Rede von Dr. Janosch Dahmen Corona-Schnelltests

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28.01.2021

Dr. Janosch Dahmen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Testen und vor allem das Schnelltesten ist neben der Impfung, Kontaktnachverfolgung und den Shutdown-Maßnahmen eine zentrale Säule in der jetzigen Phase der Pandemiebekämpfung. Wer beruflich vielen Menschen begegnet oder Angehörige in einem Pflegeheim besucht, sollte kurzfristig und selbstständig einen Test durchführen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch in Schulen und Kindergärten können systematisch eingesetzte Schnelltests die Infektionsgefahr deutlich reduzieren. Und mittlerweile wurden Schnelltests entwickelt, die auch von jeder Bürgerin und jedem Bürger zuverlässig und einfach durchgeführt werden können. Deshalb haben wir Grüne schon vor Wochen die Bundesregierung aufgefordert – und bringen heute den entsprechenden Antrag ein –, die nationale Schnellteststrategie auszubauen und Schnelltests zur Selbstanwendung zuzulassen. Wir betrachten Schnelltests hier nicht als Wundermittel, aber als wichtigen ergänzenden Baustein in der nationalen Schnellteststrategie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Nun hören wir aus dem Bundesgesundheitsministerium: „Jetzt bald“, „demnächst“, „in ein paar Wochen“ – ja, wir wissen immer noch kein konkretes Datum – sollen irgendwann Schnelltests zur Selbstanwendung für den Eigengebrauch zur Verfügung stehen. Liebe Bundesregierung, mir geht es hier um konstruktive Kritik, und deswegen möchte ich auf ein Muster aufmerksam machen, das uns in dieser Krisenpolitik langsam aufstößt. Und dieses Muster lautet: immer mindestens drei Schritte zu langsam.

Bei der Verimpfung der vorhandenen Vakzine sind wir nicht so schnell, wie es möglich und nötig wäre – Beispiel: Dänemark.

Die Ausweitung des Homeoffice kam viel zu spät und erst auf unseren Druck hin.

Und jetzt das gleiche Muster bei den Schnelltests: Österreich hat es letzte Woche vorgemacht und Schnelltests zur Selbstanwendung zugelassen. Die Regierung verteilt mittlerweile kostenlose Tests, beispielsweise an Schülerinnen und Schüler. Und bei uns in Deutschland? Noch nicht mal Hausärztinnen und Hausärzte können bei ihren Patientinnen und Patienten immer und unter allen Umständen, wenn es indiziert ist, einen Schnelltest auf Kosten der Krankenkassen anbieten.

Ja, ich habe das Gefühl, nach einem Jahr hat die Bundesregierung noch immer nicht verstanden: Eine Pandemie ist ein Wettlauf gegen die Zeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können es uns nicht leisten, drei Schritte zu langsam zu sein oder notwendige Maßnahmen nur zögerlich und nacheinander anzupacken. Es geht um Leben und Tod. Und die weiterhin hohen Todeszahlen sollten uns allen Auftrag genug sein, dass wir konsequent, zeitgleich und jetzt handeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun haben wir ja am Wochenende alle aus den Medien erfahren, dass auch das Bundesgesundheitsministerium Schnelltests zur Selbstanwendung zulassen wolle und auch die Medizinprodukte-Abgabeverordnung jetzt geändert werden solle. Und trotzdem bekommen wir kurzfristig keine Schnelltests, weil angeblich die Hersteller die Schnelltests erst zertifizieren lassen müssen. Ja, ich weiß als Arzt, dass Medizinprodukte hinsichtlich der Zuverlässigkeit zertifiziert und geprüft werden müssen.

(Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU] und Dr. Andrew Ullmann [FDP])

