Rede von Kai Gehring Bildung und Forschung für Geflüchtete aus der Ukraine

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18.05.2022

Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weltoffenheit steht Deutschland so viel besser zu Gesicht, als nationale Engstirnigkeit und Menschen gegeneinander auszuspielen. Das meint die demokratische Mehrheit in diesem Hohen Haus, wenn es um Integration und Inklusion durch Bildung geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Der 24. Februar 2022 wird als Zäsur in die Geschichtsbücher eingehen; auch für die Bildungs- und Wissenschaftskooperation ist der Kriegsbeginn eine Zäsur. Der jahrzehntelange Austausch in Bildung, Wissenschaft und Forschung mit der Ukraine wird unter schwersten Bedingungen fortgesetzt. Oberste Priorität ist die schnelle, unkomplizierte Unterstützung für die Menschen aus der Ukraine. Wir stehen fest an ihrer Seite!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Kooperationen mit Russland und Belarus wurden auf Eis gelegt. Das russische Regime darf in der aktuellen Situation nicht von deutschem und europäischem Know-how profitieren. Zugleich sind wir auch mit den vielen Tausend russischen Studierenden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern solidarisch, die sich mutig gegen den völkerrechtswidrigen Krieg des Kremls gestellt haben. Zu ihnen sollten persönliche Gesprächskanäle offen bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Wissenschaftsfreiheit und das Recht auf Bildung sind Gradmesser für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Russlands Angriffskrieg ist auch ein Feldzug gegen diese Werte. Er zerstört ukrainische Bildungsinfrastrukturen, mordet Lernende und Lehrende. Das ist barbarisch und muss gestoppt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Putins Angriffskrieg führt uns die Grenzen der Wissenschaftsdiplomatie klar vor Augen. So wie Politik und Wirtschaft geostrategisch keine voneinander trennbaren Sphären sind, braucht auch Wissenschaftspolitik eine Neuausrichtung gegenüber autokratischen Regimen.

Der Krieg bringt unermessliches Leid über die ukrainische Bevölkerung. Kinder und Jugendliche werden ihrer Bildungschancen beraubt. Die Kampfhandlungen unterbrechen Bildungswege und akademische Laufbahnen. Wir wollen Menschen unterstützen, damit sie, wo es möglich ist, vor Ort, in der Ukraine, weiter lernen und arbeiten können.

Diejenigen, die bei uns in Deutschland Schutz suchen, wollen wir in unserem Bildungs- und Hochschulsystem willkommen heißen. Das ist doch selbstverständlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Ihnen Schutz und Zukunftsperspektiven zu bieten, ist mehr als nur unsere humanitäre Pflicht. Es ist eine Investition in die Zukunft einer demokratischen und freien Ukraine, letztlich in ein demokratisches und freies Europa.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir stehen vor großen Aufgaben, die das Zusammenwirken aller erfordern. Ich muss mich über die Unionsfraktion, liebe Frau Ludwig, schwer wundern.

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Jaja!)

Sie machen hier Krawall und Remmidemmi und haben 16 Jahre das Kooperationsverbot in der Bildung unter Naturschutz gestellt.

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Oh nee!)

Es braucht aber einmal mehr eine Verantwortungsgemeinschaft aller Ebenen, und dazu lade ich die CSU und Bayern herzlich ein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Dr. Götz Frömming [AfD]: Da muss er ja selber lachen!)

Umso dankbarer sind wir für die riesige Hilfsbereitschaft von Ländern und Kommunen, von Zivilgesellschaft, von Bildungs- und Forschungseinrichtungen, Mittlerorganisationen wie dem Deutschen Akademischen Austauschdienst.

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Wir freuen uns auf Ihre Ausgestaltung!)

Ihre Arbeit ist so wichtig. Danke dafür.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Länder, Kommunen und Kollegien engagieren sich für die Integration in Schulen. Notwendig sind zusätzliche Fachkräfte, multiprofessionelle Teams mit Expertise in der Behandlung von Traumata und in asylrechtlichen Fragen sowie in Deutsch als Zweitsprache. Unter anderem die KMK hat hier gute Vorschläge gemacht.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Spitzenpräsidentin!)

Es ist so wichtig, dass die Bundesregierung die Programme für verfolgte Wissenschaftler/-innen ausweitet. Das Engagement einzelner Länder, wie zum Beispiel Berlin und Baden-Württemberg, die zusätzliche Landesschutzprogramme für verfolgte Wissenschaftler/-innen haben, ist gelebte Solidarität. Dieses Engagement muss auf die europäische Ebene getragen werden: Als Kontinent der Wissenschaftsfreiheit brauchen wir ein europaweites Programm „Scholars at Risk“.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

2015 wurde das Bundesprogramm „Integra“ auf den Weg gebracht. Dadurch wurde vielen Geflüchteten aus Syrien und dem arabischen Raum Studium und Abschluss in Deutschland erfolgreich ermöglicht.

(Norbert Maria Altenkamp [CDU/CSU]: Wer hat’s erfunden?)

Diese Blaupause sollten wir jetzt nutzen, um Geflüchtete aus der Ukraine zu integrieren. Es braucht ein „Integra Ukraine“ und breite Zugänge zu Integrations- und Sprachkursen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Hilfe darf nicht von Nationalität abhängen. Unter den Studierenden, die aus der Ukraine zu uns kommen, befinden sich auch Menschen aus Drittstaaten, die Bleibeperspektiven auch über den August hinaus benötigen. Das Bundesland Hamburg geht hier voran: Alle internationalen Studierenden, die vor Putins Krieg fliehen, erhalten hier eine Aufenthaltserlaubnis zur Fortsetzung ihres Studiums. Das ist genau der richtige Ansatz. Mögen viele Bundesländer folgen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Weltoffenheit steht Deutschland viel besser zu Gesicht als nationale Engstirnigkeit. Darum haben wir uns vorgenommen, das Einwanderungsrecht und das Anerkennungsgesetz weiterzuentwickeln – endlich!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Studierende aus der Ukraine erzählen mir, wie wichtig es ist, ihr Studium in dieser Situation fortsetzen zu können, ob digital, modular oder immatrikuliert. Das gibt ein Stück Halt in einem Alltag voller Sorgen, es schafft Perspektiven und dient auch als Vorbereitung. Denn viele warten und hoffen darauf, bald zurückkehren zu können und ihr Land wieder aufzubauen. Ich wünsche mir, dass wir zusammen mit internationalen und europäischen Partnern dann beim Wiederaufbau helfen, zum Beispiel durch einen Wiederaufbaufonds für die Wissenschaft. Bildungsinstitutionen sind kritische Infrastruktur, –

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege.

Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– sie sind system- und zukunftsrelevant. Letzter Satz: Auch deshalb stehen wir als Demokratinnen und Demokraten an der Seite der Ukraine, damit Menschlichkeit gewinnt.

(Beifall bei der SPD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Nur hohle Worte!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Für die Fraktion Die Linke hat das Wort die Kollegin Nicole Gohlke.

(Beifall bei der LINKEN)