Rede von Oliver Krischer Bericht Untersuchungsausschusses PKW-Maut

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23.06.2021

Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man muss noch einmal sagen, worum es im Untersuchungsausschuss ging: Es war die Ausländermaut, die zum Gesetz gewordene Stammtischparole der CSU, die am Ende ein bürokratisches Monster werden sollte, die europarechtswidrig war – das haben wir vom höchsten europäischen Gericht, dem Europäischen Gerichtshof, inzwischen gehört –, die kaum Einnahmen produzieren sollte und die selbstverständlich keinen Beitrag zum Klimaschutz oder irgendeine ökologische Komponente geliefert hätte. Dafür, dass der Europäische Gerichtshof dieses Ding, obwohl der Bundestag es zweimal beschlossen hat, am Ende gestoppt hat, kann man den europäischen Richtern an dieser Stelle nur danken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Oliver Luksic [FDP])

Was wir jetzt im Untersuchungsausschuss minutiös herausgearbeitet haben, war, dass dort ein Minister saß, der nichts anderes im Kopf hatte, als diese Maut mit der Brechstange durchzudrücken. Es war völlig egal, ob es Regeln gibt oder nicht; es ging einzig und allein darum, dass diese Maut möglichst vor der Bundestagswahl in Kraft tritt, damit die CSU das – wo auch immer, an welchen Stammtischen auch immer – als ihr großes Erfolgsprojekt feiern kann. Das müssen heute die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bitter bezahlen, das hat das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beschädigt, und das sorgt für Politikverdrossenheit überall im Land. Das ist die Bürde, die Sie zu tragen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Herr Scheuer hat – das sagt nicht nur die Opposition im Untersuchungsausschuss, das sagen Sachverständige, das haben Zeugen x-fach, unzählige Male, immer wieder gesagt, das ist alles im Bericht nachzulesen – Haushaltsrecht gebrochen. Das klingt so verharmlosend. Es geht an dieser Stelle darum, dass er Steuergelder zweckentfremdet hat. Er hat, um das Angebot des Betreibers auf 2 Milliarden Euro runterzubringen und in den Haushaltsrahmen passend zu machen, die Leistungen der Toll Collect eingebaut, und das ist nichts anderes als die Veruntreuung, die Zweckentfremdung von öffentlichem Geld. Dass der zuständige Staatssekretär, der Mister Maut, dann auch noch zufällig der hochbezahlte Geschäftsführer dieser Toll Collect wird, meine Damen und Herren, das schreit doch zum Himmel, und das zeigt, wie im Ministerium gearbeitet worden ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN und des Abg. Wolfgang Wiehle [AfD])

Selbstverständlich ist das ein Verstoß gegen das Vergaberecht, weil die anderen Bieter, die ausgeschieden waren, überhaupt keine Chance mehr hatten, diese zusätzlichen, steuerfinanzierten Bonusleistungen in Anspruch zu nehmen. Ich sage sehr deutlich: Jeder kommunale Dezernent, jeder Baudezernent, der so etwas machen würde, wäre in kürzester Zeit seinen Job los

(Konstantin Kuhle [FDP]: Es sei denn, er ist bei der CSU!)

– ja, wahrscheinlich – und wäre wohl auch noch mit der Situation konfrontiert, den Staatsanwalt im Haus zu haben. Meine Damen und Herren, das ist das Problem mit Andi Scheuer.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es ist schon mehrfach hier angesprochen worden – das ist wirklich der Gipfel der ganzen Geschichte –: Es gab das Angebot der Betreiber, es zu verschieben, das Urteil abzuwarten. Sieben Zeugen haben das im Untersuchungsausschuss ausgesagt. Da verstehe ich, ehrlich gesagt, auch die SPD nicht. Frau Lühmann, Sie haben einmal gesagt: Wenn der Vorwurf der Lüge nicht ausgeräumt werden kann, dann ist der Rücktritt fällig.

(Kirsten Lühmann [SPD]: Nein! Ich habe gesagt, das muss bewiesen werden!)

