Rede von Dr. Sebastian Schäfer Bundeswehrsondervermögensgesetz

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03.06.2022

Dr. Sebastian Schäfer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 100 Tage nach Beginn der brutalen Eskalation durch Putins Truppen beschließen wir heute ein Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro. Das wird der Ukraine nicht direkt und unmittelbar helfen. Es ist und bleibt eine große und dringende Aufgabe, die Unterstützung für die Ukraine und für den Freiheitskampf der Ukrainerinnen und Ukrainer zu beschleunigen und zu verstärken, auch mit schweren Waffen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Wir haben vor wenigen Wochen mit breiter Mehrheit einen Beschluss gefasst, der gezeigt hat, dass die demokratische Mitte dieses Hohen Hauses in dieser Überzeugung verbunden ist.

Uns verbindet auch die Überzeugung, unsere Freiheit entschlossen und mutig zu verteidigen. Das berührt alle Bereiche von Gesellschaft und Politik. Die Verteidigung unserer Freiheit braucht auch die Bereitstellung robuster militärischer Mittel in der Absicht und in der Hoffnung, diese nie benutzen zu müssen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Markus Grübel [CDU/CSU])

Es ist eine Grundlage unserer Freiheit, uns verteidigen zu können.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP und des Abg. Markus Grübel [CDU/CSU])

Mit dem Sondervermögen gehen wir wichtige Schritte voran und reagieren entschlossen auf die veränderte Sicherheitslage. Die Verhandlungen zum Sondervermögen wurden von unseren internationalen Partnern sehr genau beobachtet. Und Deutschland übernimmt entschieden Verantwortung in Europa und in der NATO.

Mit dem Sondervermögen ermöglichen wir nun die verlässliche Beschaffung von Ausrüstung. Gerade bei hochkomplexen Militärgütern wie Schiffen, Helikoptern oder Flugzeugen sorgen wir dafür, dass Projekte nicht weiter verzögert werden.

(Zuruf des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU])

Das hat in der Vergangenheit oft zu hohen Kosten beigetragen. Auch die Industrie kann sich jetzt vorbereiten und entsprechende Produktionskapazitäten schaffen.

100 Milliarden Euro Sondervermögen sind 100 Milliarden Euro neue Kredite. Wir geben Geld aus, das wir nicht haben, Geld, das in der Zukunft von den Bürgerinnen und Bürgern erwirtschaftet werden muss.

(Stephan Brandner [AfD]: Genau! Sparen Sie das lieber woanders ein!)

Entsprechend groß ist unsere Verantwortung. Deshalb ist es so elementar wichtig, dass wir das Geld effektiv und effizient verwenden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wie kann das gelingen? Bei der Beschaffung gibt es mehrere Stellschrauben, wie wir die Bundeswehr besser und schneller ausrüsten können.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Mit dem Wort „Aufrüsten“ scheinen Sie ein echtes Problem zu haben!)

Politik und Bundeswehr müssen realistische Ziele und Vorgaben vereinbaren, und wir müssen uns jetzt auch trauen, auf die 80‑Prozent-Lösung zu setzen, anstatt Perfektion anzustreben. So können Projekte leichter im Zeit- und Kostenrahmen bleiben.

Es geht aber auch darum, Beschaffungsprozesse und Vergabeverfahren zu optimieren. Erste Schritte zur Entschlackung hat die Ministerin mit der Anhebung der Vergabegrenze und der erleichterten Auftragsvergabe schon auf den Weg gebracht. Zudem haben wir als Ampelhaushälter durch die Verdopplung des Handgelds für Kommandeure weitere Möglichkeiten geschaffen. Etwas weniger Zentralismus und mehr Entscheidungen vor Ort ermöglichen, dass sich das Beschaffungsamt auf die wirklich komplexen Beschaffungen konzentrieren kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ministerin Lambrecht hat zudem ein Beschaffungsbeschleunigungsgesetz angekündigt; da geht es in erster Linie um Vergabeverfahren. Wir setzen darauf, dass auch weitere Reformen jetzt zügig angegangen werden; und das muss über die Beschleunigung hinausgehen. Im Haushaltsausschuss haben wir eine Berichtspflicht zu Fortschritten bei der Reform der Beschaffung beschlossen, bei der auch der Rechnungshof diesen Prozess kritisch begleiten wird.

Wo gibt es noch Verbesserungspotenzial? Wir müssen einfacher beschaffen. Durch die Beschaffung von marktverfügbaren Systemen, also fertig entwickelten, funktionierenden Dingen, werden wir schneller und günstiger einkaufen können, zumal wenn wir europäisch und international abgestimmt agieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ein zentraler Punkt ist natürlich auch das Beschaffungsamt in Koblenz. Dort fehlt es an Personal und hier und da auch an Expertise. Gleichzeitig möchte ich aber auch betonen, dass – bei aller berechtigten Kritik an einzelnen Projekten – vieles gut läuft. So hat das Beschaffungsamt in den letzten Jahren deutlich mehr Verträge abgeschlossen als in den Jahren zuvor. Aber natürlich besteht weiter Optimierungspotenzial.

Ich bin froh, dass wir eine breite Mehrheit für das Sondervermögen gefunden haben, und bin den Kolleginnen und Kollegen von der Union dankbar für die Unterstützung unserer Koalition.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das war Unterstützung der Bundeswehr!)

Als Grüne hätten wir die Vorteile des Sondervermögens gern auch für die so wichtigen Bereiche der Cybersicherheit und des Zivilschutzes genutzt. Wie zentral Cyberabwehr und Zivilschutz für eine Armee und für die Landesverteidigung sein können, bekommen wir in der Ukraine vor Augen geführt. Diese so dringend notwendigen Investitionen müssen nun an anderer Stelle im Bundeshaushalt finanziert werden. Das ist unsere Verantwortung, und das werden wir bei den Haushaltsverhandlungen im Herbst umsetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit dieser heutigen Entscheidung für das Sondervermögen können wir leider nicht alle Herausforderungen für unsere Bundeswehr bewältigen; das bleibt eine große Aufgabe. Neben der Modernisierung der Ausrüstung muss es dabei ganz zentral um unsere Soldatinnen und Soldaten gehen, denen ich an dieser Stelle meinen ausdrücklichen Dank für ihren Dienst aussprechen möchte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Die Demografie ist eine große Herausforderung für unseren Arbeitsmarkt insgesamt und für die Bundeswehr ganz besonders. Es muss uns gemeinsam gelingen, junge Menschen für den Dienst in der Bundeswehr zu begeistern. Wir tragen gemeinsam große Verantwortung für unsere Parlamentsarmee.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Der nächste Redner: Jan Korte, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)