Rede von Michael Sacher Deutschland in der EU

Michael Sacher MdB
29.03.2023

Michael Sacher (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wieder ein Antrag von der rechten Seite, wieder eine Debatte, die ins Abseits führt, also eigentlich: Abpfiff!

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das entscheiden doch nicht Sie!)

Worüber reden wir eigentlich? Nationalstaatliche Souveränität in Zeiten globaler Verflechtungen, die Europäische Union als ein reiner Handelsverbund. – Ja, Handel ist eine erste und wichtige Grundlage für Beziehungen auf allen Ebenen und so auch auf der staatlichen. Handel bleibt auch in allen Beziehungen eine wichtige Grundlage. Austausch von Waren ist für alle Gesellschaften von immenser Bedeutung; denn niemand hat alles, was er oder sie braucht oder meint zu brauchen. Aber wer im 21. Jahrhundert immer noch nationalen Konstrukten aus dem 19. Jahrhundert nach- und anhängt, wird sehr schnell nicht mehr den aktuellen Herausforderungen gerecht werden können. Handel ändert sich, Wirtschaft ändert sich. Nur der deutsche Michel legt sich schlafen und träumt, wie gerade gehört, von der guten alten Zeit.

Handel ist wichtig, Handel ist eine Grundlage. Aber wenn wir die europäischen Beziehungen allein darauf gründen wollen, werden wir sehr bald Probleme bekommen, die auch wieder mit politischen Mitteln des 19. Jahrhunderts gelöst werden. Hier mag das nationalistische Russland als ein nicht löbliches Beispiel gelten.

Was diese deutsch-nationale Argumentation auch völlig außen vor lässt bzw. nie richtig wahrnimmt, ist, dass nicht Deutschland das Maß aller Dinge ist. Gerade in den Bereichen Ökologie, Digitalität und Zukunftstechnologien müssen wir aufpassen, nicht abgehängt zu werden. Das heißt, gerade wir in Deutschland profitieren von den Innovationen in und aus Europa in einem Austausch auf Augenhöhe.

Europa funktioniert nicht nur allein auf der wirtschaftlichen Ebene. Diese Zusammenarbeit braucht eine kulturelle Basis, einen gemeinsamen Grund, eine Erzählung, die das Projekt erst verständlich macht. Oder kurz gesagt: Wenn wir die EU nur technisch und wirtschaftlich verstehen, reicht das nicht als friedenstiftender Kitt. Für den Zusammenhalt braucht es Emotionen, Kultur und die Bereitschaft, Kompromisse zu machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Bei dem letzten Punkt weiß ich als grüner Politiker, wovon ich rede.

Vielleicht noch eine Perspektive, die den Antragstellern auch etwas ferner liegt, und zwar die der jungen Menschen. Da herrscht nicht mehr die Perspektive „Trautes Heim, Glück allein“ vor, sondern da gibt es Offenheit, kulturelle Aufgeschlossenheit, eine Bereitschaft zum Perspektivwechsel und zur Kooperation.

Europa ist eine Erzählung – Europa ist eine Erzählung vom Gelingen. Erst wenn wir das abgrenzende Denken hinter uns lassen, um den Horizont zu weiten, uns kulturell weiterdenken und nicht im eigenen Sonntagsbratensaft in der Kleinstadt schmoren, erst dann haben wir eine Chance, uns auch hier in Deutschland für die Zukunft aufzustellen. Wer sich jedoch abschottet, nicht auf allen Gebieten zur Zusammenarbeit bereit ist, begibt sich selbst ins Abseits. – Abpfiff! Stille im ach so deutschen Walde.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Sacher. – Nun hat das Wort der Kollege Philipp Amthor, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)