Rede von Katharina Dröge CETA und JEFTA

14.06.2018

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben gerade in atemberaubender Geschwindigkeit, dass das, was wir in den letzten Jahren oder Jahrzehnten an internationalen Regeln aufgebaut haben, in sich zusammenfällt. Regeln, die dazu da waren, diese Welt etwas besser und sicherer zu machen, werden geschwächt oder gefährdet, beispielsweise das Pariser Klimaabkommen oder der Iran-Atomdeal.

Auch in der Handelspolitik erleben wir zeitgleich eine gefährliche Spirale von Abschottung und Nationalismus. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich finde, es ist unsere Aufgabe als Deutscher Bundestag, auf diese Entwicklung eine Antwort zu geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP – Reinhard Houben [FDP]: Richtig!)

Heute diskutieren wir den Abschluss von zwei Handelsverträgen: ein Handelsvertrag mit Japan und ein Handelsvertrag mit Kanada. Jetzt haben wir zwei Aufgaben: Die erste Aufgabe ist es, diese Verträge in der Sache zu prüfen, miteinander darüber zu diskutieren: Was regeln sie eigentlich vernünftig, und wo gibt es Probleme? Über die Probleme müssen wir hier miteinander auch sprechen, beispielsweise: wenn Sie schlechte Regelungen in ein Handelsabkommen mit Kanada aufnehmen, wie die hochumstrittenen Investor-Staat-Schiedsgerichte, an denen Sie rein ideologisch, völlig sinnfrei, festhalten, obwohl es massiven Widerstand in der europäischen Bevölkerung gegen diese Regelungen gibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das steht da nicht mehr drin!)

Wenn Sie Abkommen verhandeln, die demokratische Spielräume einschränken, beispielsweise die der Kommunen, wo noch nicht einmal klar ist, ob Sie als SPD das bewusst machen oder ob Sie hier einfach fahrlässig handeln,

(Markus Töns [SPD]: Was Sie wollen, sind klassische Schiedsgerichte!)

dann müssen wir doch miteinander darüber sprechen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Markus Töns [SPD]: Sie haben es schlichtweg nicht verstanden, Frau Dröge!)

Wenn Sie Abkommen verhandeln, die die zentrale Säule des europäischen Verbraucherschutzes, das Vorsorgeprinzip, schwächen, dann müssen wir auch hier im Deutschen Bundestag darüber miteinander diskutieren, dass diese Abkommen so in dieser Form von Ihnen nicht abgeschlossen werden können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

All diese Probleme haben wir miteinander besprochen. Zu all diesen Problemen haben wir Ihnen Vorschläge gemacht, wie man das Ganze besser regeln könnte. Es war Ihre politische Entscheidung, das nicht zu machen. Wir sollten einmal auf diesen Konflikt, was eigentlich EU-only ist und wer die Handelspolitik gestalten sollte, zu sprechen kommen.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Frau Kollegin Dröge, der Kollege Graf Lambsdorff möchte Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Jetzt habe ich keinen Stift mit.

(Johann Saathoff [SPD]: Sie können meinen haben!)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Gestatten Sie es?

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Klar.

Alexander Graf Lambsdorff (FDP):

Ich mache es auch kurz. Sie brauchen keinen Stift.

Erstens: Ist Ihnen klar, dass das ISDS-Verfahren, das Sie hier noch einmal erwähnt haben, in dieser Form in CETA gar nicht mehr steht?

Zweitens: Ist Ihnen bewusst, dass das Vorsorgeprinzip dem europäischen Primärrecht angehört und durch ein Handelsabkommen in keiner Weise ausgehebelt werden kann? Der EuGH würde das niemals zulassen.

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Lambsdorff, vielen Dank für diese Frage, dann kann ich noch etwas mehr zu den Inhalten des Vertrages sagen.

