Marcel Emmerich MdB
28.09.2023

Marcel Emmerich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Man muss das mal erklären: Es ist immer so, dass Fraktionen am Anfang einer Plenarwoche angeben, über welches Thema sie sprechen wollen. Die AfD gibt seit Wochen und Monaten an, über die Bundespolizei sprechen zu wollen – auch diesmal wieder. Aber wenn es dann wirklich dazu kommt, dann haben Sie kein Wort übrig für die Bundespolizei und ignorieren deren Anliegen und Bedürfnisse vollkommen.

(René Bochmann [AfD]: Wir waren dort vor Ort! Zweimal! – Weiterer Zuruf von der AfD: Sie auch!)

Es geht darum, dass wir der Bundespolizei Respekt und Wertschätzung zollen für ihre wichtige Arbeit

(Jürgen Pohl [AfD]: Die Grünen?)

zur See, an Land, an den Flughäfen und an den Bahnhöfen.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Zu wenig Personal, zu wenig Sachmittel! Das ist das Ergebnis Ihrer Unterstützung für die Bundespolizei!)

Das macht diese Koalition auch – zum einen, indem wir die Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage umsetzen, und zum anderen, indem wir im neuen Bundeshaushalt einen weiteren Stellenaufwuchs bei der Bundespolizei um 1 000 Stellen auf den Weg bringen.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Deutlich weniger, als die Bundespolizei angefordert hat! Das ist doch Realitätsverlust, was Sie erklären!)

Wir haben nicht nur Dankesworte für die Polizei, sondern wir drücken unsere Wertschätzung der Bundespolizei auch in Taten aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Die Anträge der AfD, die hier vorliegen, tragen wirklich überhaupt nicht dazu bei, die Bundespolizei an irgendeiner Stelle zu entlasten. Im Gegenteil: Die Bundespolizei wird schon heute von über 2 Millionen Überstunden geplagt; auch das übrigens ein Relikt aus der Zeit der Verantwortung der Vorgängerregierung und des Innenministers Seehofer. Wenn man jetzt weitere Aufgaben in Richtung der Bundespolizei schiebt, dann nimmt die Belastung natürlich zu.

In Ihrem Antrag mit dem Elf-Punkte-Plan zitieren Sie die Gewerkschaft der Polizei gleich an erster Stelle. Da dachten Sie sich wahrscheinlich: Das ist ein intelligenter Schachzug. Das machen wir jetzt mal, die Gewerkschaft der Polizei da zu zitieren. – Aber hören Sie doch auch sonst mal auf die Gewerkschaft der Polizei! Die lehnt wesentliche Punkte Ihres Antrages nämlich ab. Gerade die Einführung stationärer Grenzkontrollen ist im ureigenen Desinteresse der Gewerkschaft der Polizei; denn damit würde die Bundespolizei an der Grenze gebraucht. Damit hätten wir sie nicht mehr an den Flughäfen, an den Bahnhöfen, da, wo wir auch Kriminalität bekämpfen müssen.

(Steffen Janich [AfD]: Es geht um die vorübergehende stationäre Kontrolle! Ihr habt überhaupt keinen Plan!)

Zu Ihrem Vorschlag mit den stationären Grenzkontrollen müssen wir auf der einen Seite feststellen, dass Geflüchtete, die Asylanträge stellen, überhaupt nicht zurückgewiesen werden können. Auf der anderen Seite haben wir ein neues EuGH-Urteil vorliegen, das besagt, dass eigentlich grundsätzlich gar niemand zurückgewiesen werden darf. Also: Mit dem Vorschlag der stationären Grenzkontrollen streuen Sie wirklich nur Sand in die Augen. Das ist ein Vorschlag, der der Wirtschaft schadet, der den Menschen vor Ort richtig auf den Geist geht. Das ist ein „pain in the ass“ für die Menschen in der Grenzregion.

(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Damit kennen Sie sich wohl aus, ne?)

