf antworten, was Sie gesagt haben. Verhandlungen wollen wir ja auch; wir wollen auch, dass die Waffen endlich schweigen. Aber weder die Verhandlungsposition der Ukraine in der aktuellen Situation zu schwächen noch die Unterstützung an sie zu konditionieren oder einzustellen, würde uns einen Zentimeter weiter dort hinbringen. Deshalb haben wir da dann doch eine ganz andere Auffassung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Putin hat mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine die europäische Friedensordnung zerrüttet. Und jetzt sollte eigentlich auch dem Letzten begreiflich geworden sein, dass die These vom Ende der Geschichte Geschichte ist. Es ist eine Frage des ethischen Anstandes, die Ukraine zu unterstützen. Aber es ist auch in unser aller Interesse, ihren Kampf für das Völkerrecht und die Stärke des Rechts in der Welt zu stärken und zu verteidigen und es eben nicht zuzulassen, dass die Methode Gewalt sich durchsetzt und in Zukunft unsere Weltordnung prägt,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

im Übrigen auch, um eine atomare Aufrüstungsspirale zu verhindern. Wir müssen uns diesen Aufgaben gemeinsam stellen, und das tun wir auch. Dafür gilt mein Dank auch insbesondere unserer Außenministerin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir haben im letzten Jahr sehr viel über die notwendige militärische Unterstützung der Ukraine diskutiert und auch einiges auf den Weg gebracht. Das bleibt auch weiterhin wichtig und richtig; Michael Link hat auch darauf hingewiesen. Aber es kommt eben auch darauf an, ob wir es schaffen, Putin diplomatisch auf der Weltbühne zu isolieren; denn am Ende müssen die diplomatischen und politischen Kosten für diesen Krieg höher sein als der Nutzen, den er als Autokrat daraus ziehen kann. Dafür braucht unsere Außenpolitik Handlungsfähigkeit, auch in finanzieller Hinsicht.

Deshalb ist es gut, dass der Etat des Auswärtigen Amtes mit 6,155 Milliarden Euro über der mittelfristigen Finanzplanung liegt; nach der wären es nämlich 5 Milliarden Euro gewesen. Aber es ist auch klar, dass die Aufgaben nicht kleiner, sondern größer geworden sind.

Deshalb lohnt es sich, finde ich, auch, sich den Aspekt der humanitären Hilfe noch mal aus menschlicher Perspektive anzugucken. Weltweit sind nach aktuellen Schätzungen der Vereinten Nationen mehr als 326 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen; das ist jeder 22. Mensch auf dieser Erde, Tendenz steigend. 260 Millionen Menschen sind von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen. Das bedeutet, diese Menschen haben zu wenig zu essen. Deswegen schmälert die Kürzung bei der humanitären Hilfe unsere internationale Position als verlässlicher Partner und als Geber. Sie bedeutet natürlich auch, dass wir hungernden und leidenden Menschen aktuell nicht genügend zur Seite stehen können, wenn wir daran nichts ändern. Das können wir nicht wollen, weder aus moralischen Gründen noch aus geopolitischen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir wissen auch alle, dass die Leerstellen, die wir hinterlassen, ausgenutzt werden, und zwar von denjenigen, die das Völkerrecht zurückdrehen wollen. Deswegen brauchen wir eine aktive Diplomatie und Weltpolitik, und zwar eine, die die Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholt, sondern glaubwürdig für die Stärke des Völkerrechts und die globale Gerechtigkeit einsteht. Deshalb ist auch die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik so wichtig. Sie ist kein Nice-to-have, sondern sie ermöglicht es uns, auf Augenhöhe Beziehungen aufzubauen, nicht nur zu Regierungen, sondern auch zur Zivilgesellschaft.

Vor uns liegen also große Aufgaben. Es gilt, keine Zeit zu verlieren. Deshalb freue ich mich, dass wir jetzt in die Haushaltsberatungen starten. Ich freue mich auf den Austausch mit dem Auswärtigen Amt und natürlich auch mit allen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Gunther Krichbaum hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)