Ich fange einmal mit dem Vorsorgeprinzip an. Wir haben in den State-to-State-Schiedsverfahren der WTO erlebt, wie über Regulierung auf der Grundlage des Vorsorgeprinzips entschieden wurde, beispielsweise in dem Fall „USA gegen die Europäische Union“, wo es um den Import von Hormonrindfleisch ging. Die Schiedsgerichte haben sich dort beständig auf das WTO-SPS-Kapitel bezogen, das gerade nicht auf dem europäischen Vorsorgegrundsatz basiert, sondern auf dem amerikanischen wissenschaftsbasierten Grundsatz. Wir haben im Deutschen Bundestag, als wir über CETA beraten haben, genau darüber, insbesondere im Umweltausschuss, Anhörungen durchgeführt, wo uns die Experten gesagt haben: Wenn man das europäische Vorsorgeprinzip wirklich rechtssicher so absichern will, dass man sich vor den Schiedsgerichten tatsächlich darauf berufen kann, dann muss man dieses Vorsorgeprinzip als horizontales Prinzip im gesamten Vertragstext verankern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Dann kann man es nicht so machen, wie es aktuell in den Verträgen geschieht, dass man das beispielsweise nur in das Nachhaltigkeitskapitel schreibt, aber insbesondere in das Kapitel über sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen eben nicht. Da reden wir über Gentechnikregulierung, da reden wir über Pestizide. Deswegen hat meine Fraktion ein zweites Gutachten in Auftrag gegeben, das CETA genau vor diesem Hintergrund analysiert hat und zu der Aussage gekommen ist, dass man das Vorsorgeprinzip schwächt, wenn man es gerade dort nicht verankert. Da reden wir noch nicht über die Schiedsgerichte; da reden wir nur über die State-to-State-Schiedsverfahren, die wir als grüne Bundestagsfraktion sogar unterstützen, weil wir sagen: Staaten müssen sich auch untereinander verständigen. – Genau deshalb müssen wir das Vorsorgeprinzip in den Verträgen ausreichend verankern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])

Wir haben Vorschläge gemacht, wie das Ganze funktionieren könnte, und Sie könnten sie einfach nur aufnehmen. Das würde die Verträge schon ein Stück besser machen.

Dann kommen wir zu den Schiedsgerichten. – Meine Zeit läuft weiter; ich beantworte aber noch die Frage. Es wäre gut, wenn die Uhr noch mal abgestellt würde.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Ich habe eigentlich eine kurze Frage gestellt!)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Frau Kollegin, nein.

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein, nein, nein. Die Schiedsgerichte habe ich aber noch gar nicht angesprochen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Das mag sein. Trotzdem läuft Ihre Redezeit, und sie läuft auch in absehbarer Zeit ab.

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja gut, dann beantworte ich Teil zwei der Frage nicht mehr, weil ich sonst mit meiner Rede nicht durchkomme. Es tut mir leid; wir müssen es bilateral machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Schade eigentlich; denn es wäre total wichtig gewesen, noch mal länger über die Schiedsgerichte zu sprechen.

Wir haben schon darüber gesprochen – etwas ausführlicher zum Vorsorgeprinzip –, was in diesen Verträgen schlecht geregelt ist. Ich finde aber, wir sollten gleichzeitig darüber sprechen – das ist mir ein wichtiges Anliegen in dieser Rede –, ob die Verträge geeignet sind, auf den Nationalismus, auf die Abschottung in der Wirtschaftspolitik eine vernünftige Antwort zu geben. Und da sage ich Ihnen: Sie müssten doch in der Lage sein, gerade mit Ländern wie Kanada und Japan Abkommen zu verhandeln, die zeigen, dass man die Globalisierung gerecht gestalten kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade deshalb ist es so fatal, dass Sie hier die Chance nicht genutzt haben.

Wenn wir erleben, was in den USA passiert, was beim Brexit passiert, was hier der rechte Teil des Bundestages erzählt, dann ist es unsere Aufgabe, darüber zu sprechen, dass die Globalisierung – so unreguliert, wie sie verläuft – eben auch Ungerechtigkeiten erzeugt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir das negieren, dann fehlt im demokratischen Diskurs eine wichtige Stimme. Es ist unser Job, auch darüber zu sprechen; aber es ist dann auch unser Job, bessere Regeln für die Handelsverträge vorzuschlagen.

Genau darüber haben wir als grüne Bundestagsfraktion immer gesprochen: Wir wollen fairen Handel. Wir sind fest davon überzeugt, dass internationale Kooperation, auch der Austausch von Waren, besser ist als nationale Abschottung. Aber wir sind gleichzeitig davon überzeugt, dass es unser Job ist, Regeln zu definieren – für die Vorsorge, für den Klimaschutz, für die kommunale Daseinsvorsorge. Das erwarten die Menschen von uns.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Markus Töns [SPD]: Sie haben CETA abgelehnt, bevor Sie es überhaupt gelesen haben!)

So kann man Verträge auch gestalten, so kann man auch Bündnispartner finden, und so kriegt man dann auch in der Gesellschaft Mehrheiten dafür.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)