Julian Pahlke MdB
28.09.2023

Julian Pahlke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Demokratinnen und Demokraten! Die Debatte darüber, wie mit Geflüchteten umgegangen werden soll, ist mittlerweile völlig entgrenzt. Es gibt aber zwischen all dem Trumpismus hier in der Debatte eine gute Nachricht: Der Alternative Nobelpreis wurde heute verliehen an SOS Méditerranée, eine Organisation, die Menschen im Mittelmeer vor dem Ertrinken rettet – seit Jahren, trotz aller politischen Kämpfe gegen die zivile Seenotrettung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN und des Abg. Knut Gerschau [FDP])

In den letzten Jahren haben diesen Preis Menschen und Organisationen gewonnen, die wir als Demokratinnen und Demokraten aus großer Überzeugung unterstützt haben: Edward Snowden, Nasrin Sotudeh oder die Zeitung „Cumhuriyet“. In diese Reihe stellt sich heute SOS Méditerranée, und dafür verdienen sie unseren großen Respekt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])

Organisationen wie SOS Méditerranée und andere werden breit unterstützt, gerade von Kirchen. Selbst der Papst betont immer wieder, wie wichtig die Seenotrettung ist. Und dann ist da auf der anderen Seite Friedrich Merz, der die ideologische Freifallrutsche nach rechts genommen hat.

(Anke Hennig [SPD]: Oh Mann!)

Da setzt sich allen Ernstes der Partei- und Fraktionsvorsitzende in eine Talkshow und hetzt öffentlich damit, dass Geflüchtete einem die Termine beim Zahnarzt wegnehmen würden. Herr Merz testet öffentlich aus, wie weit er gehen kann, um sich hinterher für ein paar Tage geläutert zu geben und dann genau diesen Sprech der AfD in sein Repertoire zu übernehmen.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

So vergiftet man das Klima, so hetzt man Menschen gegen Geflüchtete auf. Das ist Rassismus, offen vorgetragen, für eine ganze Republik sichtbar und für anständige Demokratinnen und Demokraten eine Zumutung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN – Anke Hennig [SPD]: Da hat er völlig recht!)

Nichts von dem, was die Union fordert, verbessert die Lage der Kommunen, weil sie nicht die Bereitschaft besitzt, überhaupt über Realistisches nachzudenken. Es liegt doch auf der Hand: Wenn geflüchtete Menschen schnell in Arbeit kommen, dann ist das der größte Integrationsfaktor. Gleichzeitig suchen Unternehmen händeringend nach Personal. Obendrauf brauchen wir 400 000 Personen, die zu uns kommen, um den Laden hier am Laufen zu halten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dafür müssen Arbeitsverbote abgeschafft werden, und dafür müssen dieser andauernde Rassismus, diese andauernde Hetze und das Ausspielen von Menschen aufhören, weil sonst nicht mal mehr diejenigen zu uns kommen, die hier gerne arbeiten würden. Machen Sie doch endlich mal einen Vorschlag, der tatsächlich hilft, und kommen Sie raus aus Ihrer ideologischen Sackgasse, in der Sie sich in den letzten Monaten verschanzt haben.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Es gibt doch Vorschläge! Deutschlandpakt für Migration!)

Ja, die Kommunen in Deutschland sind in diesen Zeiten ganz besonders gefordert und belastet. Wir haben seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges mehr als 1 Million ukrainische Geflüchtete bei uns aufgenommen. Für die Belastung der Kommunen jetzt Menschen verantwortlich zu machen, die aus Syrien oder aus Afghanistan fliehen, das ist pure Hetze.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Pfui!)

Menschen, die ein Recht auf Schutz haben, erhalten diesen bei uns, unabhängig davon, aus welchem Land sie kommen.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Mit „Augen zu und durch“ funktioniert das nicht mehr!)

Das ist unsere humanitäre Pflicht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Genauso ist es unsere Pflicht, aus unserer Geschichte zu lernen und aus ihr Konsequenzen zu ziehen. Wer heute das Grundrecht auf Asyl infrage stellt, der fängt nächste Woche an, die Abschaffung der nächsten Grundrechte zu fordern.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Mannomann!)

Wer Grundrechte von Geflüchteten angreift, der greift unser aller Grundrechte an.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Philipp Amthor [CDU/CSU]: So ein Irrsinn! – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Über Ihre Rede freut sich die AfD! Konjunkturprogramm für die AfD!)

Und weil wir ja eigentlich heute hier über einen Antrag der AfD debattieren: Niemand erwartet von der AfD noch irgendetwas.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: 10 Millionen Menschen unterstützen uns!)

Aber bei der Union, da braucht es doch endlich mal einen Aufstand der Anständigen. Schließen Sie sich zusammen! Stellen Sie eine Gegenkandidatin zu Friedrich Merz auf!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wählen Sie ihn als Fraktionschef ab, und finden Sie Ihren bürgerlichen Konservatismus mitsamt seinen christlichen Werten endlich wieder!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Alexander Throm [CDU/CSU]: Einfach nur lächerlich, Herr Pahlke! – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Absolute Witzfigur!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Der Kollege Stephan Thomae hat das Wort für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)