Rede von Katja Keul Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder

Zur Darstellung dieses Videos speichert Youtube Daten in einem Cookie und verarbeitet auch Nutzungsdaten außerhalb der EU. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

25.03.2021

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die grauenvollen Fälle von Staufen, Lügde und Münster haben uns alle entsetzt und mal wieder gezeigt, dass es nichts gibt, was es nicht gibt. Diese Verbrechen müssen unbedingt noch schneller entdeckt und verfolgt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Es war daher genau richtig, in NRW die Ermittlungskapazitäten zu vervierfachen und damit dem Netzwerk von Münster überhaupt erst auf die Spur zu kommen.

Gut ist auch, dass man den Opfern heute endlich Glauben schenkt, anders als in den 90er-Jahren. Um ihnen zu glauben, muss man sie allerdings auch erst einmal anhören. Mit dem vorliegenden Gesetz werden jetzt endlich die Konsequenzen aus den verheerenden Fehlern in den Kindschaftsverfahren von Staufen und Münster gezogen. Dort hätte Missbrauch konkret verhindert werden können, wenn die Kinder rechtzeitig angehört worden wären.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Gisela Manderla [CDU/CSU])

Und Verhindern ist letztlich doch noch viel besser als Verfolgen. Ich begrüße deshalb ganz besonders die verschärften Anhörungspflichten und die Mindestqualifikation für Verfahrenspfleger und Familienrichterinnen und Familienrichter.

Zum Strafrechtsteil dieses Gesetzes war die Kritik in der Anhörung am 7. Dezember 2020 allerdings verheerend, und zwar gerade auch vonseiten der Staatsanwaltschaft. Der Grundtatbestand des sexuellen Missbrauchs ist zu Recht weit gefasst, um alle Konstellationen zu erfassen, in denen das Vertrauen des Kindes zu sexuellen Zwecken missbraucht wird, auch wenn es sich um Berührungen über der Kleidung handelt. Auch das muss unabhängig vom Vorliegen körperlicher Gewalt strafbar sein und auch so klar im Gesetz stehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber wenn Sie dann schon den Mindeststrafrahmen für alle diese Taten auf ein Jahr heraufsetzen, hätten Sie wenigstens einen minder schweren Fall einführen müssen, um schuldangemessene Strafen zu ermöglichen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN und des Abg. Dr. Jürgen Martens [FDP])

Für annähernd gleichaltrige Teenager, die sich beispielsweise küssen, haben Sie lediglich die Möglichkeit eines Absehens von Strafe vorgesehen. Es sollte doch aber klar sein, dass küssende Teenager keine Verbrechen begehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Diese Konstellation muss ganz klar aus dem Tatbestand herausgenommen werden.

Noch dramatischer wird es beim § 184b StGB in der vorgeschlagenen Fassung. Dort ist jetzt auch der Besitz eines einzigen Bildes zu einem Verbrechen hochgestuft, ohne jede Ausnahme, auch für die Teenager selber. Und erfasst sind nicht nur Fotos von schwerem Kindesmissbrauch wie in Münster, sondern auch sexualisierte Nacktfotos, wie sie sich heutzutage Schülerinnen und Schüler leider massenhaft gegenseitig schicken. Dieses Verhalten ist in der Tat hoch problematisch und teilweise bereits jetzt auch strafbar, wenn Bilder ohne Einverständnis weitergeleitet werden. Wir müssen über dieses Phänomen dringend ernsthaft reden; aber wir lösen das Problem doch nicht, indem wir Tausende Schülerinnen und Schüler in einen Verbrechenstatbestand reinziehen

(Beifall der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])

und ihnen durch entsprechende Registereintragungen frühzeitig ihre berufliche Zukunft verbauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Außerdem hat uns die Staatsanwaltschaft auch davor gewarnt, was das an Ressourcen verbrauchen wird, die dann nicht für die eigentlichen Verbrecher zur Verfügung stehen. Sie hätten besser auf die Praktiker in Ihren Reihen wie den Kollegen Müller hören sollen, der es als erfahrener Jugendrichter ablehnt, dieses Gesetz mitzutragen, und unsere Kritik teilt.

Mit unserem Änderungsantrag wollen wir für die Teenager einen minder schweren Fall einführen und den einvernehmlichen Besitz eines selbstgefertigten Fotos unter Teenagern ganz aus dem Tatbestand herausnehmen. Stimmen Sie unseren Änderungen zu, dann stimmen wir Ihrem Gesetzentwurf zu! Ansonsten werden wir uns trotz der Verbesserungen im Familienrecht leider nur enthalten können.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dagmar Ziegler:

Das Wort geht an Dr. Jan-Marco Luczak von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)