Rede von Britta Haßelmann Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre

11.04.2019

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Noch eine frauenfeindliche Bemerkung vorher? Oder geht es noch?

(Karsten Hilse [AfD]: Reden Sie einfach!)

– Ja, okay. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben sich ja gerade schon warmgelaufen. Ich wollte nur daran erinnern, damit es ganz sicher jemand hört und es im Protokoll steht.

Meine Damen und Herren! Liebe Frau Präsidentin! Man denkt ja jeden Donnerstag, wenn es wieder einen Brandner-Gesetzentwurf gibt,

(Stephan Brandner [AfD]: Hört! Hört!)

der hier schnoddrig eingebracht wird: Geht es eigentlich noch schlechter? Ja, es geht jede Woche noch schlechter.

(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Aber bald sind wir auf einer Niveautiefe angelangt, bei der wir Kolleginnen und Kollegen mal neu überlegen müssen: Wie viel Zeit widmen wir dem Ganzen noch?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Aber auch der Einstieg, nicht nur das Thema selber, war schon wirklich bemerkenswert. Da startet der Abgeordnete Brandner mit den Worten: Ein Thema bewegt Deutschland: Parlamentarische Staatssekretäre.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, da brennt die Hütte! -Stephan Brandner [AfD]: Ja, genau!)

Es sind ja ziemlich viele Leute heute da. Wissen Sie was: Ich glaube – das finde ich gar nicht schlimm –, dass zwei Drittel der Bevölkerung überhaupt nicht wissen, was Staatssekretäre und Parlamentarische Staatssekretäre überhaupt sind.

(Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Unsere Wähler wissen das!)

Ich frage mich: In welcher Welt lebt denn der Abgeordnete der AfD?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wenn es darum geht, was Menschen in diesem Land bewegt, dann können wir über die Bekämpfung der Klimakrise reden.

(Lachen bei der AfD)

Wir können über die Frage des Pflegenotstands reden, der nämlich sehr viele Menschen betrifft. Wir können auch über die Frage „Zukunft Europas“ reden oder über die Befürchtungen und Ängste, die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen in unserem Land im Zusammenhang mit dem Brexit haben. Das sind Themen, die Menschen bewegen, aber doch nicht Ihr Parlamentarischer-Staatssekretär-Gesetzentwurf, der sauschlecht ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Wahrscheinlich ist es doch so: Insgeheim wäre er doch am liebsten selber ein Staatssekretär, oder?

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Mann, Mann, wäre das großartig, sich keine Gedanken mehr zu machen. Aber wissen Sie was, Herr Brandner: Wir und die demokratischen Kräfte in diesem Land werden alles dafür tun, damit Ihnen diese Aufgabe in der Regierung niemals zugewiesen wird. Deshalb ist das ein rein hypothetischer Fall. Kommen Sie wieder runter. Denken Sie nicht zu lange darüber nach.

(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Sie haben das nicht zu entscheiden!)

Auch Ihre Arbeitseinstellung würde nicht zu dem Aufgabenportfolio eines Parlamentarischen Staatssekretärs passen. Also, daraus wird einfach nichts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es gibt in der Staatsrechtslehre – den kleinen Exkurs haben wir schon vom Kollegen Amthor gehört – zu diesem Institut grundsätzlich verschiedene Auffassungen.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Was lesen Sie für Bücher?)

Es gibt auch grundsätzlich Kritik an der Frage, ob dieses Institut des Parlamentarischen Staatssekretärs, der Parlamentarischen Staatssekretärin, sinnvoll ist. Aber – das muss man ganz deutlich sagen – jede Fraktion, jede Partei, die einmal in einer Regierungskonstellation war oder ist, hat auf dieses Institut des Parlamentarischen Staatssekretär und der Parlamentarischen Staatssekretärin immer zurückgegriffen, auch die Grünen und alle anderen. Deshalb sollten wir alle nicht so die Backen aufblasen und hier keine Dinge ankündigen, die wir am Ende doch nicht machen würden.

Was allerdings, meine Damen und Herren, zu diskutieren ist,

(Stephan Brandner [AfD]: Aha!)

ist die Frage: Warum hat diese Große Koalition eigentlich so viele Staatssekretäre?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Weil Sie so viele Fragen stellen! – Stephan Brandner [AfD]: Gibt es eine Obergrenze?)

Es geht nicht um die Frage des Instituts. Es geht um eine andere Frage, die Sie noch gar nicht aufgeworfen haben. Sie waren noch nicht einmal in der Lage, zu sagen, dass der Gesetzentwurf der Grünen dazu von 1993 war. Er ist noch nicht einmal in der Lage, das richtig zu bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Einfach mal nachgucken: 1993 war es, nicht 1994, meine Damen und Herren.

(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Gut, dass Sie das noch wissen! – Zuruf von der AfD: Haben Sie da ein Patent drauf?)

Aber ich glaube, dass die Frage, warum die Große Koalition 35 Parlamentarische Staatssekretärinnen und Staatssekretäre in dieser Legislaturperiode hat, mit einem Legitimationsproblem verbunden ist; das wissen Sie auch alle.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Da haben wir seit Jahren eine wundersame Mehrung: Bei Rot-Grün in der 16. Legislaturperiode waren es 28, bei Schwarz-Gelb waren es 30, bei Rot-Schwarz in der ersten Großen Koalition waren es 33.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Denken Sie an Ihre Redezeit.

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Jetzt sind es 35.

(Karsten Hilse [AfD]: Sie sind neidisch! – Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Es gibt ja auch mehr Abgeordnete!)

Wenn wir über das Parlament und über Parlamentsthemen reden, dann sollten wir nicht über das von Ihnen genannte Thema sprechen, sondern über Themen, die das Parlament nach vorne bringen, nämlich die Einführung eines Lobbyregisters, mehr Informationsrechte –

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Denken Sie an die Redezeit.

(Zurufe von der AfD: Abschalten!)

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– und viele andere Fragen, die uns Abgeordnete wirklich helfen würden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)