Rede von Renate Künast Datenschutz-Grundverordnung

14.06.2018

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja nicht so, dass wir irgendwas Neues diskutieren: Seit Juni 2013 gibt es die Empfehlung der Europäischen Kommission, Möglichkeiten des kollektiven Rechtsschutzes einzuführen, meine Damen und Herren. Das heißt ja, es muss vorher schon viele Jahre lang Vorfälle und Mängel gegeben haben, aufgrund derer die EU-Kommission auf die Idee kam, das zu empfehlen. Das Problem ist also nicht erst im September 2015, mit der Abgasmanipulation, bekannt geworden. Wenn ich mir den Zeitablauf angucke, kann ich nur sagen: Setzen, fünf, für den Vorschlag, den Sie heute hier machen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt haben Sie einen Gesetzentwurf; aber – die Kolleginnen vor mir haben es ja auch schon angesprochen – die Sachverständigen aus Wissenschaft und Praxis haben in der Anhörung auf eine Unmenge an Unklarheiten und Mängeln verwiesen, und zwar trotz Ihrer Reparaturen, die Sie jetzt vornehmen. Wenn Sie sich das mal genau angucken, meine Damen und Herren, ist der Mangel – erstens – doch schon, dass die Musterfeststellungsklage quasi Teil einen großen Deals ist. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass alles irgendwie zeitgleich, schnell gemacht werden musste – Asylrecht, Familiennachzug, Parteienfinanzierung, weil offensichtlich bei einigen Geld fehlt –, auch weil man jahrelang verschlampt hat, sich zu den Betroffenen von Dieselgate klar zu äußern,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

klar zu sagen: Nachrüstung auf Kosten der Unternehmen, weil sie schlechte Ware geliefert haben.

Und jetzt kommen Sie – zweitens – mit dieser etwas obskuren Konstruktion. Nach unserer Auffassung und der Auffassung vieler Wissenschaftler und sogar Gerichtspräsidenten wäre es am Ende sogar klüger, zu sagen: Wir machen ein Gesetz, das den Eintritt der Verjährung verhindert. – Das ist nicht ohne Beispiel; zum Beispiel kann man das im Kartellrecht bei besonderen Ereignissen längst machen. Meine Damen und Herren, machen wir doch ein verjährungsverhinderndes Gesetz und überlegen uns dann genau, wie eine gute Regelung einer Klage, bei der sich Kunden zusammentun können, aussehen könnte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Fabian Jacobi [AfD])

Sie legen Hand an die gute, alte, recht zuverlässige ZPO und behaupten hier wieder wohlklingend etwas, was mich, ehrlich gesagt, an die Mietpreisbremse erinnert. Da standen hier Leute und sagten: Ab sofort wird alles ganz toll, und die Mieten sinken usw. – Wir haben damals schon gesagt, Sie werden nachbessern müssen; wir warten immer noch auf eine gute Nachbesserung, meine Damen und Herren. Dies hier ist genauso ein Etikettenschwindel.

Jetzt kommt Frau Barley mit der „Eine-für-alle-Klage“. Das stimmt doch hinten und vorne nicht – eine für alle –, das ist schlicht irreführend. Es ist – erstens – ein Gesetz allein für Verbraucher. Wer ein manipuliertes Dieselfahrzeug als Betriebswagen gekauft hat, wird alleingelassen. Daran ändert auch Ihre Änderung nichts, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das wissen Sie besser!)

Es ist weiße Salbe, weil sie gegenüber dem zivilprozessualen Status quo ohne jeden größeren Mehrwert ist. Sie können das Verfahren aussetzen, um auf die Tatsachenfeststellung in dem Verfahren zu warten. Ich verstehe ja, dass Sie glauben, dadurch könnte der Unternehmer was gewinnen. Aber Sie sind als Unternehmer dann auch in der Hand der Verbände, dieses Verfahrens, dieses Gerichts und können möglicherweise noch länger auf eine erstinstanzliche Entscheidung bezüglich Ihres Fahrzeuges warten. Was ist damit gewonnen? Nichts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zweitens. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nicht mit drin.

Drittens. Es ist eine Mogelpackung. Sie sagen: Eine für alle, jetzt geht es endlich los. – Aber im Ergebnis hängt man doch dann an den Verbänden. Zum einen gibt es ein Windhundrennen: Welcher Verband ist der erste und zieht durch, welche Fehler macht er, für die er dann noch haften darf? Zum anderen haben die Verbände in Wahrheit gar kein Geld in ihrem Haushalt, um solche teuren Verfahren durchführen zu können. Das heißt, es schlägt im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages auf, und wir entscheiden, wem wir Geld geben, damit er später klagen kann. Das ist nicht „Eine für alle“, das ist eine Mogelpackung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass die DUH die Voraussetzung erfüllt und Sie der DUH, die Sie ja dissen wollten, Geld überweisen müssen. Ich frage mich aber, wie vielen EU-Verbänden Sie im europäischen Binnenmarkt entsprechend Geld überweisen wollen.

(Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Keinem!)

Das Ding stimmt hinten und vorne nicht. Mit dieser Meinung sind wir nicht allein. Die Präsidentin des BGH und die Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte haben genau das gesagt, nämlich dass dieser Gesetzentwurf für die Rechtsdurchsetzung von Bagatell- und Streuschäden keine entscheidende Verbesserung bringt. Er ist zum Gutteil Wirtschaftsschutz, er ist zum Gutteil das Eingeständnis, dass Sie, wenn es um VW und Dieselgate geht, lange geschlafen haben. Für die Verbraucher bringt es eigentlich nichts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)