Rede von Renate Künast Bürgerrat Ernährung

Renate Künast MdB
10.05.2023

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Steffen Bilger, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede Cem Özdemir vorgeworfen, er hätte noch nicht viel erreicht. Meine These ist: Er hat in 16 Monaten mehr erreicht, als Sie in 16 Jahren überhaupt zu träumen gewagt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU/CSU)

Ja, schauen Sie mal: Sie haben ein paar Sachen kritisiert, Sie haben gekreißt und haben nichts als Kommissionen hervorgebracht. Tierhaltungskennzeichnungsgesetz kommt, Herkunftsregelung kommt, TA Luft kommt demnächst, das Baurecht kommt, Regeln zum Fleisch in der Gastronomie kommen im Herbst; danach kommen die zu Rindern, zu Hühnern und allem anderen. Und Sie sind frustriert, weil Sie es in 16 Jahren nicht hingekriegt haben!

(Christina Stumpp [CDU/CSU]: Das ist eine Frechheit!)

Irgendwo zwischen Frau Klöckner und Frau Connemann, da ist das Ding versunken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt sind Sie frustriert, dass Ihr Fraktionsvorsitzender Herr Merz diesen rabiaten Kurs der Opposition fährt, bei dem nachher die Bürger sich wundern, warum Sie eigentlich gegen Bürgerbefragungen sind. Ich kann Ihnen noch mehr sagen: Bei der Gemeinschaftsverpflegung gibt es 17 Millionen Essen pro Tag; da wird die Nachfrageseite für die Bauern geregelt. Da haben Sie doch auf ganzer Linie versagt und für die Bauern nichts getan.

(Christina Stumpp [CDU/CSU]: Sie machen für die Bauern doch gar nichts!)

Zahlen: Von 2010 bis 2020 ist bei den Schweinebetrieben was passiert. Aus 60 000 Betrieben sind 32 000 Betriebe geworden. Das ist Ihre Arbeit. Sie haben das organisiert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In Bayern sank die Zahl in den gleichen zehn Jahren von 20 000 Betriebe auf 9 000 Betriebe. Und dann stellt sich Herr Bilger hierhin und traut sich, zu kritisieren. Herr Bilger, das ist unter Niveau!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)

Ich will Ihnen sagen: Wir haben ein Problem bei der Ernährung, und ich bin froh, dass sich die Koalitionsfraktionen und auch Die Linke darauf durchaus einigen können. Warum? Weil die Eltern alleine dastehen mit den Kindern, weil schon zum Teil Kinder Diabetes haben und ein Leben als chronisch Erkrankte führen, weil ernährungsbedingte Erkrankungen zu den Haupttodesursachen gehören, weil die Produktion von Lebensmitteln und die Ernährung auch was mit Klima zu tun haben, das sich auch auf die individuelle Gesundheit auswirkt, meine Damen und Herren. Da muss man doch handeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Christina Stumpp [CDU/CSU]: Ernährungsbildung!)

Wir kommen bei Gesundheitskosten und volkswirtschaftlichen Kosten auf 60 Milliarden Euro Schaden pro Jahr. Was spricht eigentlich dagegen, an dieser Stelle die Bürgerinnen und Bürger zu fragen: Welche Maßnahmen brauchen Sie? Was wollen Sie wissen? Wo soll der Staat etwas regeln? – Deshalb ist es richtig, dass wir die Bürgerinnen und Bürger fragen, welche Rahmenbedingungen sie brauchen.

Ich will als letzten Satz an der Stelle sagen: Frau Stumpp war mir auch zu schlicht. Wollen Sie uns ernsthaft erzählen, dass wir jetzt alle doppelt und dreifach in 299 Wahlkreisen losgehen, und jeder und jede sagt: „Ihr seid mal Bürgerrat“, und dann kommen 736 Abgeordnete zurück und berichten aus diesen Wahlkreisen, wahrscheinlich jeder aus dem Wahlkreis Unterschiedliches? Und das soll ein Bürgerrat sein? Was spricht eigentlich dagegen, in einer parlamentarischen Demokratie sich nicht nur von Lobbyisten, von Bauern bis Lebensmittelindustrie Informationen zu holen –

(Lachen bei der CDU/CSU – Jörn König [AfD]: Was spricht eigentlich gegen Volksabstimmungen?)

das tun Sie doch –, sondern auch die Bürger/-innen zu fragen? Ich sage Ihnen eins ganz klar: Wir können aus vielen Informationen – –

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Sie müssen jetzt aber zum Schluss kommen.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Mein letzter Satz.

(Steffen Bilger [CDU/CSU]: Schon wieder!)

Wenn wir aus alledem ein ganzheitliches Konzept machen können, um politische Maßnahmen zu ergreifen, dann können die Bürger das auch. Sie brauchen sie nicht nur einzeln zu befragen; sie sind auch in der Lage, zusammen zu überlegen und dem Bundestag einen Bericht zu schicken, in dem sie sagen, was sie für das Wichtigste halten. Ich freue mich darauf. Das tut uns als Parlamentarier keinen Abbruch. Vielmehr ist es eine Bereicherung, die Bürgerinnen und Bürger so zu befragen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Vielen Dank. – Das Wort erhält Artur Auernhammer für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)