Marcel Emmerich MdB
16.12.2022

Marcel Emmerich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zum Antrag der Union will ich zunächst sagen: Das Ansinnen, die Bundespolizei zu stärken und zu unterstützen, teilen wir natürlich. Die Angehörigen der Sicherheitsbehörden insgesamt und der Bundespolizei im Speziellen, die rund um die Uhr für Sicherheit sorgen und uns bei der Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unterstützen, verdienen Respekt und Anerkennung. Das Jahr 2022 war für die Bundespolizei mit Blick auf das 50‑jährige Jubiläum der GSG 9 – an dieser Stelle noch mal herzlichen Glückwunsch! –, den Einsatz beim G‑7-Gipfel in Elmau, die bundesweite Razzia gegen die Reichsbürger letzte Woche und den normalen Arbeitsalltag ein mehr als ereignisreiches Jahr. Vielen Dank an die Polizistinnen und Polizisten für die professionelle Arbeit und das hohe Engagement!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Zu den wichtigsten Aufgaben einer guten Innenpolitik gehört es, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Um Gefahren abzuwehren und Straftaten verfolgen zu können, muss die Polizei folgerichtig handlungsfähig aufgestellt sein. Es braucht dafür vor allem gute technische Ausstattung und genug Personal, und dafür sorgen wir als Ampelkoalition auch, konkret zum Beispiel bei der personellen Ausstattung mit einem kontinuierlichen Stellenzuwachs für die nächsten Jahre. Für eine bessere technische Ausstattung nehmen wir Geld für Boote und neue Drohnen in die Hand. Durch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen stärken wir ganz konkret die Bundespolizei.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Sebastian Hartmann [SPD])

Wenn man sich Ihren Antrag weiter anschaut, liebe Union, dann stellt man fest, dass es vor allem ein Katalog voller Gesetzesverschärfungen ist. Nichts haben Sie ausgelassen: Quellen-TKÜ, Onlinedurchsuchungen, Gesichtserkennung, Wohnraumüberwachung; ohne jede Balance. Da bleibt wirklich kein Schäfchen im Trockenen, und das ist problematisch.

(Stephan Brandner [AfD]: Sie sollten mal über die Klimaaktivisten reden!)

Wenn wir über die Polizei reden, dann reden wir immer auch über das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft, zwischen Bürgerinnen und Bürgern und dem Staat. Dabei gilt es nun mal, die Grundrechte gegen unverhältnismäßige Eingriffe des Staates zu schützen. Wir leben in einem der sichersten Länder dieser Welt, in dem es zugleich die Freiheit des Einzelnen so gering wie möglich einzuschränken gilt.

(Stephan Brandner [AfD]: So weit die Theorie!)

Diese Balance aufrechtzuerhalten, ist unser Ziel. Es gilt immer noch der Grundsatz: Immer schärfere Gesetze führen nicht automatisch zu mehr Sicherheit. Deswegen ist es elementar, jede Maßnahme auf Verhältnismäßigkeit, auf Wirksamkeit und Rechtsstaatlichkeit zu prüfen, und genau das tun wir.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sie tun das nicht. Mit Ihrer Forderung nach Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchungen ignorieren Sie die hohen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht daran in der Vergangenheit zu Recht gestellt hat. Immer mehr vom immer Gleichen hat in den letzten Jahren vor allem das Bundesverfassungsgericht auf Trab gehalten. Folgt man solchen rechtsunsicheren Vorschlägen, die am Ende wieder in Karlsruhe landen, verlieren alle Bürgerinnen und Bürger die Freiheit und am Ende auch die Sicherheit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Sie fordern vor allem Dinge, die rechtsunsicher sind – und ob sie zur Sicherheit beitragen, ist fraglich –,

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Dann haben Sie es aber nicht richtig gelesen!)

und lehnen stattdessen Dinge ab, die das Vertrauen in die Polizei stärken, zum Beispiel den Polizeibeauftragten oder die Pflicht zur pseudonymen Kennzeichnung.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Wie hilft das denn bei der Strafverfolgung?)

Ich will Ihnen noch mal was zum Thema „Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft“ sagen; denn darum geht es auch bei der Pflicht zur pseudonymen Kennzeichnung. Es ist so: Die Polizei übt das Gewaltmonopol des Staates aus und kann mit ihren Maßnahmen in die Grundrechte aller Menschen eingreifen. Es ist deshalb unerlässlich, in jedem Fall ein transparentes und rechtsstaatliches Handeln sicherzustellen.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Und das ist jetzt nicht der Fall, oder was? – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Haben Sie mal mit den Bundespolizisten direkt gesprochen?)

Dazu trägt die Einführung einer Kennzeichnungspflicht bei. Das hat das Bundesverwaltungsgericht schon 2019 bestätigt. Die Pflicht zur pseudonymen Kennzeichnung dient demnach zum einen der Stärkung der Transparenz und der Bürgernähe der Polizei.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Die Bürgernähe der Polizei! Die einen kümmern sich um Extremisten, die anderen um die Bürgernähe der Polizei!)

Zum anderen gewährleistet sie die leichtere Aufklärarbeit bei Fehlverhalten. Damit berücksichtigt sie außerdem die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Mit Ihrer Ablehnung dessen sind Sie nicht mehr auf der Höhe der Zeit.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Aha!)

Sie ist mittlerweile Standard in der Mehrheit der Bundesländer. Außer in Bayern und dem Saarland ist sie überall beschlossen oder auf den Weg gebracht, in vielen unionsmitregierten Ländern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Wir haben bei uns bessere Sicherheitsverhältnisse als in anderen Bundesländern!)

Deswegen ist das im Endeffekt auch im Sinne einer konsistenten bundesweiten Polizeipolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal was zu Befugnissen und Kompetenzen dieser Bundespolizei!)

Sie sehen: Wir haben einen klaren Kompass. Wir haben die Sicherheit der Menschen und den demokratischen Rechtsstaat fest im Blick, und wir schaffen Rahmenbedingungen für eine handlungsfähige und transparente Polizei.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Die Woche der Plattitüden!)

Das bringen wir auch mit dem Bundespolizeigesetz auf den Weg. Das werden Sie noch sehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Dr. André Hahn.

(Beifall bei der LINKEN)