Rede von Awet Tesfaiesus Betreuung

Awet Tesfaiesus MdB
17.11.2023

Awet Tesfaiesus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vermögenssorge, Organisation ambulanter Hilfen, Unterstützung bei Anträgen – Betreuer/-innen stehen Menschen zur Seite, die infolge von Krankheit oder Behinderung ihre Angelegenheiten nicht selbst wahrnehmen können. Betreuer/-innen ermöglichen Selbstbestimmung, die Achtung der Rechte von Menschen und ihrer Wünsche. Sie kehren Scherben zusammen, genauso wie sie Türen öffnen. Ohne Betreuer/-innen wäre eine Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wohl kaum möglich.

Klar ist, dass das nicht am Geld scheitern darf. Wir sind in der Gewährleistungsverantwortung für diese grundgesetzlich und völkerrechtlich verbrieften Garantien. Aktuell befinden sich allerdings Betreuer/-innen und Betreuungsvereine in einer gravierenden Unterfinanzierung. Immer mehr Betreuungsvereine und berufliche Betreuer/-innen schließen ihre Türen und geben ihre Arbeit auf. Die, die eigentlich Türen öffnen sollen, müssen nun ihre eigenen schließen. Die, die Profis darin sind, die Probleme anderer zu lösen, stehen selbst vor Problemen, die sie nicht mehr lösen können.

Das Inflationsausgleichs-Sonderzahlungsgesetz bringt jetzt eine Sofortentlastung für Betreuer/-innen und Betreuungsvereine. Deshalb muss das Gesetz so zeitnah wie möglich verabschiedet werden, damit es zum 1. Januar 2024 in Kraft treten kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Aber schon jetzt ist klar: Betreuer/-innen brauchen mehr. Hierzu haben sich die Sachverständigen in der Anhörung sehr klar geäußert, und wir nehmen das auch sehr ernst. Die geforderte rückwirkende Auszahlung der Inflationsausgleichs-Sonderzahlung für das Jahr 2023 wird nicht gehen; denn viele Betreute, die für die Kosten selbst aufkommen, würden unbillig belastet.

Durch die diesjährige Reform haben wir die Rechte der Betreuten auf Selbstbestimmung und Autonomie gestärkt und Qualitätsstandards normiert – ein wichtiger Schritt für die menschenrechtsbasierte Betreuung. Die Anhörung mit den Sachverständigen hat aber gezeigt, dass hierdurch Mehraufwand entstanden ist, etwa durch zusätzliche Berichtspflichten. Dieser Mehrbedarf muss nun im Rahmen der anstehenden Evaluation in den Fokus genommen werden.

Auch deshalb wollen wir die Evaluation schnellstmöglich – meine Kolleginnen haben es schon gesagt – durchführen. Es ist insbesondere wichtig, dass noch in dieser Legislaturperiode eine nachhaltige Vergütungssystematik beschlossen werden kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Wilfried Oellers [CDU/CSU])

Mit dem Inflationsausgleich haben wir eine kurzfristige Lösung gefunden. Er bietet eine konkrete Überlebenshilfe. Genauso dringend ist aber, dass wir den nächsten Schritt gehen, um das Betreuungswesen auf eine nachhaltige finanzielle Grundlage zu setzen. Die Statistik zeigt: Wir alle werden früher oder später mit Betreuungsbedarf in Berührung kommen. Kümmern wir uns daher um ein gutes Betreuungswesen, eines, das die Würde der Menschen und das Recht auf ein Leben in Selbstbestimmung in den Mittelpunkt stellt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Susanne Hennig-Wellsow, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)