Rede von Michael Kellner Bürokratieentlastung
Michael Kellner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Krings! Liebe CDU! Lieber Herr Buschmann! Liebe FDP! Ich will mal ausdrücklich sagen: Zwischen demokratischen Parteien mag es Differenzen in der Sache geben, aber ich arbeite tausendmal lieber mit Ihnen zusammen an der Sache, als mir diese Verächtlichmachung hier im Deutschen Bundestag anzuhören.
(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Deswegen: Lassen Sie uns als Demokraten bei allen Unterschieden gemeinsam arbeiten!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Martin Plum [CDU/CSU])
Franz Müntefering hat mal die berechtigte Frage gestellt: Wenn man länger als anderthalb Stunden über Bürokratieabbau spricht, ist es dann eigentlich Bürokratie? Über die Antwort ließe sich möglicherweise streiten. Statt das zu tun, hat die Bundesregierung sich auf den Weg gemacht und sich dem ernsthaften Abbau bürokratischer Hemmnisse und Barrieren gewidmet. Das hilft der Wirtschaft und macht das Leben einfacher.
Ein Teil dieser Antwort ist das Bürokratieentlastungsgesetz IV, das hier heute zur ersten Lesung vorliegt – über 100 Maßnahmen, insgesamt ein Entlastungsvolumen von über 1 Milliarde Euro. Eingeflossen sind in das Gesetz Vorschläge einer Vielzahl von Verbänden. Außerdem haben wir als Wirtschaftsministerium den Prozess genutzt, um uns alle Berichtspflichten im Haus anzuschauen und zu durchleuchten, und als Vertreter des Wirtschaftsministeriums sage ich sehr zufrieden: Unser Haus hat mit über 50 Maßnahmen die meisten Maßnahmen zum BEG IV beigesteuert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])
Nun wissen wir aber auch: Es geht noch mehr. Deshalb freue ich mich auf die anstehenden parlamentarischen Beratungen, auf Ihre konkreten Ideen, damit das Paket noch größer wird.
Ich will an dieser Stelle aber auch schildern, wie mühsam und kleinteilig die Aufgabe Bürokratieabbau sein kann. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat 44 konkrete Maßnahmen zum Bürokratieabbau vorgelegt. Wir sind diese in einem eintägigen Workshop mit dem ZDH und allen betroffenen Ressorts einzeln durchgegangen. Danke an die beteiligten Ressorts! Wir setzen jetzt zwei Vorschläge im BEG IV um.
Jetzt können Sie fragen: Nur zwei? Was ist mit den anderen 42? Es zeigt sich: Viele Vorschläge lassen sich nicht mit der Änderung eines einzelnen Paragrafen umsetzen. Die Problemlagen sind vielschichtig: Vielleicht braucht es eine europäische Lösung, oder das Thema kann nur durch die Bundesländer adressiert werden. Wir setzten diese zwei Vorschläge jedenfalls um, und für die anderen 42 haben wir konkrete Prozesse vereinbart, wie die Arbeit weitergeht. Ich danke dem Zentralverband des Deutschen Handwerks ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich habe dieses Beispiel gewählt, um zu zeigen, wie kompliziert Bürokratieabbau ist. Wir müssen uns den modernen Sisyphos als jemanden vorstellen, der nicht Steine, sondern Paragrafen den Berg hochrollt. Deshalb: Wir würden einen großen Fehler machen, wenn wir den Bürokratieabbau auf die BEGs beschränken. Wir müssen vielmehr komplexe Prozesse im Ganzen anschauen.
Als Bundesregierung haben wir übrigens bereits Beschleunigungspakete für den Wasserstoffhochlauf, den Ausbau der erneuerbaren Energien, die Genehmigung von Industrieanlagen und die Beschleunigung bei Straßen- und Schieneninfrastruktur auf den Weg gebracht. Oftmals sind die Probleme gar nicht in den Gesetzestexten, sondern in der Ausführung oder im föderalen Zusammenspiel.
Deshalb haben wir im BMWK das Instrument des Praxischecks entwickelt. Damit untersuchen wir ganze Regelungsgebiete im direkten Austausch mit der Praxis und der Verwaltung und schauen, wo die Hemmnisse liegen. Wir identifizieren diese und können sie dann beseitigen.
Es freut mich sehr, dass diese Herangehensweise immer mehr Nachahmer in der Bundesregierung und auch in den Ländern findet. Erst vor wenigen Wochen hat unser Haus einen Workshop in der Stadt Hamburg zum Thema Schwerlasttransporte durchgeführt, davor zur Frage „Wind an Land“ mit dem Land Baden-Württemberg. Die Ergebnisse zum Praxischeck Solar sind in der Zwischenzeit größtenteils umgesetzt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sebastian Roloff [SPD] und Philipp Hartewig [FDP])
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat einen Praxischeck zum Lebensmittelhandwerk angekündigt; weitere werden folgen. Das braucht Zeit und gute Nerven, aber es zeigt: Wir kommen mit der neuen Herangehensweise beim Bürokratieabbau voran. Es geht über die einzelnen Paragrafen hinaus. Es geht um das Zusammenspiel zwischen Praxis und Verwaltung, über alle Ebenen.
Wenn wir Dinge regeln, müssen sie nachvollziehbar, erfüllbar und auf der Höhe der Digitalisierung sein. Darum muss es gehen. Wir brauchen gute Regeln in diesem Land. Das BEG ist ein Baustein bei einer der zentralen Aufgaben unserer Zeit, unser Land schneller und eindeutiger zu machen, Regeln zu haben, die klar und verständlich sind.
Lassen Sie es uns gemeinsam im Parlament noch besser machen! Wir als Wirtschaftsministerium werden noch eine Reform zum Vergaberecht vorschlagen. Ich hatte gestern erst ein Gespräch mit dem Startup-Verband, der sich über 150 Notarpflichten für Unternehmen, gerade in der Gründungsphase, beschwert. Ich würde mich freuen, wenn wir auch da vorankommen könnten und zumindest einige von ihnen abschaffen könnten. Lassen Sie uns daran arbeiten!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb, um den Kreis zu schließen: Gut, dass diese Debatte nur eine Stunde und acht Minuten dauert. Franz Müntefering fände sie vermutlich immer noch zu lang. Lassen Sie uns die gesparte Zeit nutzen und im Konkreten herausfinden, welche Regeln wir verbessern oder abschaffen können! Das hilft der Wirtschaft und den Menschen im Land. Packen wir es an!
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Präsidentin Bärbel Bas:
Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Martin Plum.
(Beifall bei der CDU/CSU)