Das muss man auch mal ganz klar sagen. Es geht vor allem auch darum, dass die Polizei nicht zu stark belastet wird. Diese Politik bringt den Menschen überhaupt nichts, sondern sie ist nervtötend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stephan Thomae [FDP] – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Also, Ihnen empfehle ich mal, mit Bundespolizisten zu sprechen!)

– Herr Brand ruft ja schon rein: Führen Sie doch mal ein Gespräch mit einem Polizisten!

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Ja, genau! Reden Sie mal mit denen! 13 Stunden Dienst am Tag! Das geht auf Dauer nicht!)

Das empfehle ich Ihnen auch. Denn wenn ich bei Dienststellen zu Besuch bin und sage, dass die Bundespolizei dann auch zur Abschiebepolizei wird, rufen die nicht: Juhu, wir dürfen jetzt auch noch abschieben.

(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Die laufen weg, wenn Sie kommen! – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Die haben zu wenig Personal! Wir haben sie doch aufwachsen lassen! – Steffen Janich [AfD]: Sie lassen die Polizei doch im Stich!)

Nein, die haben schon genug Aufgaben; die sind schon genug belastet. Wenn man dann noch Doppelstrukturen aufbaut und der Bundespolizei mit der Abschiebepolizei weitere Aufgaben aufbürdet, sorgt das dafür, dass die Bundespolizei gar keine Möglichkeit mehr hat, hier ihren Aufgaben nachzukommen. Das kann nicht gelingen.

Das ist auch verfassungsrechtlich ein großes Problem, wenn man die Rechtsprechung aus Karlsruhe ernst nimmt.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Ach! – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Ich fasse mal zusammen: Alles geht nicht! Gar nichts geht!)

Denn die sagen ganz klar: Die Bundespolizei darf nicht zu einer allgemeinen, mit den Landespolizeien konkurrierenden Polizei ausgebaut werden. – Das heißt, es gibt hier auch noch eine verfassungsrechtliche Hürde, die Aufgaben der Bundespolizei entsprechend auszuweiten. Deswegen war es in der letzten Legislaturperiode auch richtig, dass das Bundespolizeigesetz im Bundesrat gescheitert ist. Wir arbeiten jetzt an einer verfassungskonformen Variante. Wir arbeiten daran, dass die Bundespolizei modern wird, dass sie in der Lage ist, ihre Aufgaben im Rahmen dessen, was wir brauchen, wahrzunehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über das Thema Migration sprechen, dann sehen wir Parteivorsitzende, Fraktionsvorsitzende der Union, die sich regelmäßig nicht im Griff haben und in Talkshows spalten und gegen Geflüchtete hetzen.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Ach!)

Und wir sehen, dass es einen Wettbewerb darum gibt, wer die härteste Forderung gegen Geflüchtete hat. Bei der Union hat man den Eindruck, Geflüchtete dürften noch nicht mal mehr Zähne haben. Das ist natürlich an Unmenschlichkeit kaum zu überbieten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Unverschämt!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Emmerich, möchten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD zulassen?

Marcel Emmerich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein, selbstverständlich nicht.

Es geht jetzt darum, dass wir den Kommunen helfen, dass wir sie finanzkräftig bei der Integrationsarbeit, beim Wohnungsbau, beim Kitaausbau unterstützen. Das ist unabdingbar. Man muss die Situation sehr ernst nehmen. Und es geht natürlich auch darum, dass wir die Integration erleichtern. Dazu gehört es, Arbeitsverbote endlich abzuschaffen. Es ist niemandem zu erklären, warum arbeitswillige Geflüchtete in diesem Land nicht arbeiten dürfen, warum sie nichts zur Wirtschaftsleistung beitragen dürfen und keine Perspektive entwickeln dürfen.

(Beifall der Abg. Stephanie Aeffner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege, es gäbe auch noch den Wunsch nach einer Zwischenfrage aus der Union. Möchten Sie die zulassen?

Marcel Emmerich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, das mache ich. Kollege Hoffmann hat doch immer was zu sagen.

(Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber nicht immer sinnvoll!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Bitte schön.

