Rede von Jürgen Trittin Deutsch-Koreanische Partnerschaft
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit 140 Jahren pflegen wir mit Korea diplomatische Beziehungen. Es ist übrigens sehr interessant: Der deutsche Diplomat Max von Brandt hat damals den Vertrag, ein Freihandelsabkommen, in drei Tagen ausgehandelt. Das sollte man heute mal probieren. Danach aber – auch das kommt uns merkwürdig bekannt vor – schrieb ein Schriftsteller: Entweder ist Deutschland ein Land, welches nicht einmal so viel Geld hat wie beispielsweise Japan, oder es lässt uns und unserem König gegenüber an der Achtung fehlen für andere Nationen. – Das heißt, der Umstand, dass wir mit diplomatischen Ambitionen durch die Welt ziehen, aber das gelegentlich nicht mit genug Geld unterlegen, ist auch kein neues Phänomen.
Korea und Deutschland verbindet viel – kulturell und politisch. Es hat sich ja ein bisschen eingebürgert, uns Deutsche als „Kartoffeln“ zu bezeichnen. Im Englischen heißen wir immer noch „Krauts“ nach dem fermentierten Kohl, der gleichzeitig das Lieblingsgericht vieler Koreanerinnen und Koreaner ist: Sauerkraut mit Knoblauch und Chili.
(Heike Baehrens [SPD]: Kimchi!)
Schon das verbindet.
Beide Nationen haben Hightechfirmen wie Samsung und Siemens hervorgebracht. In den Bildschirmen von LG und Samsung steckt die Chemie von Merck. Korea wie Deutschland haben eine global wettbewerbsfähige Automobilindustrie, und die Spaltmaße von Hyundai nötigen selbst VW-Managern Bewunderung ab. Aber beide haben auch das Problem eines Rückstands gegenüber China bei der Elektromobilität.
Politisch war die Geschichte zwischen Korea und Deutschland wechselvoll. Im März 1945 hat uns Korea sogar den Krieg erklärt. Aber sie waren damit auf der richtigen Seite der Geschichte – anders als Frau Weidel, die die Befreiung vom Faschismus heute noch als Niederlage empfindet. Heute sind beide Länder – das einst von Japan besetzte Korea und das einst ganz Europa besetzende Deutschland – stabile Demokratien. Das ist die Basis für die Wertepartnerschaft zwischen unseren Gesellschaften.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Beide Länder verbindet die Erfahrung der Teilung im Kalten Krieg. Deutschland hat diese Teilung überwunden. Ich finde, gerade deswegen sollten wir fest an der Seite der Republik Korea stehen in ihrem Bestreben einer friedlichen Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel. Deswegen sind wir solidarisch mit diesem Korea angesichts der aggressiven Atomaufrüstungspläne von Nordkorea.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Die Erfahrung des Bedrohtseins ist, glaube ich, mit dafür verantwortlich, dass Korea sehr deutlich gegen den Krieg Russlands in der Ukraine Position bezogen hat. Wie Europa, wie die USA haben sie ein Sanktionsregime verhängt, ähnlich wie Singapur und Japan. Aber es ist nicht nur diese Erfahrung, die uns angeraten sein lässt, die Zusammenarbeit mit Korea zu stärken. Wir sind in einer ähnlichen geopolitischen Lage: beide mit großen Anteilen von Handel und Investitionen in China – Korea noch mehr, fast doppelt so viel wie wir –, aber beide davon abhängig, in der militärischen Sicherheit Bündnispartner zu haben, insbesondere die USA.
Wir müssen gerade mit Ländern wie Korea künftig enger und stärker zusammenarbeiten – nicht nur wegen Kraut und Kimchi, nicht nur wegen Samsung und Siemens, nicht nur wegen Hyundai und Volkswagen, sondern weil Deutschland und Korea viele gemeinsame Werte und Interessen teilen. Deshalb sind wir Partner, und deswegen kann ich heute sagen: Auf die nächsten 140 Jahre!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Für die Unionsfraktion hat das Wort Dr. Volker Ullrich.
(Beifall bei der CDU/CSU)