Rede von Dr. Franziska Brantner Bekämpfung der Corona-Pandemie in Europa

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23.04.2020

Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Alle Europäer sind in einer außergewöhnlichen Lage, und es ist in unserem ureigenen Interesse, dass alle Mitgliedstaaten alle Anstrengungen unternehmen können, um ihre Gesundheitssysteme zu finanzieren, ihre Gesellschaft und Wirtschaft zu stabilisieren und wieder anzukurbeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ansonsten wird der Binnenmarkt darniederliegen. Und wem sollen wir dann unsere Autos, unsere Maschinen verkaufen?

Der vor uns liegenden Herausforderung begegnen wir am besten, wenn wir uns als Europäische Union einmalig gemeinsam Geld leihen, es gemeinsam ausgeben, um die Pandemie zu bekämpfen, und gemeinsam zurückzahlen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen für den Recovery Fund eine finanzielle Größenordnung, die der tatsächlichen Herausforderung entspricht. Es wird schwierig sein, dies allein über größere Beiträge zum EU-Haushalt zu erreichen, wie Frau Merkel das heute Morgen vorgeschlagen hat. Wer soll denn die höheren nationalen Beiträge in dieser Krise ohne Schulden finanzieren?

Es macht doch mehr Sinn, dass sich die EU als solche verschuldet, und das bedeutet übrigens keine gesamtschuldnerische Haftung. Außerdem müssen die Gelder im Rahmen von EU-Programmen ausgegeben werden, nicht als Kredite. Das ist auch keine rechtliche Frage. Artikel 122 AEUV sieht für Notsituationen solidarische Sondermaßnahmen vor. Wenn es so läuft, wie Sie von der Bundesregierung das wollen, dann verlagern Sie de facto die Verantwortung auf die Europäische Zentralbank. Deren Ankäufe bedeuten doch de facto eine Gemeinschaftshaftung, nur dass Sie dort keine politischen Regeln und Bedingungen dafür schaffen können, für was und wie die Gelder ausgegeben werden. Machen Sie sich endlich ehrlich. Sie können nicht beides haben: eine begrenzte, unabhängige Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und eine Verweigerung echter europäischer fiskalischer Antworten. Das geht nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir als Deutsche profitieren am meisten von Europa und sind jetzt mit den Holländern gegen gemeinsame Anleihen. Sind die anderen eigentlich alle doof? Wollen die Franzosen unseren Untergang? Das kommt doch Verschwörungstheorien sehr gleich.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Sie wollen nur das Geld!)

– Nein, sie wollen nicht unser Geld; sie zahlen selber mit rein. Die Italiener sind Nettozahler im Haushalt, die Franzosen genauso.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hören Sie doch auf, so zu tun, als ob es nur um unser Geld ginge. Es geht darum, dass wir gemeinsam gut durch diese Krise kommen.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Seit Jahrzehnten geht es doch darum, dass die keinen Haushalt hinkriegen!)

Zum Glück haben uns die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg die Hand gereicht. Dabei hatten wir die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen und Millionen Menschen das Leben geraubt. In der Coronakrise haben die Italiener nur das verdammte Pech gehabt, als Erste in die Krise zu geraten. Dadurch haben Sie uns einen Lernvorsprung ermöglicht. Seien Sie nicht so engstirnig.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Seien Sie nicht so naiv!)

Natürlich braucht es bei diesem Fonds Regeln. Er muss den Green Deal integrieren und den sozialen Zusammenhalt stärken. Jeder Aufbaufonds und jeder zukünftige Haushalt der EU muss außerdem an Rechtsstaatlichkeit und Demokratie geknüpft sein. Ihnen von der Union sage ich: Es ist unverantwortlich und beschämend, dass Herr Orban immer noch Teil Ihrer Parteienfamilie ist und dass Sie als CDU und CSU da keine klaren Worte finden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Bekennen Sie hier endlich Farbe!

Wir müssen uns doch jetzt darauf besinnen, wo wir am Ende der Krise als Europäer stehen wollen. Bricht die EU auseinander, oder investieren wir in einen neuen Aufschwung für eine nachhaltige, krisenfeste Wirtschaft? Riskieren wir chinesische Einkaufstouren, oder sichern wir unsere Unternehmen? Bleiben wir bei wichtigen Produkten auf andere angewiesen, oder schützen wir uns selbst? Wir Deutsche haben jetzt eine große Verantwortung, eine besondere Verantwortung mit der anstehenden Ratspräsidentschaft. Werden Sie dieser Verantwortung endlich gerecht!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Florian Hahn.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)