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12.10.2023

Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Wieder einmal beraten wir einen Antrag des Kollegen Grundmann zu seinem Lieblingsthema Kohlenstoffabscheidung und -speicherung. Es ist immer wieder überraschend, wie viel Ehrgeiz Sie, Herr Grundmann, entwickeln, wenn es um Technologien geht, die am Anfang stehen, und wie krass Sie auf Technologien einschlagen, die es schon gibt und die praktikabel sind, wie zum Beispiel die Wärmepumpe, die Sie total verteufeln.

(Oliver Grundmann [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! Was reden Sie denn da?)

Darauf mache ich mir keinen Reim. Manchmal wünsche ich mir, ehrlich gesagt, eine starke Linke zurück, wie letzte Legislatur, als sie wirklich immer progressive klimapolitische Vorschläge gebracht und uns getrieben hat.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde das, was Sie bringen, immer ein bisschen fantasielos. Aber gut, wir müssen uns mit dem befassen, was wir haben.

Deswegen möchte ich gern auf Ihren Antrag eingehen:

Ihr Punkt 1: Sie fordern den Deutschen Bundestag auf, einen nationalen CCS- und CCU-Strategieprozess jetzt zu starten, mit Stakeholdern der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft usw. Das finde ich gut. Wir wollen uns das Ganze technologieoffen angucken. Ich habe Neuigkeiten für Sie: Diesen Prozess gibt es bereits; er heißt: Carbon-Management-Strategie. Den Punkt kann man also abhaken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Oliver Grundmann [CDU/CSU]: Passiert ja noch nichts!)

– Na ja, Sie wollen alle Akteure einbeziehen, aber wissen schon vorher das Ergebnis. Das finde ich demokratietheoretisch ein bisschen schwierig.

(Beifall des Abg. Dr. Jan-Niclas Gesenhues [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Gehen wir weiter zu Ihrem Punkt 5, mit dem Sie den Bundestag auffordern, einen Finanzierungsmechanismus für CCS auf europäischer Ebene zu etablieren, kofinanziert von öffentlicher und privater Hand, für Speicherstätten, für Infrastruktur, für Transport usw. Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, warum Sie als marktorientierte, wirtschaftsliberale Kraft hier eine Kofinanzierung der öffentlichen Hand im Umfang von vielleicht 50 Prozent wollen, wo sich das Ganze doch angeblich selbst trägt. Und welche Einnahmen sollen dafür hergenommen werden? Auch die Antwort darauf bleiben Sie uns leider schuldig.

Ihr Punkt 8: Deutschland muss in die Spitzenliga bei CO2-Entnahmetechnologien, inklusive Direct Air Capture, auch mithilfe von Forschungsgeldern. „Direct Air Capture“ bedeutet: Man nimmt CO2 direkt aus der Luft. Es ist jetzt nichts dagegen zu sagen. Ich würde hier mal kurz die Zahlen vortragen: Um nur 1 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen weltweit der Atmosphäre zu entziehen, brauchen wir 3 683 Direct-Air-Capture-Anlagen mit einer CO2-Entnahmeleistung von 100 000 Tonnen pro Jahr. Der Strombedarf dieser Anlagen würde das globale Stromangebot überschreiten.

(Dr. Jan-Niclas Gesenhues [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

Ich lasse einfach mal die Zahlen so stehen – zu den Kosten würde ich jetzt nichts sagen –, nur zur Einordnung, wo wir mit dieser Technologie aktuell stehen, welchen Beitrag sie leisten kann.

Aber ich gebe Ihnen recht: Wir sollten in der Spitzenliga spielen, was Innovationen angeht. Vielleicht erinnern Sie sich: Wir waren in Deutschland beim Thema Photovoltaik, bei der Panelproduktion in der Spitzenliga, wir waren sozusagen weltweit führend. 40 000 Arbeitsplätze sind hier in der Regierungszeit von CDU/CSU weggefallen oder abgewandert.

(Dr. Jan-Niclas Gesenhues [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wirtschaftsfeindlich! – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Woran liegt’s?)

Das war der Punkt: Sie haben in der Praxis Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet. – Hier jagen Sie wieder einem Fantasiegespenst hinterher,

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: „Fantasiegespenst“?)

einer Technologie, bei der wir kaum noch Möglichkeiten sehen. Deswegen meine Anregung an Sie: Stellen Sie sich einfach den Fakten. Und dann können wir hier sehr gern darüber reden: Was muss bei CCS für unvermeidbare Restemissionen passieren?

Warum ich es aber wichtig finde, dass Sie sich hier den Zahlen und Fakten stellen, ist: Eine Weltklimakonferenz kommt auf uns zu,

(Oliver Grundmann [CDU/CSU]: Genau!)

und es gibt diverse Staaten – Saudi-Arabien und andere –, die gern ihre fossilen Geschäftsmodelle mit Öl und Gas weiterführen würden, und zwar mit CO2-Abscheidung und -Speicherung. Da haben auch Sie als einer der deutschen Vertreter eine Verantwortung, auf der COP stark für Klimaschutz und Klimaneutralität einzutreten und nicht in den Geruch zu kommen, für die fossile Lobby unterwegs zu sein. Ich bitte Sie, diese Verantwortung auch wahrzunehmen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Badum. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Jens Spahn, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)