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22.06.2023

Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat einen Antrag vorgelegt mit dem Titel „Schiene in die Zukunft führen – Deutsche Bahn AG neu aufstellen“. Darin ziehen Sie Bilanz und stellen fest: Zu viele Züge sind defekt, zu viele Züge sind verspätet unterwegs. – Das ist auch kein Wunder, wenn man sieht, dass die Infrastruktur über viele Jahre, vor allem auch unter drei CSU-Bundesverkehrsministern, zurückgebaut wurde, nämlich um 15 Prozent,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

und im gleichen Zeitraum, in dem die Infrastruktur um 15 Prozent geschrumpft wurde, der Verkehr um 27 Prozent zugenommen hat. Das kann nicht gut gehen. Sie haben zu wenig saniert. Sie haben zu wenig ausgebaut. Sie haben dazu beigetragen, das Netz zu schrumpfen. Das Zeugnis, das Sie der Deutschen Bahn geben – Sie haben es vorhin erwähnt –, ist in Wirklichkeit ein Zeugnis für Ihre verheerende Verkehrs- und konkret: Bahnpolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Sie stellen in Ihrem Antrag fest, dass es einen „Quantensprung“ bräuchte.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ui!)

Da ist es doch hilfreich, nach Bayern zu schauen, wo Sie schon sehr, sehr lange – ununterbrochen und ohne große Kompromisse mit Koalitionspartnern eingehen zu müssen – regieren. In kaum einem anderen Land sind so viele Strecken eingleisig wie in Bayern.

(Stefan Gelbhaar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jawoll!)

In kaum einem anderen Land sind so viele Strecken nicht elektrifiziert wie in Bayern. In kaum einem anderen Land tut man sich so schwer, stillgelegte Bahnstrecken zu reaktivieren und wieder in die Fläche zu bringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

In kaum einem anderen Land tut man sich so schwer, Kapazitäten zu erhöhen, damit die Züge pünktlicher fahren können, wie in Bayern. Was ist denn eigentlich Ihre Position zum Brenner-Nordzulauf? Sagen Sie doch mal, was Ihre Position ist!

(Zuruf der Abg. Daniela Ludwig [CDU/CSU])

Ich höre da nur Wischiwaschi – mal hin, mal her.

(Zuruf der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])

Sie haben dieses Projekt in den Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufgenommen und torpedieren es in Bayern gleichzeitig. Das ist Ihre Politik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Ulrich Lange [CDU/CSU]: Wenn ich nichts mehr weiß, mache ich Bayern-Bashing!)

Ich frage Sie als Unionsfraktion: Sind das die Quantensprünge, die Sie von anderen fordern?

(Zuruf der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])

Nein, das sind sie nicht.

(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Von Staatsaufbau keine Ahnung! – Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Meine Güte! – Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Scheinheilig!)

Ich sehe zwar Sprünge bei Ihnen: mal nach links, mal nach rechts und mal nach hinten.

(Zuruf des Abg. Michael Donth [CDU/CSU])

Aber was fehlt, sind die Sprünge nach vorne. Da fehlen die Sprünge.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Sie fordern „eine Neuaufstellung der Deutschen Bahn“.

(Ulrich Lange [CDU/CSU]: So wie Sie auch! – Zuruf des Abg. Henning Rehbaum [CDU/CSU])

Sie haben in unterschiedlichen Konstellationen sehr, sehr lange im Bund regiert, und Sie haben hier nichts gemacht. Sie haben weder die Organisationsstruktur der Deutschen Bahn irgendwie verändert, noch haben Sie die Auslandsgeschäfte infrage gestellt.

(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Und Sie?)

Nichts davon haben Sie gemacht!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Ulrich Lange [CDU/CSU]: Und Sie? – Michael Donth [CDU/CSU]: Und was machen Sie mit der Organisationsstruktur?)

Wir als Ampel legen die Infrastruktursparten zusammen;

(Michael Donth [CDU/CSU]: Oh!)

denn Netz und Stationen gehören zusammen: gedacht, geplant und ausgebaut.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Und wir stellen die Infrastruktur gewinnfrei – so wie übrigens die Autobahn GmbH auch keine Gewinne erwirtschaften muss.

(Stefan Gelbhaar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

Details dazu, wie die Infrastrukturgesellschaft dann aussieht, werden noch zu klären sein. Wir sind voll dran.

