22.02.2018

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist völlig klar: Die Verbotspolitik ist auf ganzer Linie gescheitert. Der Schwarzmarkt blüht, und auf dem Schwarzmarkt gibt es weder Gesundheits- noch Jugendschutz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Vernunft und die Evidenz gebieten endlich die kontrol­lierte Freigabe von Cannabis.

(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Sie sind Ärztin!)

Dazu legen wir Grünen heute einen umfassenden Gesetzentwurf vor. Unser Gesetzentwurf regelt vom Anbau bis zum Verkauf alles, und zwar immer mit dem Gesundheits- und Jugendschutz fest im Blick.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es gut, Herr Dr. Schinnenburg, dass die FDP hier eine Initiative eingereicht hat. In den Sondierungsgesprächen haben Sie das Thema ja noch vollkommen uns überlassen.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Das stimmt doch überhaupt nicht! Sie waren doch gar nicht dabei! Was erzählen Sie denn für einen Quatsch!)

– Ja, das habe ich so gehört. – Als Sie in der vorletzten Legislaturperiode noch im Bundestag waren, hat Ihre Kollegin Initiativen zur Entkriminalisierung als Rauschsozialismus bezeichnet.

(Alexander Krauß [CDU/CSU]: Gute Bezeichnung!)

Ich finde es ausdrücklich gut, dass Sie das jetzt anders sehen. Wir sind offen für den Schulterschluss mit allen hier im Haus, die eine vernünftige, progressive Drogenpolitik wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Es stimmt mich sehr zuversichtlich, Kollegin Dittmar, dass Sie sich heute hier so vernünftig, progressiv und komplett richtig eingelassen haben. Wenn wir Sie auch dauerhaft an unserer Seite haben, dann kann das wirklich noch etwas werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hilse von der AfD-Fraktion?

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein. – Die FDP und die Linken schlagen in ihren Anträgen richtige Schritte vor, aber kleine Schritte. Meiner und unserer Meinung nach sind wir schon viel weiter. Die Linken fordern ja auch ein Gesetz, das die kontrollierte Freigabe regelt. Einen solchen Gesetzentwurf legen wir heute vor. Tun wir doch endlich Butter bei die Fische!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Es war hier ja viel von Gesundheitsschäden die Rede. Warum setze ich mich als Fachärztin für Psychiatrie und Suchtmedizinerin mit immerhin über 20‑jähriger praktischer Erfahrung so vehement für die kontrollierte Freigabe ein? Das tue ich, weil es unter den Bedingungen der Prohibition – das ist doch der Witz – zu den Problemen kommt, die Sie hier beschreiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Sie müssen endlich einmal der Tatsache ins Auge sehen, dass jede mögliche Gefahr – nicht jeder Cannabiskonsum ist automatisch schädlich – durch die Prohibition verschlimmert wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Auf dem Schwarzmarkt Cannabis zu kaufen, ist, als würden Sie in eine Kneipe gehen und sagen: „Einmal Alkohol, bitte!“, ohne zu wissen, ob Sie Bier oder ­Wodka bekommen, dafür mit Streckmitteln inklusive. Auf dem Schwarzmarkt fragt auch niemand nach dem Ausweis. Der Jugendschutz existiert dort gar nicht. Ja, der Schwarzmarkt lebt ganz überwiegend von Cannabis. Wenn man dem Schwarzmarkt das Cannabis entzieht, dann trocknet das den Schwarzmarkt aus. So ist die Situation!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE] – Alexander Krauß [CDU/CSU]: Falsch!)

Wir fordern von der Bundesregierung: Beenden Sie endlich die Gesundheitsgefährdung durch die Prohibition! Die Evidenz ist doch da. Wir brauchen keine neuen Modellprojekte. Schauen wir doch auf die guten Erfahrungen in Colorado und ganz aktuell in Kalifornien! Hören Sie auf die Strafrechtlerinnen und Strafrechtler des Schildower Kreises! Auch André Schulz, der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, hat erst kürzlich gesagt: Unsere Polizei und Justiz hat wahrlich Wichtigeres zu tun, als Nutzerinnen und Nutzer zu verfolgen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist doch absurd, dass wir derzeit etwa neunmal mehr Geld für die Strafverfolgung der Nutzerinnen und Nutzer ausgeben als für die Prävention.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Übrigens, Kollege Pilsinger, auch über die Hälfte der Hausärztinnen und Hausärzte sprach sich in einer ganz aktuellen Umfrage für die Freigabe von Cannabis aus. Auch in der Psychiatrie ist schon länger bekannt, dass die Gesundheitsgefahren durch die Prohibition schlimmer werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist an der Zeit, die Prohibition endlich zu beenden. Ich freue mich auf die Debatte im Gesundheitsausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)