Foto von Jürgen Trittin MdB
06.09.2023

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin, ich bin Ihnen ausdrücklich dankbar, dass Sie das hier klargestellt haben: Es geht nicht, dass man die gewählte Bundeskanzlerin, die 16 Jahre dieses Land geführt hat – ich habe 16 Jahre gegen sie Opposition gemacht –, vergleicht mit dem größten Kriegsverbrecher aller Zeiten, der verantwortlich ist für den Mord an 6 Millionen Jüdinnen und Juden und der verantwortlich ist für den Tod von 60 Millionen Menschen. Das ist Relativierung des Nationalsozialismus, was Sie hier getrieben haben, und das ist nicht akzeptabel!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Schande!)

Ich bin ja froh darüber, dass unter den demokratischen Parteien der Opposition wie der Regierung hier außenpolitisch ein so großer Konsens besteht, dass der geschätzte Kollege Johann Wadephul sich darauf beschränken musste, zu sagen, die Ministerin sei nicht so fleißig, wie er sich das wünschte,

(Zuruf des Abg. Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU])

und gelegentlich habe sie auch mal Schwierigkeiten mit den von vormaligen Regierungen übernommenen Flugzeugen.

Ich will nur mal darauf hinweisen, was diese Ministerin in den vergangenen zwei Jahren gemacht hat. Sie hat auch Ihre Naivität gegenüber Russland beendet. Wir sind heute nach den USA diejenigen, die die meisten Waffen an die Ukraine liefern. Sie hat zum ersten Mal – das haben Sie nie hinbekommen – eine Nationale Sicherheitsstrategie als Regierungsstrategie definiert:

(Zuruf des Abg. Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU])

wehrhaft, resilient und nachhaltig. Sie hat auch Ihre Naivität gegenüber China beendet –

(Lachen des Abg. Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU])

mit einer neuen China-Strategie, die Schluss gemacht hat mit dem frommen Wunsch, dass Handel eben nicht nur Wandel, sondern auch Demokratie schafft, und die klargestellt hat, dass „all business with China“ halt „politics“ ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Wo ist der Beifall bei der SPD?)

Und: Sie arbeitet zurzeit an einer Klimaaußenpolitikstrategie, die klarstellt – das hat sie auf der letzten Klimakonferenz erreicht –, dass die Länder, die verantwortlich sind für die Klimakrise, auch verantwortlich sind für die Behebung der Schäden und Verluste in anderen Ländern. Sie wird – da bin ich mir ziemlich sicher – auf der nächsten Klimakonferenz durchsetzen, dass es ein globales Ziel zum Ausbau erneuerbarer Energien geben wird. Das ist eine Leistungsbilanz, die sich sehen lassen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich noch eine Schlussbemerkung machen. Daten sind ja oft wichtig, und sie erzeugen einen Blick auf die Außenpolitik. Wir sprechen viel über den 24. Februar 2022. Aber ein Teil des Problems, das wir haben, um Bündnispartner für eine solche Politik zu finden, hat etwas mit dem 11. September zu tun – nicht mit dem 11. September, an den die meisten von uns jetzt denken, sondern mit dem 11. September 1973. Damals putschte das Militär in Chile einen Sozialdemokraten aus dem Präsidentenamt

(Victor Perli [DIE LINKE]: Einen Sozialisten!)

und ermordete ihn wie Tausende andere. Das ist einer der Punkte, warum wir aufhören müssen, als selbstgerechter Westen aufzutreten: die Erinnerung der Völker. Wenn Sie einen Grund suchen, warum Indien sagt: „Wir machen in der Ukraine einen balancierten Ansatz“, warum Südafrika sagt: „Wir sind in dieser Frage neutral“, dann sehen Sie, dass das damit zu tun hat, dass wir unsere Werte nicht ernst genommen haben.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das war schlechte Realpolitik.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Kluge Realpolitik ist eine wertegebundene Realpolitik, und die ist bei Annalena in den besten Händen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Thomas Erndl.

(Beifall bei der CDU/CSU)