Rede von Dr. Tobias Lindner Bundeswehrmandat Irak

18.10.2018

Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fangen wir einmal mit den beiden Dingen an, denen man noch etwas Positives an diesem Mandat abgewinnen kann.

Erstens. Sie legen fest, dass Sie nach einem halben Jahr dieses Mandat evaluieren wollen. Das ist durchaus eine Forderung, die wir Grüne bei Bundeswehrmandaten schon seit längerer Zeit erheben. Das ist nichts Falsches. Aber Sie müssen sich dann doch die Frage gefallen lassen: Warum machen Sie das nur bei diesem Mandat? Sie können sicher sein, dass wir Sie bei jedem zukünftigen Bundeswehrmandat fragen werden, ob da eine Evaluation drin ist oder nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Da freuen wir uns drauf!)

Zweitens – Frau Ministerin, Sie haben es erwähnt –: Wir haben uns im Irak angeschaut, was unsere Soldatinnen und Soldaten dort tun. Da ist eine Menge Sinnvolles, was die Ausbildung betrifft, dabei. Ich persönlich kann nicht erkennen, was falsch daran ist, irakische Soldaten darin zu schulen, wie man chemische Waffen, die der sogenannte „Islamische Staat“ zurücklässt, entdeckt und unschädlich macht. Aber dann müssen Sie sich doch fragen lassen, warum Sie uns heute hier so ein völlig verquicktes, verworrenes, völkerrechtswidriges, verfassungswidriges Mandat vorlegen,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das weitaus mehr enthält als diese Bestandteile, denen ich persönlich durchaus noch einen Sinn abgewinnen kann.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Da hat er recht!)

Ihr Mandat folgt keiner klaren Strategie, und es hat keine klaren Ziele. Bei dem erstmaligen Einbringen dieses Mandats habe ich Ihren Staatssekretär Herrn Tauber im Verteidigungsausschuss gefragt: Welche Ziele und welcher Zustand müssen denn für die Bundesregierung erfüllt sein, damit Sie sich vor uns stellen und sagen können: „Jetzt sind wir fertig; jetzt ziehen wir ab“?

(Wolfgang Hellmich [SPD]: Dauerhafter Frieden!)

Auf diese Antwort, liebe Kolleginnen und Kollegen, warten wir, warte ich heute noch. Das zeigt, dass dieses Mandat ein planloses Mandat ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es kommt noch etwas hinzu, und zwar, was das Völkerrecht betrifft. Ich meine vor allem mit Blick auf Syrien die Basis, auf die Sie sich stützen. Wenn Sie dieses Gewürge – die Aufrufe der Vereinten Nationen, aber eben kein Mandat des Sicherheitsrates nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen – wirklich ernst meinen, dann höhlen Sie damit das internationale Völkerrecht aus. Das werden wir nicht mittragen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Was die Verfassungsmäßigkeit betrifft – darauf wurde ja schon hingewiesen –: Sie agieren nun wieder einmal in einer Koalition der Willigen und nicht in einem System kollektiver Sicherheit, wie es nicht nur die Grünen fordern, sondern wie es auch das Bundesverfassungsgericht als Maßgabe vorschreibt, wenn wir die Bundeswehr im Ausland einsetzen wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tobias Pflüger [DIE LINKE]: So ist es!)

Sie tun das – man kann ja darüber streiten, ob das Aufgabe der NATO ist –, obwohl Sie eine andere Option hätten. Sie tun das, obwohl Sie, der Außenminister und die Bundeskanzlerin im Juli dieses Jahres zum NATO-Gipfel nach Brüssel gefahren sind und dort noch ein Engagement der NATO für die Ausbildung im Irak unterstützt haben. Sie hätten eine andere Option gehabt – zumindest aus verfassungsrechtlicher Sicht –, dieses Mandat auf eine vernünftige Grundlage zu stellen. Aber Sie haben sich bewusst dagegen entschieden. Warum Sie das getan haben, wird Ihr Geheimnis bleiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einen letzten Punkt erwähnen – auch ich bin hier ja schon einige Jahre dabei, und dies ist nicht das erste Mandat, das ich berate –: In früheren Zeiten hat sich eine Bundesregierung, haben sich Koalitionsfraktionen dafür interessiert, eine möglichste breite Mehrheit zu bekommen, gerade vor dem Hintergrund der Verantwortung, die wir für die Soldatinnen und Soldaten haben, die wir in Auslandseinsätze schicken. Sie haben diesmal alles darangesetzt, dass Oppositionsfraktionen aus guten, wenn auch unterschiedlichen Gründen sagen müssen: Dieses Mandat ist nicht zustimmungsfähig.

Sie werden hier nachher eine Mehrheit bekommen – davon gehe ich aus –, aber sie wird denkbar knapp sein. Denn das ist nicht verantwortungsbewusst, was Deutschlands Rolle in der Welt betrifft. Das ist nicht verantwortungsbewusst im Hinblick auf das Völkerrecht und unsere Verfassung. Das ist auch nicht verantwortungsbewusst gegenüber den Soldatinnen und Soldaten, die Sie dann mit äußerst knapper Mehrheit in einen Auslandseinsatz schicken werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)