(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Verspätung!)

Aber wenn die Reform fertig ist und wenn sie gelungen ist,

(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Verspätung!)

dann wird man diese Trennungsdiskussion gar nicht mehr brauchen.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Wenn die Reform kleingeredet ist!)

Dann kann man die Reform im Konsens machen. Und das Tollste ist: Wir schaffen es dann in einer Legislatur und nicht über viele, viele Jahre, wie Sie sich das vorgenommen haben.

(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Mit Ihrer Reform und in Ihrem Wahlprogramm: nichts!)

Sie fordern in Ihrem Antrag die Sicherstellung der Finanzierung. Aber es wird nicht einmal gesagt, dass es mehr Geld geben soll, und es wird auch nicht gesagt, wo das Geld herkommen soll. Wir haben gesagt: mehr Geld aus dem Haushalt, und wir erhöhen die Lkw-Maut und weiten diese aus, um das Geld für die Infrastruktur zu haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Donth [CDU/CSU]: Zu 100 Prozent?)

Das setzt auch wichtige Impulse für die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Das fordern Sie auch, aber Sie machen nicht einen einzigen Vorschlag, wie das Ganze funktionieren soll.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Stefan Gelbhaar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

Sie fordern in Ihrem Antrag, „Planungs- und Genehmigungsverfahren“ von Schienenwegen „zu beschleunigen“. Aber auch hierzu legen Sie nicht einen einzigen Vorschlag vor. Sie fordern von anderen, ohne irgendetwas zu liefern. Ich erinnere mal daran, dass in der letzten Legislatur von Ihrem Verkehrsminister ein Gesetz vorgelegt wurde,

(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Vier Beschleunigungsgesetze! – Michael Donth [CDU/CSU]: Vier!)

nämlich das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz. Dieses Gesetz – wir haben es zum Glück abgelehnt, weil wir geahnt haben, was das für eine Pleite wird –

(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Sie machen nachher die nächste Pleite mit Ihrem Beschleunigungsgesetz!)

führt nicht zu einer Beschleunigung, sondern sogar dazu, dass Infrastrukturprojekte um Jahre länger dauern als vorher.

(Stefan Gelbhaar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Deswegen werden wir dieses Gesetz entsprechend korrigieren müssen, damit es schneller vorangeht als mit dem Verlangsamungsprozess, den Sie eingeleitet haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Ulrich Lange [CDU/CSU]: Tosender Applaus bei der SPD!)

Wir haben ein Genehmigungsbeschleunigungsgesetz vorgelegt. Einiges davon ist schon in Umsetzung, beispielsweise mehr digital zu planen und zu bauen. Einiges ist in Vorbereitung, beispielsweise durch kleine und mittlere Maßnahmen viel, viel mehr zu machen. Wir setzen auch auf große Maßnahmen, die notwendig sind – Aus- und Neubau –, aber eben auch auf die kleinen, die schneller gehen. Da sind jetzt 350 Projekte in Deutschland in Planung. Die ersten gehen bereits dieses Jahr in die Umsetzung. Bis 2030 sollen die Maßnahmen umgesetzt werden. Überhaupt ist es so, dass wir von den 70 Beschleunigungsmaßnahmen, die die Beschleunigungskommission Schiene vorgelegt hat, bereits 80 Prozent in Umsetzung oder in Vorbereitung haben.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Ja, ja, ja!)

Ich finde, das ist durchaus eine Leistung.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Michael Donth [CDU/CSU]: In der Umsetzung! Das ist der Hohn!)

Ich komme zum Fazit. Ihr Antrag ist sowohl in der Analyse als auch, was die Ideen angeht, extremst schwach. Eine konstruktive Opposition sieht anders aus.

(Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Vielleicht könnt ihr mal konstruktiv regieren!)

Eine konstruktive Opposition hat Ideen und bringt diese Vorschläge in die Debatte ein.

(Ulrich Lange [CDU/CSU]: 7. Juni!)

Sie aber dackeln als Unionsfraktion viele Trassenkilometer hinter der Ampelkoalition her.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Ulrich Lange [CDU/CSU]: 7. Juni 2023! Ich zitiere Herrn Gastel: Die Reform springt zu kurz! – Gegenruf des Abg. Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Freut mich, dass es Ihnen gefallen hat!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Janine Wissler das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)