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18.06.2020

Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Endlich hat die Frau Rüffer das Wort; sie ist ja auch schon mehrfach angesprochen worden.“ – Ich will Ihnen ganz am Anfang sagen: Ich bin erschüttert – ich bin eigentlich seit vielen Monaten erschüttert – über das, was hier vorgefallen ist. Ich bin erschüttert über die Exegese, die dazu geführt hat, dass wir hier heute stehen.

Vom Ergebnis her will ich Ihnen sagen: Wir werden natürlich zustimmen. Wir werden deshalb zustimmen, weil diese Änderung des Conterganstiftungsgesetzes den Menschen endlich Schutz gibt, dass ihnen im Nachhinein die Leistungen nicht mehr entzogen werden können. Es ist an sich schon ein Skandal ist, dass wir diesen Schutzwall ziehen müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir stimmen auch deshalb zu, weil wir 2016 schon mal zugestimmt haben, als es darum ging, die Finanzierung der medizinischen Kompetenzzentren aus Stiftungsmitteln heraus zu ermöglichen. Uns hat der Bundesrechnungshof dazu aufgefordert, dafür jetzt auch die gesetzliche Grundlage zu legen. Also, es gibt überhaupt keinen Grund, dass wir uns hier beweihräuchern für das, was wir heute tun.

Aber der eigentliche Grund – und das ist wichtig –, warum wir hier heute stehen, ist ein Skandal, der im letzten Dezember vom „Spiegel“ und anderen aufgedeckt worden ist. Der Skandal besteht darin, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Conterganstiftung im Oktober des Jahres 2019 gegenüber 60 Geschädigten, vor allen Dingen aus Brasilien, Mexiko, aber auch Finnland, ein Anhörungsverfahren eingeleitet hat und ihnen mitgeteilt hat: Wir entziehen Ihnen nach 40 Jahren – nach 40 Jahren! – die Conterganrente. Wir entziehen Ihnen gerade mal die Existenz. Jetzt fragen Sie sich: Auf welcher Grundlage ist dieses Anhörungsverfahren eingeleitet worden? Man würde sich denken: Die haben das in der Stiftung doch bestimmt gut geprüft, bevor sie die Leute, die Portugiesisch sprechen, auf Deutsch angeschrieben haben.

Jetzt muss man sagen: Die Stiftung hat keinen Kontakt zur Firma Grünenthal aufgenommen, und die Stiftung hat über lange Zeit den Kontakt zur Firma Grünenthal verweigert, um hier zu einer Klärung zu kommen. Des Weiteren hat sich die Stiftung nicht mal den Lizenzvertrag angeschaut, der öffentlich zugänglich gewesen ist. Diesen Lizenzvertrag hat sie sich erst angeschaut, nachdem wir eine schriftliche Frage zu diesem Thema gestellt haben. Das Ganze ist also ohne Prüfung geschehen. Bis heute ist nicht ersichtlich, ob, in welcher Weise und auf welcher Grundlage eine Prüfung vorgenommen wurde. Ohne Prüfung sind die Menschen einfach mit dem Entzug ihrer Existenzgrundlage bedroht worden. Das ist der Skandal, über den wir heute reden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich bin seit 2013 Berichterstatterin in diesem Parlament für das Thema Contergan. Einen herzlichen Dank an die Berichterstatterinnen und Berichterstatter der anderen Fraktionen! Sie sind hier nämlich wahrlich nicht das Problem. Aber ich kann Ihnen sagen, dass in dieser Stiftung ganz viel im Argen liegt und dass das Bundesfamilienministerium aus unserer Sicht in diesem Fall seine Rechtsaufsicht nicht wahrgenommen hat, seiner Aufgabe nicht gerecht geworden ist.

Was wir heute tun, ist notwendig. Aber was wir ab morgen tun müssen, ist, diesen Skandal aufzudecken. Wir müssen endlich an die Stiftungsstruktur herangehen, an den Kern des Problems, weil, glaube ich, keiner von uns Lust hat, in wenigen Monaten, Jahren oder wann auch immer wieder hier zu stehen und irgendwelche Skandale aufzudecken. Wir brauchen eine Stiftung, vor der auch die deutschen Contergangeschädigten keine Angst haben müssen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Rüffer.

Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir brauchen eine Stiftung, bei der diese Menschen im Mittelpunkt stehen, eine Stiftung, die transparente, demokratische Strukturen hat, Strukturen, die wir nachvollziehen können. Wir brauchen ein Bundesfamilienministerium, das seine Aufgaben ernst nimmt.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Rüffer, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Jetzt komme ich zum Ende. – Wir haben unter den Berichterstatterinnen und Berichterstattern vereinbart, dass wir dementsprechend noch in dieser Legislaturperiode aktiv werden. Und ich werde nicht ruhen, bis etwas geschieht, weil ich keine Lust habe, immer und immer wieder diese Debatten zu führen.

Danke.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Wilfried Oellers das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)