Hanna Steinmüller
28.09.2023

Hanna Steinmüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Herr Bernhard, ich glaube, als Ihre Konzepte en vogue waren, war ich noch nicht geboren; so lange ist das her.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf des Abg. Marc Bernhard [AfD])

Aber gut, man kann auch immer mit Lösungen aus dem letzten Jahrhundert kommen.

Die Bauwirtschaft ist unbestreitbar in der Krise; darauf ist Christina-Johanne Schröder schon eingegangen. Wir haben im Bündnis für bezahlbares Wohnen Lösungen dazu vereinbart. Ich habe aber den Eindruck: Die Debatte hier ist oft relativ abstrakt und geht an den Lebensrealitäten, an dem, worum es eigentlich geht – dass jeder von Ihnen, von euch ein Zuhause braucht –, vorbei. Deswegen ein paar Puzzlestücke meiner Beobachtungen in den letzten Wochen in meinem Wahlkreis Berlin-Mitte.

Ich wohne in Gesundbrunnen. Für alle, die hier nicht ganz so oft unterwegs sind, sondern eher auf Montage: Das ist ungefähr 5 Kilometer nördlich von hier. Es ist ein ganz quirliger Stadtteil mit einer hohen Quote an Menschen im Transferleistungsbezug, mit einem niedrigen Durchschnittseinkommen und einer hohen Not. Ich war beim Jugendamt eingeladen, das eine fantastische Arbeit leistet. Es beklagt, wie schwer es ist, für Familien bezahlbaren Wohnraum zu finden.

(Marc Bernhard [AfD]: Ich würde sagen, das liegt an Ihrer Politik! Das liegt doch genau daran! Wie kommen denn die hohen Preise zustande? – Weiterer Zuruf von der AfD: Ja, woran liegt das denn?)

Gerade für Familien mit vielen Kindern ist das total schwierig. Dafür braucht es Lösungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ein zweites Puzzlestück. In meiner Nachbarschaft ist ein Neubau entstanden, und die Mieten liegen zwischen 25 und 29 Euro pro Quadratmeter; wir haben das auf ImmoScout24 noch mal nachgeguckt. Ich muss sagen: Das hat mit der Lebensrealität der Menschen in meiner Nachbarschaft wenig zu tun.

(Marc Bernhard [AfD]: Und wer ist daran schuld?)

Gleichzeitig passiert aber auch ganz viel anderes. Auch davon möchte ich berichten. Auch in meiner Nachbarschaft entsteht ein Gemeinschaftsprojekt im Soldiner Kiez, das KIEZquartier in der Gotenburger Straße, wo sich sieben verschiedene Träger von sozialen Einrichtungen zusammengetan haben und zusammen mit der degewo, der landeseigenen Wohnungsgesellschaft, ein Modellprojekt umsetzen, bei dem sie betreutes Wohnen anbieten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

104 Wohnplätze und eine Kita entstehen bei diesem gemeinsamen Projekt. Das zeigt: Es macht einen Unterschied, was wir fördern.

Man kann ganz abstrakt über Steuererleichterungen diskutieren. Man kann aber auch sagen: Wir nutzen unser Steuergeld und fördern gezielt die Projekte, bei denen gemeinschaftliches Wohnen entsteht, bei denen diejenigen unterstützt werden, die es besonders schwer haben, eine Wohnung zu finden. Davon möchte ich jetzt noch ein paar mehr konkrete Beispiele nennen, weil es nicht nur um Fördersätze oder die Grundsteuer geht, sondern darum, wie wir unser Steuergeld einsetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Marc Bernhard [AfD]: Das erhöht doch die Miete!)

In Wiesbaden in Hessen entsteht gerade zum Beispiel ein neues gemischtes, generationenübergreifendes Quartier mit 248 Wohnungen. 58 davon werden durch die Förderung für den sozialen Wohnraum unterstützt, die wir zum Glück ausgebaut haben. Ebenfalls in Hessen entsteht unter dem grünen Bauminister Tarek Al-Wazir der Große Frankfurter Bogen. Da werden 48 Wohnungen in Modulholzbauweise gebaut. Alle Wohnungen sind barrierefrei, viele sind rollstuhlgerecht. Das zeigt: Wenn wir unser Geld sinnvoll investieren, wenn wir gucken, wo der Bedarf ist, dann kann angepasster Wohnraum entstehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Kaweh Mansoori [SPD])

Wir fokussieren uns in der Debatte sehr oft auf den Neubau. Die meisten Menschen wohnen aber im Bestand. Deswegen hat auch das Mietrecht einen wichtigen Einfluss. Ich widerspreche der Union: Es stimmt nicht, dass wir beim Mietrecht nichts machen, sondern wir haben in der Koalition vereinbart,

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Mietenstopp!)

eine Mietrechtsnovelle zu machen. Es ist notwendig, dass die Blockade bei der Vorratsdatenspeicherung aufgelöst wird, damit wir die Mietrechtsnovelle zügig verabschieden können und damit Mieterinnen und Mieter geschützt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben unbestreitbar Probleme auf dem Wohnungsmarkt. Die Bauwirtschaft leidet. Wir haben zu wenig bezahlbaren Wohnraum. Aber wir können mit unseren Handlungen und Maßnahmen entscheiden, was wir fördern, für welchen Wohnraum wir sorgen.

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Ende.

Hanna Steinmüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir haben schon viele sinnvolle Maßnahmen ergriffen. Auf diesem Weg gehen wir jetzt weiter.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die FDP-Fraktion hat das Wort Daniel Föst.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Jetzt kommt hoffentlich mal eine Stimme der Marktwirtschaft hier!)