Rede von Dr. Kirsten Kappert-Gonther Bundeseinheitliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie

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21.04.2021

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Sonntag haben wir der Verstorbenen und schwer Erkrankten in der Coronapandemie gedacht. Inzwischen sind allein in Deutschland 80 000 Menschen gestorben. Sie – jede und jeder Einzelne – fehlen ihren Familien, fehlen ihren Freundinnen und Freunden, fehlen uns allen. Es muss uns doch Auftrag sein, unserer politischen Verantwortung nachzukommen und Maßnahmen zu beschließen, die geeignet sind, um die Infektionszahlen schnell und wirksam zu senken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer dem Pflegepersonal, wer den Ärztinnen und Ärzten nicht nur im Gesundheitsausschuss zuhört, der weiß doch, wie ernst die Lage in unseren Krankenhäusern ist. Immer mehr junge Menschen liegen im Krankenhaus, und sie kommen oft erst sehr spät bzw. erst, wenn es schon fast zu spät ist. Die nächste Mutation klopft an. Einfach so weiter ist fahrlässig!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die bundeseinheitliche Rahmung für die Maßnahmen ist überfällig. Das haben wir Grüne lange gefordert, und es ist gut, dass sie heute kommt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir konnten glücklicherweise in den Beratungen noch deutliche Verbesserungen verhandeln. Doch die Koalition bleibt trotz alledem auf halber Strecke stehen. Wir haben doch heute hier treffende Analysen gehört. Warum ziehen Sie denn nicht die wirksamen Konsequenzen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen mehr als eine halbherzige Notbremse ab einer Inzidenz von 100, die also erst greift, wenn der Zug schon an die Wand fährt. Wir brauchen eine echte Schubumkehr. Die dritte Welle muss gebrochen werden, die Infektionszahlen müssen dauerhaft gesenkt werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nur so schaffen wir Perspektiven für Öffnungen, für Kultur, für Begegnungen.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, gerne.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege.

Dr. Martin Rosemann (SPD):

Frau Kollegin Kappert-Gonther, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Gern.

Dr. Martin Rosemann (SPD):

Ich muss sagen: Ich frage mich schon während der ganzen Debatte heute, wie eigentlich Reden und Handeln der Grünen zusammenpassen. Sie sprechen davon, dass Sie Verantwortung übernehmen wollen. Frau Haßelmann hat vorhin in der GO-Debatte zu Recht und leidenschaftlich gesagt: Wir müssen heute entscheiden und dringend handeln. – Jetzt wollen Sie sich bei der Abstimmung enthalten. Ich frage Sie, Frau Kappert-Gonther: Ist Enthaltung eine Haltung?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Heißt „Verantwortung übernehmen“ für die Grünen „Enthaltung“? Und wenn es um so viel geht, wie Sie ja auch deutlich machen, warum sitzt Ihre Kanzlerkandidatin dann in der letzten Reihe und schweigt?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege, „Verantwortung übernehmen“ heißt, hier etwas Angemessenes vorzulegen. Das würde bedeuten: Maßnahmen, die zielführend sind, die abgewogen sind, die verfassungsrechtlich sauber sind und die geeignet sind, die Inzidenzen wirklich zu senken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie uns hier ein Gesetz vorlegen, das nicht wirksam genug ist, das nicht konsequent genug ist und auch noch verfassungsrechtlich höchst umstrittene Ausgangssperren beinhaltet, dann können wir weder zustimmen noch ablehnen. Und dann ist es Ausdruck einer konsequenten Haltung, zu sagen: Wir erkennen an, was Sie tun, und wir sehen, was Sie versäumen und dringend nachbessern müssen. Das bedeutet in der Konsequenz: Enthaltung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur so, wenn wir wirklich die Inzidenzen senken würden, würden wir eine Perspektive für Öffnungen, für Kultur, für Begegnungen schaffen. Gerade weil die Menschen auf dem Zahnfleisch gehen, weil die seelischen Erkrankungen zunehmen, die Menschen wütend und müde sind – es gibt dieses neue Wort: „mütend“ –, brauchen wir konsequentere Maßnahmen für eine echte Perspektive, deutlich konsequenter als das, was Sie hier heute vorlegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Konsequenter wäre, im Arbeitsbereich mehr Verantwortung zu übernehmen: verpflichtendes Homeoffice – das auch wirklich kontrollieren –, sonst FFP2-Masken-Pflicht und verpflichtende Schnelltests, und zwar mehrfach die Woche.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Statt für konsequente Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz, für Kinder, für Familien zu sorgen, verankern Sie aber die eben schon kurz angesprochene verfassungsrechtlich bedenkliche Ausgangssperre. Das schadet! Das schadet auch der Akzeptanz. Die Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein, sie müssen von der Bevölkerung nachvollzogen und dann auch eingehalten werden können.

(Zurufe von der SPD)

Es ist unser größtes Potenzial, dass die Menschen wirklich mitmachen, und das ist nicht das, was Ihr Gesetz hier in Gänze ermöglicht. Nur Perspektive schafft Akzeptanz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja – das erkennen wir mit unserem Abstimmungsverhalten ausdrücklich an –, dieses Gesetz leistet einen Beitrag; sonst würden wir den Gesetzentwurf ja auch ablehnen. Aber er reicht eben nicht aus und enthält die angesprochenen problematischen Seiten.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Das ergibt in einer seriösen Abwägung, in einer Abwägung all der Argumente, die wir vor uns haben, eine Enthaltung.

Eins muss klar sein:

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Die Verhandlungen für ein Paket mit entschlossenen Maßnahmen müssen jetzt unverzüglich weitergehen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Jetzt hat das Wort die Kollegin Dr. Frauke Petry.

(Beifall der Abg. Uwe Kamann [fraktionslos] und Frank Pasemann [fraktionslos])