Rede von Beate Müller-Gemmeke Betriebsräte besser schützen

15.03.2018

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Bis Ende Mai werden noch Betriebsräte gewählt. Deshalb ist es gut, dass wir diese Debatte auch hier im Bundestag führen. Die betriebliche Mitbestimmung ist gelebte Partizipation und Demokratie. Es ist wichtig, dass sich die Beschäftigten in den Betrieben einmischen, mitreden und ihre Arbeitswelt aktiv mitgestalten. Wenn ihre Anliegen gehört werden und wenn sie sich gut vom Betriebsrat vertreten fühlen, dann entsteht ein Gefühl von Wertschätzung. Das stärkt den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Deshalb wollen auch wir die Mitbestimmung stärken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir haben genau die gleiche Debatte schon einmal in der letzten Legislaturperiode geführt. Wir hatten damals einen Antrag eingebracht – Die Linke ist damals nachgezogen –, es gab eine Anhörung, wir haben debattiert, – und doch ist rein gar nichts in den letzten vier Jahren passiert. Aber genau das wäre dringend notwendig; denn die weißen Flecken bei der Mitbestimmung sind groß. Betriebsratsarbeit wird behindert, Wahlen von Betriebsräten werden verhindert, natürlich nicht überall, Herr Cronenberg, aber wenn so etwas passiert, dann muss man etwas dagegen tun. Die Mittel, die eingesetzt werden, sind teilweise heftig. Aktive Beschäftigte werden eingeschüchtert, benachteiligt, gemobbt, abgemahnt, und ihnen wird teilweise sogar gekündigt. Das darf nicht sein in einer demokratischen Gesellschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Deshalb brauchen die Betriebsräte mehr Schutz. Dabei geht es uns Grünen vor allem um drei Aspekte:

Erstens. Die schwierigste Zeit ist, wenn sich Beschäftigte auf den Weg machen, um einen Betriebsrat zu gründen, und vor allem dann, wenn die Betriebe das verhindern wollen. Deshalb wollen wir, dass diese aktiven Beschäftigten ihr Vorhaben bei einer neutralen Stelle nichtöffentlich ankündigen können. Dann bekommen sie ab diesem Zeitpunkt den besonderen Schutz nach § 78 Betriebsverfassungsgesetz. Das würde die Beschäftigten nicht nur vor Benachteiligung schützen, diese Regelung würde auch ermutigen und motivieren, aktiv zu werden. Herr Schummer, Sie haben es vorhin angesprochen. Übernehmen Sie doch einfach unsere Idee, unsere Regelung, und ändern Sie das entsprechend in dieser neuen Legislaturperiode.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Es gibt Branchen und Betriebe, die einen hohen Befristungsanteil aufweisen. Dort sind natürlich viele befristet Beschäftigte im Betriebsrat. Genau sie müssen häufig als Erste gehen. Das macht die Betriebsratsarbeit extrem schwierig, und deshalb sollen die befristet Beschäftigten, die im Betriebsrat sind, den gleichen Schutz wie Auszubildende bekommen; denn die Arbeit der Betriebsräte lebt von Kontinuität.

Drittens. Wenn Betriebsräte behindert oder Betriebsratswahlen verhindert werden, dann sind das Straftaten nach § 119 Betriebsverfassungsgesetz, und doch haben Arbeitgeber, die so etwas tun, in der Regel nichts zu befürchten. Das geht gar nicht. Es darf keine rechtsfreien Räume geben. Hier muss endlich etwas getan werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Große Herausforderungen wie die Digitalisierung bewältigen die Unternehmen nur mit engagierten Belegschaften, und die Mitbestimmung schafft dafür die Voraussetzungen. Mitbestimmung bedeutet für die Beschäftigten Mitarbeit auf Augenhöhe im Betrieb, und für die Arbeitgeber entsteht dadurch Vertrauen in der Belegschaft. Die Vorteile der Mitbestimmung sind eigentlich bekannt, und auch der Gesetzgeber hat sich beim Betriebsverfassungsgesetz ganz klar positioniert. Da steht nämlich nicht „sollen“ oder „können“, sondern da steht: Betriebsräte werden gewählt. – Und doch wird diese Akzeptanz brüchig. Deshalb brauchen die Beschäftigten Unterstützung und Rückendeckung.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Regierungsfraktionen, im Koalitionsvertrag steht nur, dass Sie das Wahlverfahren erleichtern wollen. Das ist einfach zu wenig. Hier muss mehr kommen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Gabriele Hiller-Ohm [SPD])