Dr. Paula Piechotta MdB
22.06.2023

Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörende! Nach einer knappen Dreiviertelstunde Debatte kann man auf jeden Fall festhalten: Anders als bei vielen anderen Themen in diesem Parlament sind wir uns zumindest in der Grundanalyse einig: Die Bahn ist ein Versprechen, das jeden Tag tausendfach gebrochen wird.

Wenn man das so einmal feststellt, dann ist es spannend zu sehen, dass, obwohl sich Menschen nicht darauf verlassen können, pünktlich ans Ziel zu kommen, obwohl sie sich nicht darauf verlassen können, dass der Zug überhaupt fährt, und obwohl sie sich auch nicht darauf verlassen können, dass Güter über die Schiene pünktlich ankommen, jedes Jahr mehr Menschen die Schiene nutzen. Das zeigt uns, wie groß das Potenzial für die Schiene wäre, wenn wir diese Hemmnisse Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit und auch fehlende Kapazitäten abbauen würden, und wie wichtig es ist, diese Potenziale endlich zu heben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Karsten Hilse [AfD]: Das zeigt, dass die Menschen nichts mehr von Ihnen erwarten!)

Zu den Menschen, die die Schiene lieben, gehören nicht nur Grüne; dazu gehören alle Unternehmen, die ihre Güter endlich klimaneutraler transportieren wollen, dazu gehören alle, die ohne die Kosten eines Autos trotzdem mobil sein wollen, dazu gehören alle, die weite Strecken nicht nur in Japan oder Frankreich gut mit dem Zug fahren wollen, sondern auch in Deutschland. Aber wer die Schiene liebt, der verzweifelt an der Bahn. Deswegen, weil Bahn und Schiene eben unterschiedliche Sachen sind, ist es gut, dass wir als Ampel jetzt diese beiden Dinge – Bahn und Schiene – mit der InfraGo ein Stück weit entkoppeln, und zwar zum 1. Januar 2024.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dabei wird es entscheidend sein, wie hier nicht nur die Mitwirkungsrechte des Bundesverkehrsministeriums mit seinen Steuerungsrechten, sondern auch die Mitwirkungsrechte des Parlaments über Verkehrs- und Haushaltsausschuss festgeschrieben werden.

Die Kollegen von der Union haben viel aufgeschrieben, und ich würde mich da Matthias Gastel anschließen: Das ist vor allen Dingen eine Selbstbeschreibung der eigenen Fehler der letzten 16 bzw. mindestens 12 Jahre, die hier gemacht worden sind,

(Michael Donth [CDU/CSU]: Nein! Wir gucken in die Zukunft! Wir schauen nach vorn!)

und auch, wenn ich zum Beispiel den Kollegen Lange anschaue, der fehlenden Wirkung, die der Verkehrsausschuss in diesen Jahren hier tatsächlich erzielt hat.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das war ein Kalauer!)

Zur ehrlichen Analyse gehört an der Stelle, die große Verzweiflung, die hier im Land herrscht, diese große Unzufriedenheit mit der Bahn, zur Kenntnis zu nehmen. Hieran werden wir auch im Parlament stärker arbeiten müssen. Hier im Parlament wird die Unzufriedenheit im Land in politischen Druck umgewandelt – nicht im Verkehrsministerium, sondern hier im Parlament.

Wenn wir uns ansehen, in welchem Zustand Bahn und Schieneninfrastruktur nach zwölf Jahren sind, dann bedeutet das, dass wir diese Bahnstrukturreform mit der InfraGo nur dann besser hinbekommen als die Vorgängerregierung, wenn auch das Parlament und seine Rechte hier stärker werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Michael Donth [CDU/CSU]: Das wird es aber nicht! Das bleibt eine AG! Das entscheidet der Vorstand, nicht das Parlament!)

Der Kollege und Staatssekretär Theurer hat es angesprochen: Da sind viele komplizierte Fragen zu klären, gerade auch im Verhältnis mit der Bundeshaushaltsordnung.

Aber wir müssen auch noch mal festhalten: Der Bund war immer Eigentümer der Bahn, und der Haushaltsausschuss und das Parlament haben immer Gelder für die Bahn freigegeben. Als ausreichende Steuerung reicht das offensichtlich nicht.

(Michael Donth [CDU/CSU]: So ist es! – Gegenruf des Abg. Stefan Gelbhaar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen wird es zentral sein, hier auch besser festzuschreiben, was die Mitwirkungsrechte und was die Steuerungsrechte des Parlaments sein werden. Sie können sich darauf verlassen, dass wir gemeinsam mit den Kollegen von SPD und FDP gerade auch im Haushaltsausschuss sehr darauf achten werden, dass die InfraGo so ausgestaltet wird, dass der Haushaltsausschuss und natürlich auch der Verkehrsausschuss eine bessere statt eine schlechtere Zugriffsmöglichkeit auf die Bahn bekommen, als das heute der Fall ist.

(Beifall der Abg. Anja Liebert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Michael Donth [CDU/CSU]: Bei einer Aktiengesellschaft geht das nicht!)

Ich möchte an der Stelle noch mal auf ein Portal verweisen, das diese Woche freigeschaltet wurde, nämlich das Portal DB-Watch des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen.

(Detlef Müller [Chemnitz] [SPD]: Ja!)

Es war viel die Rede davon, dass der Bahnvorstand – ich glaube, das würde hier niemand bestreiten – in den letzten Jahren sehr viel Vertrauen verspielt hat. Anhand des Portals sehen jetzt auch die Wettbewerber der Bahn – nicht nur das Parlament –: Sie müssen hier noch stärker Druck machen; sie müssen auch ihre Möglichkeiten für mehr Kontrolle und Transparenz stärker nutzen. Deswegen empfehle ich allen, sich dieses Portal DB-Watch, das sich auch mit der Umsetzung der InfraGo beschäftigt, immer mal wieder anzuschauen. Wenn sich selbst die Wettbewerber der Bahn hier auf den Weg machen, muss es unser Anspruch als Parlament sein, hier selbst auch noch deutlich stärker mit in die Verantwortung zu gehen.

Lassen Sie mich an letzter Stelle sagen: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Das steht unter anderem auf diesem Portal.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Lange – es spricht gleich noch Enak Ferlemann, was ich in dieser Debatte bemerkenswert finde –, wenn man die eigenen Fehler anderen zuschreiben will, dann noch eigene Protagonisten dieser Regierungszeit in dieser Debatte reden zu lassen, macht es tatsächlich nicht glaubwürdiger.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das entscheiden wir immer noch selber!)

Allein dem Haushaltsausschuss und dem Verkehrsministerium in den letzten Jahren zu vertrauen, war nicht gut; die Kontrolle muss besser werden.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Linda Teuteberg [FDP] – Ulrich Lange [CDU/CSU]: Das passt jetzt nicht zu Gastel!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Valentin Abel das Wort.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)