Alexander Hoffmann (CDU/CSU):

Danke, Herr Kollege Emmerich, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, die exakt an der Stelle entstanden ist, als Sie mit weit ausgebreiteten Armen erklärt haben, dass Sie die Kommunen und die Länder selbstverständlich mit mehr Geld bei der Unterbringung unterstützen.

Das führt mich zur ersten Frage: Ist es richtig, dass letzte Woche die Gespräche zwischen dem Bund und den Ländern gescheitert sind, weil der Bund genau das Gegenteil machen will? Er will nämlich deutlich weniger Geld zur Verfügung stellen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Der zweite Aspekt, der mir wichtig ist, über den ich mich immer wundere, ist, dass es immer heißt: Wir müssen dafür sorgen, dass Migranten, sobald sie bei uns im Land sind, arbeiten können. – Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das kann nur jemand sagen, der sich mit dem Phänomen Migration offensichtlich noch nicht beschäftigt hat. Es gibt einen Grund dafür, warum Asylbewerber nicht ab dem ersten Tag in diesem Land arbeiten dürfen. Denn wenn wir das zubilligen, dann machen wir sie zu Gelddruckmaschinen für Schlepper und Schleuser, weil dann jeder weiß, dass er, wenn er einen Asylbewerber irgendwie nach Deutschland bringt, ab dem ersten Tag jemanden hier hat, der den Schleuserdienst abbezahlen kann. Wie wollen Sie das verhindern? Das wäre meine zweite Frage.

Danke.

Marcel Emmerich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Es ist ja vollkommen offensichtlich, dass es momentan Gespräche zu der Frage gibt: Wie können die Kommunen finanziell kräftig unterstützt werden? Sie haben jetzt die Meldung von letzter Woche zitiert. Aber erst gestern hat ein gewisser Stephan Weil, Ministerpräsident, gesagt, dass man bei der Frage, wie man eine Finanzierung hinbekommt, auf einem sehr guten Weg ist. Das unterstützt meine Fraktion ausdrücklich. Da müssen wir was hinbekommen. Wir unterstützen die Kommunen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zu Ihrer anderen Frage, Kollege Hoffmann, kann man gar nicht so viel sagen. Denn wenn man Menschen als „Gelddruckmaschinen“ bezeichnet, dann sind wir bei der Frage: Wie reden wir über Geflüchtete? Wie reden wir über Mitmenschen?

(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Völlig am Thema vorbei! – René Bochmann [AfD]: Zur Sache!)

Dann sind wir an einem ganz schwierigen Punkt angelangt. Und dann merkt man, dass beim Thema „Humanität und Ordnung“ für Sie weder das Wort „Humanität“ und – wenn man sich Ihre Vorschläge ganz genau anschaut – noch nicht mal das Wort „Ordnung“ irgendwas zählt. Sie haben nämlich eigentlich gar keine Idee, wie mit der aktuellen Situation wirklich sachlich und sachgerecht umzugehen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Steffen Janich [AfD]: Grenzen dicht und Ruhe! Abschieben! – Gegenruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Voll der qualifizierte Zwischenruf!)

Es braucht eine Versachlichung der Debatte. Es braucht pragmatische Lösungen, die wirklich helfen, die den Menschen keinen Sand in die Augen streuen. Das machen wir; daran arbeiten wir. Wir werden da liefern. Ein ganz entscheidender Baustein dabei sind die Migrationsabkommen. Die müssen selbstverständlich fair sein. Wir müssen dafür sorgen, dass es mehr legale Zuwanderung gibt und dass wir sie mehr steuern.

(Beatrix von Storch [AfD]: Sie müssen die Migration stoppen und nicht legalisieren!)

Daran arbeiten wir. Da werden wir liefern. Wir als Ampelkoalition sehen die Situation, arbeiten an Lösungen und haben auch schon welche auf den Weg gebracht.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Welche denn? – Dr. Alice Weidel [AfD]: Eine Schande ist das!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Hess erhält das Wort zu einer Zwischenintervention.