Der Vorwurf der Lüge konnte nicht ausgeräumt werden. Sieben Zeugen sagen: „Der Minister hat hier im Parlament gelogen“, und es gibt keinen einzigen, der sagt: „Er sagt die Wahrheit.“ Damit ist für uns klar: Minister Scheuer hat hier die Unwahrheit gesagt, hat gelogen. – Sie haben auch darauf verzichtet, eine Gegenüberstellung zu machen. Das wäre dann noch eine Möglichkeit gewesen; aber das wollten Sie ganz bewusst nicht, weil dann richtig deutlich geworden wäre, wer hier die Unwahrheit sagt, wer hier das Parlament und die Öffentlichkeit hinters Licht führt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich könnte jetzt noch eine halbe Stunde lang Punkte einzeln herausgreifen, was alles schiefgelaufen ist. Man muss hier beispielsweise nur den Namen Professor Hillgruber erwähnen. Das ist derjenige, der das Verfahren am Europäischen Gerichtshof begleitet hat. Wie er zu dieser Aufgabe gekommen ist, weiß keiner. Ein Kirchenrechtler vertritt die Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Gerichtshof und erzählt im Untersuchungsausschuss begeistert, was das für ein tolles Erlebnis war, dass er einmal beim Europäischen Gerichtshof war! Meine Damen und Herren, es passt überhaupt nicht zusammen, auf der einen Seite jemandem, der – ich sage es einmal freundlich – wenig von der Rechtsmaterie versteht, diese Aufgabe zu übertragen und auf der anderen Seite 100 Millionen Euro für Berater auszugeben, die ganz offensichtlich Probleme geschaffen haben, für deren Lösung oder Nichtlösung sie sich nachher auch noch bezahlen ließen.

Meine Damen und Herren, wir haben da einen Minister, der überhaupt nicht mehr unter Kontrolle hatte, was in seinem Ministerium lief. Es war ihm auch egal. Er wollte einfach nur die Maut und ist zum Schluss vor die Pumpe gelaufen. Das ist jetzt das Ergebnis.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie des Abg. Jörg Cezanne [DIE LINKE])

Der letzte Punkt, den man an dieser Stelle einfach erwähnen muss, ist die Kündigungslüge. Genau zu dem Zeitpunkt, als das Gerichtsurteil gefallen war, stellten Minister Scheuer und seine Beraterentourage fest: Die Betreiber des Mauteintreibesystems haben Fehler gemacht, die haben gar nicht ihre Arbeit gemacht. – Es ist völlig offensichtlich – das ist wirklich billig –, wie Herr Scheuer da versucht hat, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen. Es ging nur darum, sich in ein Schiedsverfahren zu retten und dann irgendwann im Nichtöffentlichen die tatsächliche Entschädigungssumme auszuhandeln – für einen Vertrag, der dilettantisch ausgehandelt und zum Schaden der Bundesrepublik Deutschland war. Meine Damen und Herren, das ist auch politisches Versagen.

Ich sage es ganz deutlich: Ich halte es für einen absoluten Skandal, dass sich ein Minister Scheuer im Untersuchungsausschuss hinstellt und sagt, es ist nichts schiefgelaufen, er würde alles wieder so machen, dass Frau Warken und die Kollegen von der Union – wir werden das gleich wieder hören – behaupten, es wäre alles wunderbar.

Meine Damen und Herren, das, was dieser Untersuchungsausschuss zutage gefördert hat, reicht für mindestens drei Ministerrücktritte. Es ist absolut überfällig, dass dieser Mann endlich seinen Stuhl räumt. Und wenn es nicht jetzt passiert, dann wird es bei der Bundestagswahl passieren, damit wir in der Bundesrepublik Deutschland endlich wieder Verkehrspolitik zustande bringen und nicht am Ende zu Gesetz gewordene Stammtischparolen der CSU.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der der FDP und der LINKEN)

Vizepräsidentin Dagmar Ziegler:

Vielen Dank. – Das Wort hat Kollege Michael Frieser von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)