Aber wie bei den FFP2-Masken könnten Sie angesichts der Lage auch bei den Schnelltests eine Ausnahmegenehmigung wirkungsvoll erteilen und wie in anderen europäischen Ländern Schnelltests endlich einsetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, die wissenschaftlichen Belege liegen vor. Handeln Sie, kümmern Sie sich, setzen Sie nicht nur den Rahmen, sondern übernehmen Sie konkret Verantwortung, dass Schnelltests zur Eigenanwendung endlich zur Verfügung stehen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Zögerlichkeit und das Nacheinander zeigen sich bei dem Thema Schnelltests sehr deutlich. Da kündigen Sie im September letzten Jahres die Ausweitung der Schnelltests an, kümmern sich dann angesichts anderer Themen zunächst nicht weiter darum, verlassen sich einseitig auf die angekündigten Impfstoffe und starten dann nun im Januar ein Förderprogramm zur Ausweitung der Produktionskapazitäten für Schnelltests. Und es kommt noch schlimmer: Nach den Förderunterlagen ist absehbar, dass diese Schnelltests frühestens Ende des Jahres zur Verfügung stehen. Das kann doch wohl nicht wahr sein! Angesichts 50 000 Toter, 30 000 davon allein in den letzten zwölf Wochen, können wir nicht länger warten. Herr Altmaier, Herr Spahn, kümmern Sie sich darum, dass die Dinge endlich vernünftig laufen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich fasse noch einmal zusammen: Schnelltests sind a) einfach und auch sicher in der eigenen Durchführung, sie sind b) preiswert und verfügbar, sie sind c) schnell und damit als systematisches Instrument, gerade wenn wir aus den Schutzmaßnahmen rauswollen, wirkungsvoll einsetzbar. Also, was hindert uns denn daran, im zwölften Monat der Pandemie endlich so ein wichtiges ergänzendes Instrument einzusetzen?

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung der Kollegin von der CDU-Fraktion?

Dr. Janosch Dahmen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja.

Dr. Claudia Schmidtke (CDU/CSU):

Herzlichen Dank, dass ich die Zwischenfrage stellen kann. – Sie sind ja nun auch ärztlicher Kollege und wissen, wie schwierig es mit Selbsttests für Patienten ist, und Sie wissen, dass die Herstellung solcher Schnelltests natürlich ein bisschen länger braucht. Es gibt sie im Moment einfach noch nicht. Ich habe – ich weiß nicht, ob Sie es auch getan haben – mit Firmen gesprochen und gefragt, wie weit sie sind, und natürlich steht auch das BMG im Austausch mit den Firmen.

Also, ich glaube, wir müssen die Aussage, dass die Schnelltests zur Verfügung stehen und nicht eingesetzt werden, mal ein bisschen runterfahren. Es gibt sie im Moment definitiv einfach noch nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Janosch Dahmen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Da muss ich Ihnen leider widersprechen. Selbstverständlich führen wir in dieser schwierigen Zeit viele Gespräche, wenn es darum geht, entsprechende Strategien umzusetzen. Ich darf Ihnen versichern, dass allein fünf Hersteller aktuell genau an dem Punkt sind, anterior-nasale, also für den vorderen Nasenraum anwendbare Schnelltests einzuführen, die wie In-der-Nase-Popeln – so sagen es die Österreicher – einfach für jeden durchführbar sind. Diese Tests brauchen wir hier; die sind verfügbar. Österreich setzt sie ein. Warum also nicht wir? Wo ist hier das Problem?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der SPD)

Liebe Bundesregierung, sorgen Sie für eine funktionierende Schnellteststrategie! Wir liefern mit unserem Antrag hierfür den ersten Baustein. Sorgen Sie für einen flächendeckenden, sozialverträglichen Einsatz von sicheren FFP2-Masken! Sorgen Sie für einen schnelleren systematischen Ausbau der Sequenzierung! Sorgen Sie für eine Kontaktnachverfolgung, nicht nur, aber auch durch eine funktionierende Corona-Warn-App, in der möglichst auch neue Schnelltestergebnisse mit eingestellt werden, damit wir hier nicht in eine Surveillance- bzw. Überwachungslücke laufen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Also sorgen Sie dafür, kommunizieren Sie, erklären Sie, warum was wann erforderlich ist, warum wir einheitliche Risikostufen und Grenzwerte brauchen! Wo ist denn die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in dieser schwierigen Phase?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wo ist denn das Bundesamt für Katastrophenschutz in der epidemischen Lage von internationaler Tragweite? Wir müssen doch jetzt alle Kräfte bündeln und hier endlich zu einem konsequenten gemeinsamen Handeln kommen.

Ich appelliere also an die Bundesregierung: Lassen Sie uns wenigstens bei dem Thema „Schnelltests zur Selbstanwendung“ nicht weiter unnötig Zeit verlieren! Lassen Sie hier eine Ausnahme zu, damit diese Tests sofort zur Verfügung stehen! Denn in dieser Pandemie gilt, dass nur schnelles und konsequentes Handeln die Ausbreitung des Virus eindämmt und Leben von Menschen in diesem Land rettet.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Dr. Janosch Dahmen. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Rudolf Henke.

(Beifall bei der CDU/CSU)