01.03.2018

Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf dem Papier ist das BAföG das zentrale soziale Förderinstrument für Bildungsgerechtigkeit. In der Realität bleiben immer mehr der fast 3 Millionen Studierenden in Deutschland außen vor. Wie soll ich meinem Kind das Studium finanzieren? Das darf keine unbeantwortete Frage in unserem wohlhabenden Land sein. Kein junger Mensch soll wegen Verschuldungssorgen oder Finanzierungsengpässen auf ein Studium verzichten müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen legen wir Grüne im Bundestag heute einen Antrag für eine zügige BAföG-Novelle vor. Gleiche Chancen beim Zutritt zum Campus müssen uns endlich mehr wert sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das BAföG ist in den letzten Jahren in eine Schieflage und Vertrauenskrise geraten. Wenn die GroKo ihre Politik fortsetzt, kommen BAföG-Empfänger bald auf die Rote Liste als eine vom Aussterben bedrohte Art.

(Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Das ist doch Quatsch, Herr Kollege!)

Nur noch 18 Prozent aller Studierenden beziehen BAföG-Leistungen. So kann es nicht weitergehen. Das BAföG muss kräftig rauf, und zwar sofort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die 25. BAföG-Novelle, die Union und SPD hier vor einem Jahr noch als großen Erfolg gefeiert haben, hat sich als Flop und als Bluff erwiesen. Statt der versprochenen 110 000 zusätzlich Geförderten gehen die Zahlen weiter in den Keller. Das räumt die Regierung auch im BAföG-Bericht ein: minus 16,7 Prozent bei den Geförderten allein zwischen 2012 und 2016.

(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Unglaublich!)

Dieser Rückgang setzt sich auch fort, seitdem die BAföG-Novelle ganz in Kraft trat. Das BAföG ist vom Sturz- in einen Sinkflug übergegangen. Studierende und Schüler brauchen daher dringend eine Trendwende für Chancengerechtigkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Aus Sicht von uns Grünen im Bundestag gelingt diese Trendwende in einem Zweischritt. Zuerst brauchen wir eine sofortige Reparaturnovelle, die zum nächstmöglichen Semester greift. Wir wollen darin unter anderem die Fördersätze für Studierende um mindestens 10 Prozent anheben, die Einkommensfreibeträge der Eltern um mindestens 10 Prozent erhöhen, die Wohnkosten gemäß der regionalen Staffelung des Wohngeldgesetzes erstatten, Studierende, die pflegen, besser unterstützen und das BAföG künftig regelmäßig, automatisch und damit auch planbar erhöhen. All diese Änderungen bringen einen schnellen Schub, damit das BAföG endlich wieder vernünftig ausgestaltet ist. Das ist überfällig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Nach der schnellen Reparaturnovelle wollen wir eine echte Strukturreform. Bei uns heißt das Zwei-Säulen-Modell; andere haben andere Modelle. Wir wollen, dass der Bundestag eine Reformkommission einrichtet und bis 2020 neue Modelle zur Stärkung der Bildungs- und Studienfinanzierung erarbeitet, die Brücken bauen zum lebenslangen Lernen und zur Weiterbildung. Wir wollen eine Finanzierung, die zum Leben und Lernen reicht, und Studierende stärker unabhängig von den Eltern fördern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Mit einer neuen GroKo droht auch beim BAföG ein Weiter-so, anstatt über neue Wege nachzudenken. Laut Koalitionsvertrag soll erst 2021 die Zahl der Geförderten wieder auf das heutige Niveau steigen. Das ist ein wirklich ärgerliches Signal an finanzschwächere Familien in Deutschland, die beste Bildung für ihre Töchter und Söhne wollen. Unser Signal dagegen ist: mehr Tempo für mehr Chancen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

In der letzten BAföG-Debatte hier im Bundestag haben Sie, Herr Kaufmann und Herr Kaczmarek, Reformbedarf eingeräumt, wollten aber erst den nächsten BAföG-Bericht abwarten. Dieser liegt seit Dezember vor, und die Zahlen sind eine Blamage für die GroKo und eine Hiobsbotschaft für Studierende. Bitte nehmen Sie eine ehrliche Neubewertung vor, und wagen Sie einen großen Wurf.

Ich bin mir sicher, dass nicht nur wir Grüne, sondern auch FDP- und Linksfraktion einer echten, gerechten Reform aufgeschlossen gegenüberstünden. Gute Vorschläge für eine bessere Bildungs- und Studienfinanzierung gibt es genug. Jetzt muss es endlich rangehen ans Werk.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)